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# taz.de -- Interview Country-Legende Emmylou Harris: "Mit Musik lässt sich et…
> In ihrem neuen Album habe sie die wichtigen Stationen ihres Lebens Revue
> passieren lassen, sagt die US-amerikanische Country-Legende Emmylou
> Harris.
Bild: Emmylou Harris in Nashville.
taz: Frau Harris, haben Sie schon als Mädchen Country abgöttisch geliebt?
Emmylou Harris: Oh Gott, nein. In meiner Jugend konnte ich mit dieser Musik
nichts anfangen. Einzig für Johnny Cashs Album "With His Hot & Blue Guitar"
habe ich mich auf Anhieb begeistert. Mein Bruder hatte diese Platte. Weil
er sie dauernd hörte, kannte ich die Lieder bald in- und auswendig. Mein
Idol war damals aber Joan Baez. Ihr wollte ich nacheifern.
Bis Sie Gram Parsons begegnet sind?
Er hat mir geholfen, meine eigene Stimme zu finden - was ja eine gute Sache
ist. Ich weiß nicht, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich ihn nicht
kennengelernt hätte. Womöglich säße ich jetzt nicht hier, sondern wäre
Tierärztin geworden.
Tatsächlich?
Ich liebe Tiere. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Bevor ich Gram traf,
ging es mir nicht besonders toll. Ich war geschieden, alleinerziehend, mit
meiner Musik konnte ich mich in New York kaum über Wasser halten. Deswegen
empfand ich es als Geschenk des Himmels, dass Gram mich als
Backgroundsängerin engagiert hat.
Das Tourleben mit Parsons war aber ziemlich chaotisch, oder?
Aber genau deshalb hat es mir so viel Spaß gemacht. Auf jeden Fall war
unser Tourbus wenig luxuriös. Es gab keine Schlafkojen. Wir mussten uns
irgendwie auf den Sitzen einrichten. Oder uns auf den Fußboden legen. In
der Regel war dann der Weg zur Toilette blockiert …
Klingt nicht sehr einladend.
Ach, ich habe mich wie im Abenteuerland gefühlt. Im Herzen war ich immer
noch das graue Mäuschen vom Land. Meist saß ich still in einer Ecke und
strickte. Exzesse gab es bei mir nicht.
Hat Sie Parsons Lebenswandel schockiert?
Machen wir uns nichts vor: Er hatte ein Alkohol- und Drogenproblem. Aber er
wollte seine Abhängigkeit in den Griff kriegen. Während der Tournee hat das
auch einigermaßen geklappt. Er sang jeden Abend ganz großartig, wirklich.
Doch seine langjährige Vorliebe für Suchtmittel hatte seinem Körper schon
arg zugesetzt. Kurze Zeit später ist er gestorben, mit 26.
Warum haben Sie ausgerechnet jetzt mit "The Road" einen Song für ihn
geschrieben?
Ich wollte mein Album "Hard Bargain" dazu nutzen, die wichtigen Stationen
meines Lebens Revue passieren zu lassen. Dazu zählt auch die Begegnung mit
Gram. Meinen Eltern habe ich ebenfalls ein Lied gewidmet, es heißt "The
Ship on His Arm". Meine Mutter und mein Vater waren zweimal getrennt: durch
den Zweiten Weltkrieg und den Koreakrieg. Als mein Dad in Gefangenschaft
kam, wusste meine Mum nicht, ob er überhaupt noch lebt. Das war sehr hart
für sie.
Hätten Sie das ausgehalten?
Ich weiß es nicht. Da stößt man schon an seine Grenzen, denke ich.
Andererseits beneide ich meine Mutter darum, dass sie 50 Jahre mit meinem
Vater verheiratet war. Ich selber bin dreimal geschieden. Irgendwie bin ich
nie dem richtigen Mann begegnet. Schade!
Haben Sie die Suche jetzt aufgegeben?
Mal ehrlich, jeder will sich doch verlieben. Das gibt uns einen
Adrenalinkick, es wirkt euphorisierend. Bloß ist das, was danach kommt, so
kompliziert. Eine Beziehung zu führen verlangt einem ziemlich viel ab.
Vielleicht bin ich deshalb seit 20 Jahren Single.
Frustriert Sie das?
Eigentlich nicht. Sicher fürchte ich mich vor Einsamkeit. Aber mit ihr wird
man ab und zu sogar in einer Partnerschaft konfrontiert. Ich habe gemerkt,
dass mich das Streben nach Zweisamkeit nicht unbedingt glücklich macht.
Darum fokussiere ich mich im Moment auf andere Dinge. Ich habe daheim in
Nashville eine Auffangstation für Hunde gegründet. Dort nehme ich Tiere
auf, die sonst eingeschläfert worden wären.
Engagieren Sie sich bei diesen Rettungsaktionen vor allem finanziell?
Nein. Ich bin diejenige, die die Hunde versorgt. Ihretwegen stehe ich
morgens um halb sieben auf. Um die Wahrheit zu sagen: Jenseits der Bühne
ist mein Alltag wenig glamourös. Privat investiere ich in meine Tiere statt
in Luxus. Dabei verliere ich dauernd Geld. Doch das ist mir egal.
Hauptsache, ich kann wieder ein Lebewesen vor dem Tod retten.
Tierschutz scheint Ihnen wichtiger als politisches Engagement zu sein?
Das stimmt so nicht. Soziale Missstände beschäftigen mich, darum ist das
Stück "My Name is Emmett Till" förmlich aus mir herausgesprudelt. Ich hatte
diese Geschichte nie vergessen, wie dieser schwarze Junge 1955 aus niederen
rassistischen Motiven ermordet wurde. Ich versuchte mich in ihn
hineinversetzen, in seine Angst, in die Erniedrigungen, die er erlitt. Aus
dieser Motivation heraus ist das Lied entstanden.
Glauben Sie ernsthaft, mit Musik die Welt verändern zu können?
Mit Musik lässt sich etwas bewegen. Ein Song kann der Gesellschaft
zumindest Denkanstöße geben.
Reicht das denn?
Sicher bewirkt der Präsident der Vereinigten Staaten mehr als ich. Ich
bewundere Barack Obamas Intelligenz. Er verkörpert für mich den
US-amerikanischen Traum.
Trotzdem ist er bei Ihren Landsleuten nicht mehr besonders populär.
Das ändert nichts an meiner Begeisterung für ihn. Unser Land profitiert von
diesem Mann. Nicht nur, weil er schwarz ist.
So schnell kann sie also keiner enttäuschen?
Nun, meine Begegnung mit Bob Dylan war schon ein bisschen seltsam. Ich
dachte, er wollte partout mit mir arbeiten. Dabei suchte er nur eine
Sängerin. Im Studio drückte er mir die Texte in die Hand, dann wurde
aufgenommen. Das war wie Action Painting: spontan und direkt.
15 May 2011
## AUTOREN
Dagmar Leischow
## TAGS
Neues Album
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