# taz.de -- 70. Geburtstag Bob Dylans: Womit er die Locken verbarg | |
> Kein Geringerer als Bob Dylan wird jetzt 70 Jahre alt. Ein Blick auf eine | |
> außergewöhnliche Karriere im Spiegel der Hutmode. Dylan favorisierte | |
> Hüte. | |
Bild: Konzert 1975 im New Yorker Madison Square Garden: Bob Dylan feiert am Die… | |
Der Hut hat in Bob Dylans Karriere seit je eine zentrale Bedeutung; selbst | |
der oberflächliche Hörer von Dylans Werk weiß wohl, dass sich Lieder über | |
Hüte auf fast allen Alben finden, angefangen von "Hattie Carroll" über | |
"There is a Hat in New Orleans" über "Before the Hat" und hin zu "Hat Gone | |
Wrong" und der berühmten Bootleg-Fassung von "Ein Hut, ein Stock, ein | |
Regenschirm" zusammen mit Pete Seeger. | |
Dabei begann alles mit einer Mütze, der Helmut-Schmidt-schen | |
Prinz-Heinrich-Mütze nicht ganz unähnlich, die den Dylanschen Lockenschopf | |
quetschte, wenn er an Woody Guthries Krankenbett sang oder die er | |
herumgehen lassen konnte, unten im Village, an den Montagabenden, an denen | |
man fürs Trinkgeld der Gäste spielte. | |
Drogen und Rockmusik bliesen Dylan für eine Weile vom spitzen Kopf den Hut, | |
um den Dichter zu zitieren, doch mit der Hinwendung zur Countrymusik taucht | |
bereits 1966 ein Mao-Käppi auf, verschämt in der Hand gehalten auf dem | |
ersten Cover-Entwurf zu "Tarantula", flugs vergessen wie der Roman selbst, | |
abgelöst durch grimme "Kleinbürger des Wilden Westens"-Hüte, die The Band | |
aufgetan haben dürften: Neorealismus von Pferdedieben, sehr unsexy im | |
Großen und Ganzen. | |
## Der Hut-Gau | |
Dylan favorisierte diese Musik und diese Hüte: schmal die Krempe, halbhoch, | |
gut, um sie verlegen als Bittsteller vor der Brust zu halten, bis ihm Sam | |
Peckinpah das Genre verleidete und er ganz nostalgisch den breitkrempigen | |
Trapper-Hut seiner im Kino verbrachten Kindheit favorisierte, grau und | |
verwegen auf dem Foto auf dem Cover des Albums "Desire" - machte sich vor | |
allem im Profil sehr gut -, deren berühmteste Textzeile wir alle noch im | |
Ohr haben: "Up on the white veranda / she wears a necktie and a Panama | |
hat". | |
Doch, wehe, wehe, dreimal wehe, wenn ich auf das Ende sehe: Mit der | |
"Rolling Thunder"-Tournee begann der Hut-GAU; aus dem Trapper wurde eine | |
ältere Tante mit weißem Filzhut, über dessen nach oben gebogener Krempe | |
Gewürzsträußchen von riesigem Ausmaß ins Hutband gequetscht waren - its | |
Renaldo-Time, das heißt, unter diesen Hutkatastrophen ist das Gesicht | |
Comedia-dell-Arte-mäßig weiß geschminkt, beim letzten Walzer wird ein | |
Blumentopf getragen; war er weiß, war er rosa? | |
## Strickmütze ohne Bommel | |
Als es hieß, Dylan habe Gott getroffen in einem Hotelzimmer und sei jetzt | |
ein Christ, war meine Erleichterung groß, denn in der Kirche muss man den | |
Hut abnehmen. | |
Doch auch diese Phase war nur von kurzer Dauer, die Jarmulke, zur Bar Mizwa | |
seines Sohnes getragen, war ebenfalls nur retardierendes Moment vor dem | |
Dylan-Desaster der achtziger Jahre, wo sich Hut und Musik in nichts | |
nachstanden: Wir wurden Zeugen von ledernen Ballonmützen, kleinen | |
Strohhütchen mit bunten Bändern, irischen Wollkappen und Pelzmützen, am | |
schlimmsten schließlich eine Strickmütze ohne Bommel, getragen zu baren | |
Unterschenkeln: heute sagt man Freak Folk dazu. Und darunter immer dieses | |
aufgeschwemmte Säufergesicht, darüber die Kapuze seiner Trainingsjacke: | |
Dann durfte Dylan von niemandem angesprochen werden. | |
Die neunziger Jahre, das Jahrzehnt seines in jeder Hinsicht gelungenen | |
Comeback, wurde eingeläutet durch die Wahl zurückhaltenderer | |
Kopfbedeckungen: am beigefarbenen Schlapphut stecken nur mehr zwei | |
Hahnenfedern; "Hat Gone Wrong" zeigt einen halbhohen Zylinder, wie ihn | |
berufsmäßige Spieler oder Leichenbestatter zu Zeiten Mark Twains getragen | |
haben mögen, dann wieder ist es ein Ehrendoktorhut, mit Würden getragen, | |
oder ein seitlich doppelt aufgebogener Filzschlappen aus | |
Viehzüchterbeständen, maskiert und anonym - wie mit einer Zeitmaschine | |
stürzen wir durch die Hutphasen rückwärts der Zukunft entgegen bis zum 70. | |
Geburtstag im Mai, den der Mann wohl in Cowboystiefeln und einem bestickten | |
Anzug begehen wird, und, wies ausschaut, mit einer flotten, schwarzen, | |
schlanken Doc-Holiday-Kopfbedeckung. Alles wird Hut. | |
20 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Karl Bruckmaier | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zum Tod von Pete Seeger: So long, it's been good to know ya | |
Pete Seeger gehörte immer dazu – von der ersten Platte in der Sammlung der | |
Eltern bis zur politischen Sozialisation in den 80er Jahren. | |
Tim Renner über die Musikindustrie: "Ein Album ist keine Kunstform" | |
Stars wie Bob Dylan und Bryan Adams wollen die Rechte an alten, profitablen | |
Songs zurück. Das Ende der Plattenindustrie? Ein Gespräch mit Musikmanager | |
Tim Renner. | |
Zu Bob Dylans 70. Geburtstag: Was ist dran am alten Mann? | |
Schon gut, heute wird er 70 Jahre alt. Aber gibt es einen Grund, im | |
Zeitalter der Lady Gaga noch Bob Dylan zu hören? |