# taz.de -- Neues Album "W" von Planningtorock: Schräge Bühnenshows, die rock… | |
> Die Musikerin Planningtorock und ihr verstörend zielgerichtetes Album | |
> "W". Bei ihren Auftritten sorgt die Britin mit facettenreichen Outfits | |
> für extravagante Bühnenshows. | |
Bild: Mit Maskeraden und schrägen Kostümen auf die Bühne: Planningtorock. | |
Zwei angeklebte Beulenprothesen ziehen sich zwischen ihrer Stirn und | |
Nasenspitze. Janine Rostron aka Planningtorock erinnert auf dem | |
Plattencover ihres neuen Albums "W" an eine Mischung aus altgriechischem | |
Sagenwesen und animalischer Raubkatze. Pan meets Frau? | |
Einen auffälligen Hang zur verwirrenden Kostümierung pflegt die in Berlin | |
lebende britische Musikerin und Videokünstlerin schon seit ihren ersten | |
Auftritten als Planningtorock. Mal erscheint sie als Pantomime in weißer | |
Halskrause und Frack, mal überrascht sie mit silbrigem Papphelm und weit | |
geschnittenem Umhang, der sie bis zur Unkenntlichkeit verhüllt. In ihren | |
Videos, stets integraler Teil ihrer Show, multipliziert sie sich zum | |
Kaleidoskop - so als wäre sie ihrer Identität beraubt. Selbst ihre Stimme | |
zersplittert durch Effekte verfremdet und erhält einen tiefen, | |
unmenschlichen Klang. | |
"Auf der Bühne stehe aber trotzdem immer nur ich", beteuert Janine Rostron, | |
"und kein Alter Ego." Sie sei nun mal facettenreich wie jeder andere Mensch | |
auch, der die Grenzen seines Ichs erforscht: Die verschiedenen Maskeraden | |
sind der aufrichtige Versuch, jeglichen Rahmen von Definition zu sprengen, | |
durch den sie sich eingeengt fühlt. Wie zum Beispiel: Gender. Sie sei nicht | |
nur eine Frau, sagt sie, und versteht ihren künstlerischen Ansatz durchaus | |
als feministischen Prozess zur Selbstbestimmung der eigenen Identität. | |
Geburtsstunde dieser Suche war die Erfahrung einer temporären | |
Undefinierbarkeit, die sie Ende der neunziger Jahre machte. Nach ihrem | |
Studium an der Sheffield Art School kommt sie erstmals nach Berlin, um bei | |
einem kleinen Kunstprojekt mitzumischen. In dieser Zeit erfährt Rostron ihr | |
AusländerIndasein als Befreiung und nennt fortan Berlin, wohin sie 2001 | |
zieht, die Stadt ihrer Wiedergeburt: "Daraufhin habe ich mir in Berlin ein | |
eigenes Tonstudio eingerichtet und mich nur noch auf meine Musik | |
konzentriert." | |
## Die Leidenschaft Film | |
Ihre Musikeinflüsse sind ebenso eklektisch wie die ungeheure | |
Plattensammlung ihrer Mutter, einer Finanzbeamtin: von Klassik bis Rock, | |
von Bach bis zu The Residents. Auch der Vater, Ingenieur, infiziert Janine | |
bereits früh mit seiner ihm eigenen Leidenschaft für das Medium Film. Sie | |
ist gerade mal sieben, als er sie vor "Shining" platziert - mit dem Spruch: | |
"Schau's dir an, der Film wird dir bestimmt gefallen." Das tut Stanley | |
Kubricks Horrorfilm aber vor allem wegen des Soundtracks von Wendy Carlo, | |
erinnert sich Rostron, die als Kind angefangen hat, Geige zu lernen. Nach | |
und nach bringt sie sich selbst auch Flöte, Klarinette und Klavier bei. | |
Später entscheidet sie sich jedoch nicht für die Musikhochschule - die sei | |
ihr "zu konservativ und zu wenig interdisziplinär", sondern für die | |
bildende Kunst. Dem Zusammenspiel von Musik und Video widmet sie sich dann | |
auch während ihres Studiums in Sheffield, wo sie ihren Abschluss macht: "Es | |
waren sehr persönliche Arbeiten, in denen vor allem ich und ein paar | |
Freunde mitspielten", erklärt sie. "Es kam mir nur logisch vor, auch die | |
Musik selbst zu komponieren." | |
Ebenso autark und kompromisslos entwickelt sich ihr Projekt Planningtorock | |
weiter. Nur selten spielt Janine Rostron Freunden und Gleichgesinnten ihre | |
Kompositionen vor oder bittet sie um ihre Meinung. Das würde sie sonst nur | |
verwirren. | |
## Parallelprojekte und Klangforschung | |
In ihren Songs unterlegt sie hallende Beats mit melodramatischen | |
Geigenakkorden, apnoische Saxofoneinheiten kreuzen sich mit schmachtenden | |
Basslinien. Für diese Klangforschung nimmt sich Rostron Zeit. Zwischen | |
ihrem Debütalbum "Have It All" und "W" sind fünf Jahre vergangen. | |
Parallelprojekte verzögern die Arbeit am Eigenen: Sie tourt mit LCD | |
Soundsystem und Peaches, komponiert die Musik für ein Theaterstück der | |
Schwulenikone Bruce LaBruce und werkelt mit The Knife und Mt. Sims am | |
Soundtrack für eine Darwin-Oper. | |
Immer wieder wird sie auf den Namen ihres Projekts angesprochen: "Ich | |
dachte, es wäre witzig, wenn ich mal berühmt werden sollte und die Leute | |
mich auf der Straße ansprechen: ,Are You Planningtorock?' - Hast du vor | |
abzurocken?" Der Plan geht auf - die Gewissenhaftigkeit, die Rostron mit | |
viel Liebe zum Detail in die Komposition ihrer Musik, in die abstrakten | |
Videos und das Design ihrer Kostüme investiert, macht sich vor allem in | |
ihrer Bühnenperformance bezahlt. Hier erweckt die Künstlerin sich selbst | |
als Gesamtkunstwerk kraftvoll zum Leben und definiert ihre Songwelten stets | |
neu. | |
16 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Elise Graton | |
## TAGS | |
Planningtorock | |
Planningtorock | |
Queer | |
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