# taz.de -- Protestantin in der Eisarena: Margot Christ Superstar | |
> In Dresden wird sie fast wie eine Heilige verehrt. Margot Käßmann bietet | |
> meist nur intellektuelles Fastfood. Aber sie beherrscht das Spiel mit den | |
> Massen. | |
Bild: Margot Käßmann umfängt die Welt mit ihren Armen. | |
DRESDEN taz | Wie sie da so steht in der Eisarena, vor sich 5.000 Menschen, | |
sieht sie aus, wie es einer Person jenseits des 50. Lebensjahres geziemt: | |
sturmerprobt, geprüft, sattelfest - und auf eine lapidare Weise | |
selbstvertraut. | |
Margot Käßmann erschüttert Kritik nicht wirklich mehr. Sie muss nichts | |
persönlich mehr nehmen, und wahrscheinlich liegt es an diesem Umstand, dass | |
sie selbst glaubt, mutig und insofern in glücklicher jesuanischer Tradition | |
zu leben. Sie gibt die Bibelarbeit des Tages, sie variiert ins Heutige die | |
Bergpredigt Jesu - und sagt: "Es gibt keinen gerechten Krieg. Es gibt nur | |
einen gerechten Frieden." Tosender Applaus! | |
Und im Hinblick auf die Kritik des früheren Wehrbeauftragten Reinhold | |
Robbe, sie könne sich ja mit den Taliban in ein Zelt setzen und beten, ätzt | |
Käßmann: "Offen gestanden, finde ich, ist das eine wesentlich bessere Idee | |
als die Bombardierung von Tanklastwagen in Kundus." | |
In diesem Stil hat Käßmann ihre Fangemeinde gesammelt. Sie konnte keine | |
bessere Offerte machen: Hier, seht!, ich stehe an diesem Ort, kann nicht | |
anders! Dass die vormalig oberste Protestantin in Deutschland nie auch nur | |
ein Sätzlein äußerte, das zu sagen echten Mut erfordert hätte, steht | |
andererseits auch fest. | |
Käßmann, die Frau, die fahrlässig alkoholisiert ein Auto fuhr, ist völlig | |
zu Recht aus dem Verkehr gezogen worden. Ethisch-pathetisch gesehen macht | |
die Frau mit der striktesten Karriere der Evangelengeschichte nichts her, | |
was wirklich Prädikate wie Querdenkerei oder Dissensliebe verdiente. | |
## Merke: Krieg ist immer doof | |
Nur ihre Performance ist so splendid, wie es nur sein kann. Käßmann ist die | |
uncouragierteste Person des Nachkriegsprotestantismus. Sie hat den | |
Siegeszug christlichen Gedankenguts in den öffentlichen Diskurs angeführt: | |
Krieg ist doof, immer; Armut ist grausam, stets und ständig; einfache | |
Merksätze sind lebendiger als komplizierte Diskurse. Käßmanns Trick: Sie | |
agitiert, wie in Dresden, ein Publikum, als sei es ein zu eroberndes - | |
dabei ist sie für dieses längst eine Art Heilige der Jetztzeit, unfehlbar | |
in ihrer Fehlbarkeit. | |
Auch für Käßmann gilt die Weisheit der Dolly Parton, als sie zum Begriff | |
des Authentischen befragt wurde: Sich auf Natürlichkeit zu trimmen dauert | |
in der Maske am längsten. Und das, einmal auf das Ganze übertragen, | |
bedeutet: Gerade die evangelischen Kirchen haben das Dirigat über die | |
Befindlichkeiten der Republik übernommen, seit vielen Jahrzehnten - und | |
sich mit ihren Vorschlägen durchgesetzt. Kein Sinn für realistische | |
Politik, Kompromisse als Tatfiguren, die nur als faul empfunden werden | |
können - Käßmann ist für diese Mentalität die Verkörperung schlechthin. S… | |
ist intellektuell betrachtet das Fastfood unter den Diskursangeboten - | |
lecker auf Anhieb, aber nicht sättigend. | |
Frenetisch schließlich die Zustimmung, als sie zu Libyen und der | |
militärischen Solidarität einiger Länder mit den Aufständischen erklärte: | |
"Friede wird so nicht, das sehen wir." Wir? Und: Sieht man nicht das | |
Gegenteil - Ghaddafi konnte die Rebellion noch nicht zerstören? Egal. Sie | |
kennt kein Widersprüchliches. Das, und nur das, ist das theologisch | |
eigentlich Beunruhigende an den Performances der Königin Margot. | |
2 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Jan Feddersen | |
## TAGS | |
Kirchentag 2023 | |
Kirchentag 2023 | |
Kirchentag 2023 | |
Kirchentag 2023 | |
Kirchentag 2023 | |
Kirchentag 2023 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zahlen und Fakten zum Kirchentag: 990 Badewannen Getränke | |
Wie viele Brötchen essen eigentlich 145.000 Menschen? Wo schlafen die alle? | |
Was haben Triebwagen mit dem Kirchentag zu tun? Und vor allem: Was kostet | |
das den Steuerzahler? | |
Kommentar Kirchentag: Das Fernsehen des Teufels | |
Die evangelischen Christen reden in Dresden über fast alles. Auch über | |
Erziehung und TV. Aber wer das Fernsehen nicht aushält, hat im Leben keine | |
Chance mehr. | |
Politische Spiritualität in der Kirche: "Nichts gegen Toastbrot" | |
Petra Bahr, Kulturbeauftragte der Protestanten, spricht über Feminismus, | |
das deutsche Verhältnis zu Israel und neue Bündnisse gegen die | |
Milieuverengung der Kirche. | |
Völkerwanderung zum Kirchentag: Mekka liegt in Sachsen | |
Zehntausende sind zum Evangelischen Kirchentag nach Dresden gepilgert. | |
Warum eigentlich? Von "schwarzen Schafen" in Leder und deutschem Rock. | |
33. Evangelischer Kirchentag: Dresdner Heiden unter Christen | |
Die Dresdner sehen dem Kirchentag unaufgeregt entgegen, trotz | |
protestantischer Prägung. Auch das Verhältnis von Landeskirche zur Politik | |
war schon besser. |