| # taz.de -- Videokunst in München: Erinnern, nicht mahnen | |
| > Im Luftschutzkeller des Münchener Hauses der Kunst artikuliert die | |
| > Ausstellung "Aschemünder" einen globalen und sensiblen Blick auf Krieg | |
| > und Traumata. | |
| Bild: David Claerbout: Vietnam, 1967, near Duc Pho. Videoinstallation 2001. | |
| Es war eine spektakuläre Premiere. Denn das neugierige Publikum im | |
| Münchener Haus der Kunst warf Anfang April nicht nur einen Blick in eine | |
| umfangreiche Videokunst-Ausstellung und damit gleichzeitig in nie zuvor | |
| genutzte Räume des ehemaligen Luftschutzkellers. Es wurde ihm auch ein | |
| zukunftsweisendes, neues Modell der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen | |
| einem öffentlichen Museum und einer privaten Sammlung vorgestellt. | |
| Bereits seit 2005 im Gespräch, musste das ambitionierte Projekt bis zur | |
| aktuellen Ausstellung "Aschemünder" allerdings einige Hürden, darunter eine | |
| Wirtschaftskrise, meistern. Zunächst spielte Ingvild Götz, eine der | |
| bedeutendsten Privatsammlerinnen Deutschlands und ein Lichtblick in der | |
| noch karg bestückten zeitgenössischen Kunstszene Münchens, mit dem | |
| Gedanken, einen Teil ihrer Sammlung in neuen Räumen zu zeigen, nicht mehr | |
| nur in ihrem Oberföhringer Kunstbau von Herzog & de Meuron. Berlin wäre | |
| eine Option gewesen. Freilich nur solange man nicht mit dem engagierten | |
| Ministerialdirigenten Toni Schmidt rechnete. Für ihn stand von Anfang an | |
| fest: Diese Sammlung muss in München bleiben. | |
| Das entscheidende Argument einer Zusammenarbeit mit dem Haus der Kunst war | |
| der geplante Umbau seines Westflügels, für den ein finanzstarker Partner | |
| gesucht wurde. Die Idee war also, dass die Sammlung Götz den neuen | |
| Westflügel des Hauses bespielen sollte, wobei die Kosten und Entscheidungen | |
| in einer gleichberechtigten Partnerschaft von beiden Häusern getragen | |
| würde. Ein tragfähiges Konzept, bis die Finanzkrise kam und die Renovierung | |
| des Westflügels auf Eis gelegt werden musste. | |
| Zu diesem Zeitpunkt entstand dann die Idee, den ehemaligen Luftschutzkeller | |
| als alternativen Museumsraum auszubauen. Schon bei der ersten Besichtigung | |
| der Räumlichkeiten war klar, dass dieser in Dunkelheit getränkte und nahezu | |
| schalldichte Ort perfekte Bedingungen für die Präsentation von Film- und | |
| Videokunst bietet und deshalb diesem Medium gewidmet werden würde. | |
| Für Ingvild Götz, die die erste Ausstellung kuratierte, war die Arbeit in | |
| den geschichtsträchtigen Räumen des Luftschutzkellers des Hauses der Kunst | |
| eine enorme Herausforderung: "Die Frage war für mich vor allem, wie man mit | |
| der Geschichte, die diesen Räumen anhaftet, sensibel umgeht, ohne noch | |
| einmal eine Ausstellung über den Nationalsozialismus zu machen. Es stand | |
| schnell fest, dass es um Krieg und Kriegserlebnisse gehen muss. Ich glaube, | |
| anders konnte man mit diesen Räumen gar nicht umgehen." | |
| Allein der Schritt vom Parkplatz hinter dem Haus der Kunst in die kühlen, | |
| von leisem Gemurmel durchsetzten Räume des Luftschutzkellers ist | |
| beeindruckend. Mit dem schwindenden Tageslicht verblasst zunehmend auch die | |
| Wahrnehmung von Raum und Zeit und ein Gefühl des Ausgeliefertseins macht | |
| sich breit. Eine ideale Bedingung für die Rezeption von Videokunst, folgt | |
| man Chris Dercons "Gedanken über die Kunst der Projektion im Museum". | |
| ## Gefühl des Ausgeliefertseins | |
| Und wirklich - ohne auf klassische Schockeffekte zurückgreifen zu müssen, | |
| bannt den Besucher die unmittelbare Ansprache der einzelnen Arbeiten, die | |
| in den 14 kleinen Räumen links und rechts des Flurs wie Häuser auf einer | |
| Straße verteilt sind. Schon der Auftakt mit "Still Life", Sam Taylor Woods | |
| moderner Adaptation des Vanitas-Motivs, evoziert subtil Assoziationen von | |
| Vergänglichkeit und Vernichtung und gibt den Ton der Ausstellung vor: | |
| Erinnern ist hier das Credo, nicht mahnen. Opfer und Täter kommen dabei in | |
| gleichem Maße zu Wort. | |
| Während sich die palästinensische Künstlerin Mona Hatoum mit ihrer | |
| Exilsituation und der Entfremdung von ihrer Heimat auseinandersetzt, | |
| beschreibt im Raum gegenüber ein ehemaliger UN-Soldat seine Schlaf | |
| raubenden Erinnerungen an das Töten. Etwas weiter gewährt Omer Fast mit | |
| vier Interviews von Angehörigen einer israelischen Panzerbesatzung einen | |
| dokumentarischen Einblick in das Innere der Kriegsmaschine. William | |
| Kentridges thematisiert die zunehmende Verbreitung von Aids in Südafrika in | |
| einer poetisch schönen, dadurch aber umso erschreckenderen Arbeit aus | |
| animierten Kohlezeichnungen von dürren Kuhherden und der Zeitungslektüre | |
| eines am Strand verweilenden Alter Egos. | |
| "Aschemünder" artikuliert einen globalen, sensiblen Blick auf Krieg und die | |
| Überwindung von Traumata. Auch in Juan Manuel Echavarrias dokumentarischer | |
| Projektion "Bocas de Ceniza", die der Ausstellung ihren Namen gab, wird | |
| dies eindringlich demonstriert. In starren, sehr nahen Gesichtsaufnahmen | |
| gibt der kolumbianische Künstler die Lieder von fünf Männern und einer Frau | |
| wieder. Ihre von dem Leid der Drogenkriege geprägten Gesichter singen | |
| würdevoll und ohne zu stocken, von der Erfahrung der Massaker und ihrem | |
| Überleben. Echavarria hält diese Gesänge als Ausdruck des Krieges mit der | |
| Videoarbeit fest, um sie so in Kunst zu transformieren. "Das Wichtigste ist | |
| doch, Erinnerung zu wahren", erklärt er. Dafür wurde jetzt unter dem Haus | |
| der Kunst eine gute Grundlage geschaffen. | |
| 4 May 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Annabelle Hirsch | |
| ## TAGS | |
| Videokunst | |
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