# taz.de -- BaWüs Innenminister Reinhold Gall: "Der Dialog steht an erster Ste… | |
> Baden-Württembergs neuer Innenminister will in seinem Ministerium | |
> aufräumen. Der "schwarze Donnerstag" müsse aufgeklärt werden - und | |
> womöglich Konsequenzen haben, sagt er. | |
Bild: Bilder, die wir nicht mehr sehen wollen: Polizeieinsatz am 30. September … | |
taz: Herr Gall, Sie sind jetzt seit zwei Wochen Innenminister von | |
Baden-Württemberg und haben in Stuttgart eine ziemlich aufmüpfige | |
Stadtgesellschaft zu beruhigen. Haben Sie schon Angst vor Ihren Bürgern? | |
Reinhold Gall: Erstens sind die Stuttgarter Bürger nicht "meine" Bürger. | |
Zweitens würde ich auch nicht von "Aufmüpfigen" reden. Hier geht es um die | |
Auseinandersetzung um ein umstrittenes Bauprojekt und um Positionen, die | |
schwer zu vereinbaren sind. | |
Sie haben ein schwieriges Amt geerbt. Ihr CDU-Vorgänger Heribert Rech war | |
wegen der Polizeigewalt im Stuttgarter Schlossgarten bei vielen Bürgern | |
verhasst. Haben Sie schon Inventur im Ministerium gemacht? | |
Die Eskalation im Stuttgarter Schlossgarten war eine Sondersituation. Wir | |
werden jetzt zügig in einem Bericht aufarbeiten, was da passiert ist, damit | |
wir den Landtag noch vor der Sommerpause informieren können. Dann sehen | |
wir, ob es Verfehlungen gab, danach wird diskutiert. Und dann werden wir, | |
falls nötig, Konsequenzen ziehen. | |
Es könnte also Abteilungsleiter in Ihrer Behörde geben, die jetzt zittern? | |
Das glaube ich nicht, weil nach meinem Erkenntnisstand Abteilungsleiter in | |
die Vorkommnisse im Stuttgarter Schlossgarten nicht eingebunden waren. | |
Also ist eher die Polizei schuld? | |
Das sage ich ausdrücklich nicht. Wie warten jetzt den Bericht ab, dann | |
sehen wir weiter. | |
Viele Menschen erwarten noch immer eine Entschuldigung für das, was am | |
"schwarzen Donnerstag", am 30. September 2010, passiert ist. Kann eine | |
Institution wie ein Innenministerium eigentlich Reue zeigen? | |
Wenn Fehler gemacht worden sind, ist es keine Schande, sie zuzugeben. Ganz | |
im Gegenteil. | |
Wie halten Sie es denn mit dem Einsatz von Wasserwerfern? | |
Als Innenminister habe ich die feste Absicht, dass Wasserwerfer als | |
äußerste Zwangsmittel grundsätzlich nicht angewandt werden sollen. | |
Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass es Situationen gibt, in denen | |
die Polizei auch zu äußersten Zwangsmitteln greifen muss. Aber wir sind | |
auch vor dem "schwarzen Donnerstag" jahrzehntelang ohne Wasserwerfer | |
ausgekommen. Ich will, dass die Polizei wieder eine Bürgerpolizei wird und | |
der Dialog an erster Stelle steht. Aber es gibt auch eine Bringschuld der | |
Demonstranten. | |
Was meinen Sie damit? | |
Es gibt eine kleine, überschaubare Anzahl Menschen, die sich außerhalb des | |
Akzeptablen bewegen. Ich kann nicht akzeptieren, wenn man Politiker | |
pauschal als Lügenpack beschimpft, Polizisten beleidigt und bespuckt. Wenn | |
die Dialogmechanismen versagen, dann können und müssen wir handeln. | |
Herr Gall, Sie gelten als bürgernah und sind in der freiwilligen Feuerwehr | |
aktiv. Haben Sie schon mal in einer Sitzblockade gehockt? | |
Nein, das nicht. Aber zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses habe ich | |
durchaus mitdemonstriert. Sitzblockaden sind ein Mittel des Protests. Und | |
solange sie vorübergehend sind, nicht die öffentliche Ordnung bedrohen und | |
nicht gegen geltendes Recht verstoßen, kann ich sie akzeptieren. | |
Bei der letzten Baustellenblockade Anfang der Woche haben Sie die | |
Demonstranten einfach sitzen lassen. Ist das die beste | |
Sicherheitsstrategie: einfach ignorieren? | |
Nein. Die Auseinandersetzungen in Stuttgart kann man nicht lösen, indem man | |
sich mit gegenseitiger Ignoranz straft. Aber bei den letzten | |
Baustellenblockaden hat es funktioniert, wie ich es mir vorstelle: | |
dialogbereit und konsensorientiert. | |
26 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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