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# taz.de -- Portugals gefesselte Politik: Wahlen im Schatten des IWF
> Angesichts der Finanzkrise ist das Wirtschafts- und Sozialprogramm für
> die nächsten Jahre festgelegt. Viele fragen sich, was ihre Stimme am
> Sonntag wert ist.
Bild: Hat das Volk noch was zu sagen? Junge Aktivisten binden sich gelbe Knebel…
MADRID taz | Der portugiesische Schriftsteller José Luís Peixoto und der
Dramaturg Miguel Castro Caldas stellen sich dieselbe Frage wie viele ihrer
Landsleute: "Was ist unsere Stimme am 5. Juni überhaupt wert in einer
Situation, in der ein 'Pferd der Troika' unseren Galopp vorgibt?" Der
Dichter Vasco Graça Moura wird noch deutlicher: "Haben nicht längst
Gläubiger wie der Internationale Währungsfonds unsere Zukunft definiert?
Lohnt es sich überhaupt, zu wählen?"
Die Literaten bringen zum Ausdruck, was viele im Lande denken. Am kommenden
Sonntag wählen über neun Millionen Portugiesen Parlament und Regierung in
Lissabon, doch entschieden wird nichts. Das Wirtschafts- und Sozialprogramm
der kommenden Jahre ist längst in einem Memorandum festgelegt, das die
"Troika" aus der regierenden Sozialistischen Partei (PS) des scheidenden
Premiers und erneuten Kandidaten José Sócrates, die konservative
Sozialdemokratische Partei (PSD) von Herausforderer Pedro Passos Coelho
sowie Rechtsaußen CDS-PP wegen drohenden Staatsbankrotts mit EU-Kommission
und IWF unterzeichneten.
Portugal, das ärmste westeuropäische Land, blickte Ende 2010 auf
Staatsschulden von über 90 Prozent des BIP und ein Haushaltsdefizit von 9,1
Prozent. Anfang April flüchtete die Regierung unter den
Euro-Rettungsschirm. Sie steht jetzt unter Aufsicht der EU und des IWF. 78
Milliarden Euro werden beide Institutionen zusammen aufbringen, um Portugal
zu stützen.
Sócrates, der eine Minderheitsregierung anführt, hatte drei umfassende
Sparprogramme aufgelegt. Jedes Mal stuften die internationalen
Ratingagenturen sein Land weiter ab. Die steigenden Zinsen fraßen die
Ersparnisse auf. Letztendlich scheiterte Sócrates Ende März im Parlament an
einem vierten Kürzungsvorhaben. Er rief vorgezogene Neuwahlen aus. Der Gang
nach Brüssel und Washington wurde unumgänglich.
## Kommission des IWF in Lissabon
Ein Blick in das Memorandum, das Lissabon mit der EU-Kommission und dem IWF
ausgehandelt hat, zeigt, dass die Hilfe die Portugiesen teuer zu stehen
kommt. Um das Haushaltsdefizit bis 2013 auf 3 Prozent zu senken, wird noch
einmal gespart – an Gehältern im öffentlichen Dienst, den Renten, im
Erziehungssystem oder im Gesundheitswesen. Die Verbrauchersteuern werden
angehoben, der Arbeitsmarkt wird weiter flexibilisiert.
Infrastrukturmaßnahmen wie die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Spanien
werden verschoben, die Förderung für erneuerbare Energien, eine der
wichtigsten Branchen der portugiesischen Wirtschaft, wird heruntergefahren.
Die Wirtschaft wird endgültig stagnieren, die Arbeitslosenquote, die bei
12,4 Prozent liegt, weiter zunehmen.
Wahlumfragen ergeben eine Pattsituation. PS und PSD liegen beide um die 33
Prozent. Im Wahlkampf dreht sich alles um Schuldzuweisungen wegen der Krise
und um emotionsgeladene Themen wie das Recht auf Abtreibung. Damit sollen
die WählerInnen aus der Lethargie gerissen werden.
Egal wer gewinnt, allein regieren wird weder Sócrates noch sein
Herausforderer Passos Coelho können. Bleiben zwei Szenarien: Entweder PS
und PSD raufen sich wider Erwarten zu einer großen Koalition zusammen, oder
die PSD regiert mit der weiter rechts stehenden CDS-PP. Diejenigen, die für
mindestens drei Jahre die eigentlichen Geschäfte führen, sind längst vor
Ort. Am Montag traf eine Kommission des IWF in Lissabon ein.
3 Jun 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
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