| # taz.de -- Kolumne Politik von unten: Innerdeutscher Kulturschock | |
| > Ich habe in vielen Städten gelebt, in London, Kingston, Buenos Aires. | |
| > Aber den stärksten Integrationsdruck gab es beim Umzug von Düsseldorf | |
| > nach Köln. | |
| Am Wochenende war ich auf einem Klassentreffen. Unser Abiturjahrgang | |
| feierte, dass wir vor nunmehr – oh, jetzt wäre mir beinahe rausgerutscht, | |
| vor wie vielen Jahren wir Abitur gemacht haben. Dann hätte sich womöglich | |
| jemand ausrechnen können, wie alt ich bin! Aber ich kann dichthalten. | |
| Jetzt, wo mein nächster Geburtstag eine Null in der Zahl hat, und es ist | |
| nicht die 30, befolge ich bezüglich meines Alters eine strikte Omertà. | |
| Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die Schule. Auf dem Abitreffen redete | |
| ich kurz mit einem ehemaligen Schulkameraden, ein Indodeutscher wie ich, | |
| der unvermittelt zu mir sagte: "Wir Halbinder!" Ich war platt. | |
| Die ganze Schulzeit über hatte er so getan, als ob ihm völlig schleierhaft | |
| sei, warum wir beide braune Haut und seltsame Nachnamen hatten.Die wenigen | |
| Male, die ich ihn damals darauf ansprach, blockte er meine vorsichtigen | |
| Versuche der Solidarisierung ab; mit dem Erfolg, dass ich mich in der | |
| Schule völlig allein auf weiter Flur fühlte. Jedenfalls bezüglich dieses | |
| Themas. | |
| Es freut mich, dass er inzwischen zu seiner binationalen Herkunft steht. | |
| Manchmal dauert es Jahre, bis man seinen Frieden damit geschlossen hat. | |
| Manche Bindestrich-Deutsche versuchen, sozusagen unerkannt durchs Leben zu | |
| gehen; vor allem, wenn sie optisch nicht so auffallen. Andere gehen | |
| offensiv damit um. Neutral ist dieses Thema wohl für niemanden. Das ist | |
| auch schwierig in einem Land, das keine Selbstverständlichkeit bei | |
| multikulturellen Identitäten erlaubt. | |
| Darüber hinaus sind wir beide natürlich einfach Rheinländer, wie der Rest | |
| der Klasse auch. Ich gebe es hiermit öffentlich zu: Ich bin gebürtige | |
| Düsseldorferin. In diesem Falle hebe ich die Omertà ausnahmsweise mal auf. | |
| Im Laufe meines Erwachsenenlebens habe ich in vielen Städten gelebt – in | |
| London, Kingston, Buenos Aires. Aber den stärksten Integrationsdruck, den | |
| härtesten Kulturschock, den gab es beim Umzug von Düsseldorf nach Köln. Das | |
| ist wirklich eine andere Welt hier. | |
| Für Nicht-Rheinländer zur Erklärung: Diese beiden Städte sind so verfeindet | |
| wie Israel und Palästina, wie Borussia Dortmund und Schalke, wie Minas | |
| Tirith und Mordor. Hier in Köln darf ich nicht mal laut sagen, dass ich | |
| ursprünglich aus Düsseldorf stamme. Der ganze Rest meines | |
| Migrationsvordergrundes, Indien und so, das ist alles herzlich willkommen. | |
| Nur meinen Geburtsort Düsseldorf, den muss ich verschweigen. Da zieht der | |
| Kölner seine Grenzen bezüglich Integration und Toleranz. Irgendwo muss ja | |
| Schluss sein. | |
| 3 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Sheila Mysorekar | |
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