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# taz.de -- Kommentar "Empire Avenue": Lasst die Schreihälse unter sich
> "Empire Avenue" heißt ein neues Online-Netzwerk, das ermitteln will, wie
> viel ein Nutzer wert ist. Das klingt nach einem netten Spiel? Von wegen.
Bild: Wieder irgendein Gelumpe freigeschaltet: "Empire Avenue".
Linke können nicht mit Geld umgehen, wie oft habe ich das schon gehört -
von gemäßigten Rechten, von Liberalen, von anderen Linken, die meinen, es
zu können. So mancher Linker beherrscht es besser, über den Wert zu
sprechen, eine Größe, die durch den Preis einer Ware in Form von Geld
ausgedrückt wird und [1][allerlei Theorie] mit sich führt.
Von diesem Wert will das neue Online-Netzwerk [2]["Empire Avenue"] nichts
wissen, hier geht es schlicht und einfach darum, sich und andere unter
Aspekten der Vernetzung zu bewerten. Wie oft twittert jemand, wie viele
Freunde hat er auf Facebook, wie ist er auf LinkedIn mit wem verbandelt?
Dieser Wert verhält sich zum Wert der Werttheorie in etwa so wie der
internationale Börsenhandel zum Gang zum Kiosk, den eine Sechsjährigen mit
ihrem ersten Taschengeld unternimmt.
"Empire Avenue" will eine Mischung aus Spiel und Netzwerk sein. Es soll der
Spaß vermittelt werden, sich mit anderen zu messen und an ihrem Auf- und
Abstieg teilzuhaben. Tatsächlich aber ist die Website die digitale
Ausformung alter und neuer Formen eines unregulierten Kapitalismus.
Menschen treten sich allein als Waren gegenüber, man kauft Anteile
aneinander und hofft, dass die Investitution sich lohnt, indem Nutzer X
seinen Wert stetig steigert.
Kurse, Anfragen, Angebote drängen ins eigene Profil - unaufgefordert und
autoritär. Jemand kauft Anteile, ein anderer ruft "Shout" (was auch immer
das bedeuten soll), immer neue Gadgets werden freigeschaltet. Ein Auto, ein
Haus, eine Yacht wollen gekauft werden, die Netzwerkbetreiber bieten an,
dem Nutzer mehr von der Fantasiewährung Eaves bereitzustellen, um bei
alldem mitmachen zu können - gegen echtes Geld, abgerechnet wird in Dollar
über Kreditkarte. Im Vergleich zu "Empire Avenue" ist Twitter ein Netzwerk
der Ruhe und Besinnlichkeit.
## Sinnvolles Netzwerk für statusorientierte Top-Checker
Dennoch liegt es nicht am hohen Tempo einer chaotischen Kommunikation, dass
das Netzwerk zum dümmsten gehört, was das Internet bislang hervorgebracht
hat. Es liegt an seinen Nutzern. Jeder "Werber", "Coach", "Marketer" und
"Berater", den man je auf Facebook und Twitter gemieden hat, ist auf
"Empire Avenue" schon längst präsent und preist sich und seine Werte. Noch
der dreisteste Schreihals, der uns offline ungefragt morgens um sieben am
Telefon eine Versicherung gegen Ufo-Schäden aufschwatzen will, ist hier ein
angesehener, weil gut bewerteter Nutzer. Gschaftlhuber und Business-Kasper
sind die Könige von "Empire Avenue" und warten auf neue,
investitionsfreudige Untertanen.
Das sollen sie ruhig weiterhin tun können. Als Nische für statusorientierte
Top-Checker sorgt das Netzwerk geschickt dafür, dass wir diese Leute
jenseits des Netzes künftig seltener zu Gesicht oder ans Telefon bekommen.
Den Betreibern sei geraten: Werbt überall dort für "Empire Avenue", wo
jemand "mein X, mein Y und mein Z" sagt. Den Nutzern sei empfohlen:
Verbringt mehr Zeit in eurem Netzwerk, denn ein anderer könnte euch gerade
im Wert überholen, besser vernetzt sein oder ein größeres Auto kaufen.
Allen anderen aber sei gesagt: Geht nicht über Los, zieht nicht 4.000 Eaves
ein.
Diese Warnung vor einem Social Network tut mir weh. Ich sammle
Mitgliedschaften in Online-Netzwerken wie andere Briefmarken. Ich habe
Profile auf Twitter, Facebook, Google Buzz, Identi.ca, MeinVZ, LinkedIn,
Xing, Diaspora, MySpace, Orkut, Kaioo und wer weiß, wo noch. Die meisten
dieser Profile nutze ich nicht oder sehr selten, und doch habe ich mich bis
zum Montag nie irgendwo abgemeldet. Meine Sympathie gehört der digitalen
[3][Accountleichenbewegung], einer leider zu früh eingegangenen Bewegung,
die sich dafür einsetzte, ungenutzte Profile und Avatare (zum Beispiel in
Second Life) sichtbar zu machen. Damit sollte unter anderem gezeigt werden,
wie viel Tod im ach so lebendigen Netz bereits vorhanden ist.
Seit "Empire Avenue" ist das anders. Ich habe mich am Sonntag an- und am
Montag wieder abgemeldet; habe also nicht einfach den Account ruhen lassen,
sondern alle Daten gelöscht. Endgültig. Linke können nicht mit Geld und
Wert umgehen? Ja, stimmt. Und das ist auch gut so.
31 May 2011
## LINKS
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Wert_(Wirtschaft)
[2] http://www.empireavenue.com/
[3] http://www.accountleichenbewegung.de/
## AUTOREN
Maik Söhler
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