# taz.de -- Drei-Schluchten-Staudamm: Dürre am Jangtse alarmiert Peking | |
> China räumt ein, dass der umstrittene Drei-Schluchten-Damm neue Probleme | |
> macht: Umgesiedelte Anwohner verarmen, Trockenheit behindert die | |
> Stromproduktion. | |
Bild: Die Natur aus dem Gleichgewicht gebracht: der Drei-Schluchten-Staudamm. | |
PEKING taz | Erst fünf Jahre ist es her, dass Arbeiter die letzten der 27 | |
Millionen Kubikmeter Beton in die Verschalung für die Mauer gossen, die | |
seitdem Chinas größten Fluss, den Jangtse, staut. Vor zwei Jahren wurde der | |
Drei-Schluchten-Damm dann fertiggestellt. Aber ausnahmslos stolz ist man in | |
Peking nicht mehr auf das Projekt, das jährlich bis zu 100 Milliarden | |
Kilowattstunden Strom produzieren soll. | |
In einer von Premier Wen Jiabao genehmigten Erklärung auf der | |
Regierungshomepage räumt der Staatsrat offen große Mängel ein. Zwar habe | |
der Staudamm "gewaltigen und umfassenden Nutzen" gebracht, aber es müssten | |
"dringende Probleme gelöst werden, was die reibungslose Umsiedlung von | |
Anwohnern, den Schutz der Umwelt und die Verhinderung geologischer | |
Katastrophen betrifft". | |
Derzeit herrscht am unteren Flusslauf des Jangtse die schlimmste | |
Trockenheit der letzten sechzig Jahre. Der Pegel ist so stark gesunken, | |
dass mancherorts bereits die Schiffe auf Grund liegen. Die | |
Trinkwasserversorgung für Hunderttausende ist gefährdet. Das sollte | |
eigentlich gar nicht möglich sein, war es doch eines der Ziele des | |
Projekts, die Auswirkungen von Dürre und Hochwasser zu verringern. | |
Tatsächlich haben die Betreiber nun begonnen, zusätzlich Wasser in den | |
Mittellauf des Flusses zu entlassen. Bis zum 10. Juni sollen 10.000 bis | |
12.000 Kubikmeter pro Sekunde mehr aus dem aufgestauten Dreischluchtensee | |
fließen als bisher. | |
## Energie oder Trinkwasser? | |
Allerdings hat das wiederum Konsequenzen für das zweite Ziel des Dammbaus, | |
die Energieversorgung. Denn wenn der Wasserstand in dem Becken auf unter | |
155 Meter fällt, muss mit deutlichen Einbußen bei der Stromproduktion | |
gerechnet werden. | |
Das Dilemma zwischen Trinkwasser- und Energieversorgung ist nur eine von | |
vielen Schwierigkeiten. Seit der 185 Meter hohe Betondamm steht, kämpfen | |
die Anwohner mit den Folgen für sich und ihre Umwelt. | |
So wurden im vergangenen Jahr zehntausende Arbeiter dafür eingesetzt, Müll | |
aus dem Fluss zu fischen, weil dahintreibende Abfälle die Turbinen zu | |
beschädigen drohten, als das Reservoir kurzfristig auf die Maximalhöhe von | |
175 Metern stieg. | |
Zudem belastet die schwankende Wassermenge die Felsen und Hänge um das 660 | |
Kilometer lange Becken: An 97 Stellen kam es zu Bergrutschen. Geologen | |
fürchten Erdbeben. | |
## 1,4 Millionen Umsiedler | |
Das vielleicht größte Problem aber sind die Umsiedlungen. Mindestens 1,4 | |
Millionen Menschen mussten ihre Städte, Dörfer und Felder verlassen, weil | |
diese geflutet wurden. Die Kosten sind völlig intransparent. In | |
chinesischen Medien wurden sie bisher mit umgerechnet rund 27 Milliarden | |
Euro beziffert. | |
Und sie könnten weiter steigen, denn viele der Umgesiedelten fanden keinen | |
vernünftigen Job und verarmten. Deshalb hat die Regierung versprochen, | |
ihnen bis 2020 mit rund 13 Milliarden Euro zusätzlich so weit zu helfen, | |
dass sie mit dem Rest des Landes Schritt halten können. Details sind noch | |
nicht bekannt. | |
Bemerkenswert ist, dass Peking heute zugibt, dass zumindest einige der | |
Probleme schon in der Phase der Planung und während des Baus erkannt worden | |
seien - und man trotzdem weitermachte. Das Projekt war 1992 gegen den | |
Widerstand von Geologen, Umweltexperten und Ingenieuren durchgepeitscht | |
worden. Bei der Abstimmung im Nationalen Volkskongress erhielt es die | |
höchste Zahl von Gegenstimmen, die es bisher je gegeben hatte. Viele | |
Kritiker wurden festgenommen. | |
22 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
Jutta Lietsch | |
## TAGS | |
China | |
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