# taz.de -- Tempelhofer Feld: Befriedende Umfriedung | |
> Ein Jahr nach seiner Öffnung ist das ehemalige Flugfeld ein Park mit | |
> Zaun. Vor einem Jahr gab es noch Widerstand gegen den "Sicherheitszaun" | |
> und die nächtliche Schließung. Heute regt sich niemand mehr auf. | |
Bild: Schon als Luftbrückenflughafen hatte Tempelhof einen Zaun - einen erstau… | |
Ein Jahr ist es her, dass der Senat die BerlinerInnen zur Öffnung des | |
Tempelhofer Feldes geladen hatte. Unter dem Motto "Bewegungsfreiheit" kamen | |
am Eröffnungstag rund 100.000 Menschen, um den neuen Park zwischen | |
Neukölln, Kreuzberg, Schöneberg und Tempelhof zu erkunden. Auch 1.200 | |
Demonstranten kamen, die unter lautstarken "Der Zaun muss weg!"-Rufen gegen | |
die Umzäunung und nächtliche Schließung des neuen Stadtparks protestierten. | |
Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei, Medien und Politiker diskutierten | |
noch Wochen nach der Öffnung des 300 Hektar großen ehemaligen | |
Flughafengeländes die Zaun-Frage: Soll und darf eine öffentliche Grünfläche | |
umzäunt und nachts abgeschlossen werden? | |
Die Befürworter des Zauns, darunter Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg | |
Junge-Reyer und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) | |
beschwörten Gefahren vom offenen Drogenhandel bis zum wilden Campen. Seine | |
Gegner, darunter der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, verwiesen | |
auf die bürgerlichen Freiheitsrechte - und auf die positiven Erfahrungen | |
aus anderen, zaunlosen Parks. | |
Ein Jahr danach spricht keiner mehr über den Zaun. Unbeachtet steht er | |
weiterhin da, die Stacheldrahtrollen sind abmontiert, die drei | |
Haupteingänge nach wie vor zwischen Sonnenuntergang und -aufgang | |
geschlossen. Aber niemand regt sich mehr darüber auf. "Der Zaun ist | |
weitgehend akzeptiert", ist der Eindruck von Michael Krebs, Parkmanager bei | |
der landeseigenen Grün Berlin GmbH, die im Auftrag des Senats den Park | |
bewirtschaftet. Für das Jahr 2011 hat Grün Berlin 950.000 Euro für die | |
Parkinstandhaltung zur Verfügung, für Müllbeseitigung, Wachpersonal und | |
Zaunreparaturen. Die sind aber laut Krebs nicht mehr nötig: Attacken von | |
Zaungegnern, die in den Anfangszeiten zum Alltag gehörten, gäbe es nicht | |
mehr. | |
Susanne Weiß-Goldschmidt vom zuständigen Polizeiabschnitt 55 bestätigt | |
diesen Eindruck: "Nicht eine einzige Sachbeschädigung" habe es seit der | |
Eröffnungswoche gegeben, sagt sie. Auch die von Zaungegnern veranstalteten | |
sonntäglichen Kiez-Zaunspaziergänge gebe es nicht mehr. "Insgesamt läuft | |
alles sehr ruhig und gesittet ab", so das Fazit der Polizistin. Ob es auch | |
ohne Zaun so gekommen wäre? Nun ja, für Drogenhändler sei der Park aufgrund | |
mangelnder Versteckmöglichkeiten ohnehin nie interessant gewesen. | |
Parkmanager Krebs dagegen glaubt, dass der Zaun, die Wachleute und die | |
knallroten, übers Feld verteilten Infoboxen den Besuchern ein Gefühl des | |
Aufgehobenseins geben: "An die wenigen Regeln, die wir haben, halten sich | |
die Leute gern." Die Besucher verließen freiwillig zur Schließungszeit den | |
Park. Nur "sehr vereinzelt" habe man nächtliche Aktivitäten auf dem Feld | |
registriert. Zwei bis maximal acht Security-Kräfte seien auf dem | |
Tempelhofer Feld im Einsatz, so der Parkmanager. Wenig, wenn man bedenkt, | |
dass sich am Wochenende zwischen 20.000 und 40.000 Besucher auf dem Feld | |
tummeln. | |
Vermüllung, Drogenhandel, Vandalismus: Ob es wirklich der Zaun ist, der das | |
Tempelhofer Feld von diesen drei Hauptproblemen öffentlicher Parks bewahrt? | |
"Es gibt da ein psychologisches Moment, eine innere Freude der Berliner | |
über diesen Raum, der ihnen geschenkt wurde. Wahrscheinlich gehen sie | |
deshalb sorgsam mit ihm um", mutmaßt Franziska Eichstädt-Bohlig, | |
stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen. Jedenfalls gibt es auf | |
dem Tempelhofer Feld keine großen Müllberge, wie sie nach sommerlichen | |
Wochenenden etwa im Görlitzer Park herum liegen. Auch die Mülltonnen auf | |
den Wiesen und den ausgewiesenen Grillarealen scheinen auszureichen. | |
Bleibt die Frage nach der Freiheit: Bedeutet es nicht eine Einschränkung | |
von Bürgerrechten, wenn den BerlinerInnen verwehrt wird, nachts | |
öffentliches Gelände zu betreten? Vielleicht. Aber seit der Eröffnung des | |
Parks für das breite Publikum sind theoretische Erwägungen in den | |
Hintergrund getreten. Die drängenderen Themen auf und um das Feld sind ganz | |
praktischer, städtebaulicher Natur - siehe linksalternative | |
Kiezspaziergänge, die sich nicht mehr mit Zaun, Security und Stacheldraht, | |
sondern Mieterhöhungen und Umstrukturierungen im benachbarten Schillerkiez | |
befassen. Und der vom Senat geplanten "Parklandschaft" samt | |
Gartenausstellung und Bebauung der Feldränder. | |
## Jubiläumsfest von 9:00 bis 18:00 Uhr auf dem Tempelhofer Feld, ab 10:00 | |
Uhr IGA-Lauf, danach Musik, Sport und Essen mit Vorstellung der ersten | |
Nutzungen der Pionierflächen. | |
6 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Nina Apin | |
## TAGS | |
Görlitzer Park | |
Schwerpunkt Schillerkiez in Berlin | |
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