# taz.de -- NEUBAU AM SPREEUFER: Ein Stern von einem Nachbarn | |
> Die neue Vertriebszentrale von Mercedes entsteht ab Herbst an der Spree - | |
> obwohl ein Hochhaus an dieser Stelle gegen den Bürgerentscheid von 2008 | |
> verstößt. | |
Bild: Bringt den Potsdamer Platz zur Oberbaumbrücke: Mercedes-Vertriebszentral… | |
"Das ist kein schweres Hochhaus", sagt Georg Gewers, als er den Entwurf | |
seines Architektenbüros präsentiert. "Es ist sehr leicht, sehr | |
transparent", sagt er. "Es gibt keine leichten Hochhäuser", ruft eine junge | |
Frau im Publikum. Jeder zweite Satz des Architekten wird mit Zwischenrufen | |
kommentiert. Auf einer Tafel hinter Gewers sieht man die neue Zentrale des | |
Mercedes-Benz-Vertriebs Deutschland. Ab Herbst soll sie neben die O2-Halle | |
unweit des Friedrichshainer Spreeufers entstehen. Eine Konstruktion aus | |
Stahl, Glas und Beton, die einer Forderung des erfolgreichen | |
Bürgerentscheids "Spreeufer für alle" aus dem Jahr 2008 klar widerspricht. | |
87 Prozent der Teilnehmer haben sich damals gegen Neubauten in direkter | |
Ufernähe ausgesprochen und gefordert, zwischen Stadtbahn und Köpenicker | |
Straße keine neuen Hochhäuser zu bauen. Zwar soll die Mercedes-Zentrale | |
weiter als die geforderten 50 Meter vom Ufer entfernt stehen, doch sie wird | |
54 Meter hoch - den Stern auf dem Dach noch nicht mitgerechnet. In Berlin | |
gilt jedes Haus über 22 Meter Höhe als Hochhaus. | |
Henrik Thomsen reagiert auf alle Vorwürfe der Projektgegner mit einem | |
Lächeln. Seine Firma Vivico hat an diesem Montagabend in den Fritzclub im | |
Postbahnhof geladen. Sie wird das Gebäude bauen und es nach Fertigstellung | |
2013 für zunächst zehn Jahre an Daimler vermieten. Dass es an diesem Abend | |
um Bürgerbeteiligung gehe, hat Vivico nie behauptet. Es sei eine | |
Informationsveranstaltung für Anwohner und interessierte Bürger, hieß es | |
schon im Vorfeld. Anwohner gibt es im Umfeld der geplanten Baustelle, das | |
von Brachen, Schienen und Baumärkten geprägt ist, nur wenige, interessierte | |
Bürger dagegen schon. Etwa ein Drittel des knapp 100-köpfigen Publikums | |
besteht aus überzeugten Gegnern des Projekts, die sich sich lautstark in | |
die Diskussion einbringen. | |
Franz Schulz muss Schmährufe ertragen. Der grüne Bezirksbürgermeister von | |
Friedrichshain-Kreuzberg erklärt, warum sich die Bauherren nicht an den | |
Bürgerentscheid halten werden: "Schon vor dem Bürgerentscheid ist mit dem | |
Bebauungsplan geltendes Baurecht geschaffen worden." Der Erfolg des | |
Entscheids ändere daran nichts. | |
Schulz gegenüber sitzt Harald Schuff, Vertriebsleiter von Mercedes Benz | |
Deutschland. Seine Firma will umziehen, weg vom Potsdamer Platz hin ans | |
Spreeufer. 1.200 Mitarbeiter wird Schuff von Mitte mit nach Friedrichshain | |
bringen. Ein junger Mann im Schlabberpullover bringt die Angst vieler | |
Gegner der Bebauung vor der kaufkräftigen Daimler-Belegschaft auf den | |
Punkt: "Wenn die in der Mittagspause Spaghetti für 16 Euro essen, wird das | |
Leben für uns alle teurer!" Schuff verteidigt sich: Seine Mitarbeiter | |
verdienten nicht so gut, wie man glaubt, und zögen auch nicht unbedingt in | |
die Nachbarschaft: "Wir ziehen ja innerhalb Berlins um." | |
Und so sitzen der Architekt, der Vivico-Chef, der Bürgermeister und der | |
Mercedes-Mann auf der Bühne, bestätigen sich und dem Publikum immer wieder, | |
dass man an guter Nachbarschaft interessiert und 50 Meter nicht so hoch sei | |
- während die Zwischenrufe wütender werden. Trotzdem zieht Stefan Rupp von | |
Radio Eins, der die Debatte moderiert, ein positives Fazit: "Ich denke, | |
Vivico hat ein erstes Signal der Kommunikationsbereitschaft ausgesendet." | |
"Gebaut wird trotzdem!", schallt es aus dem Publikum zurück. | |
17 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Fischer | |
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