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# taz.de -- Neonazi-Demos in Niedersachsen: Rechtsextremes Städte-Hopping
> Am Samstag fanden in Peine und Braunschweig Veranstaltungen von Neonazis
> statt. Die Stimmung war lau – und tausende Gegner protestierten hinter
> Absperrgittern.
Bild: In der Überzahl: 5.000 Menschen demonstrierten gegen die Neonazi-Kundgeb…
BRAUNSCHWEIG taz | "Hallo Kameraden, hallo Braunschweig" rief Dieter
Riefling über die Lautsprecheranlage. Nach der Begrüßung seiner Mitstreiter
am Samstag bei dem "Tag der deutschen Zukunft" auf einen Platz rechts vom
Haupteingang des Bahnhofs Braunschweig hatte der Neonazi bewusst eine
Kunstpause für den Applaus gelassen. Diesmal folgte jedoch keine laute
Reaktion. Von der linken Seiten des Bahnhofes wehte vielmehr ein leises
"Haut ab" herüber.
Doch der linke Protest war kaum zu hören, als an die 700 Neonazis mit ihrer
Kundgebung "Unser Signal gegen Überfremdung" begannen. Doch nicht, weil so
wenige Menschen gegen die Neonazis protestierten, mindestens 2.400 Menschen
nahmen an zwei Aktionen gegen die Neonazis teil. Gleich links vor dem
Bahnhof, getrennt durch zwei Polizeigitterabsperrungen, standen die
Demonstranten. Doch ihr Protest war so weit entfernt, dass sich einige
Demonstranten fragten, ob ihr Recht auf sicht- und hörbaren Protest
überhaupt gewährt sei.
Michael Kleber, Regionalvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB)
sagte: "Es ist ein schon ein Teilerfolg, dass den Nazis eine Kundgebung und
kein Marsch erlaubt worden ist". Nach den Gegenkundgebungen nahmen in der
Braunschweiger Innenstadt über 5.000 Menschen an einem extra geplanten
Bürgerfest und einem traditionellen Kulturfest teil.
Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) war erleichtert, das
alles "ruhig abgegangen" sei. Erfreut äußerte sich auch Sally Perel, der
als "Hitlerjunge Salomon" im Nationalsozialismus bekannt wurde, vor allem
über den breiten Protest. Enttäuscht sei der 86-Jährige aus Peine aber über
seine Stadt: "Ich schäme mich".
Denn gut 30 Autominuten entfernt von Braunschweig planten die Neonazis nach
ihrer Kundgebung aufzumarschieren. Grund dafür: Vor dem
Bundesverwaltungsgericht waren die Veranstalter, das Ehepaar Dieter und
Ricarda Riefling, mit einer Beschwerde, nur eine Kundgebung abhalten zu
dürfen, gescheitert.
Vor dem Bahnhof kam unter den Kameraden keine gute Stimmung auf. Die
Veranstalter hatten um die Kundgebung attraktiver zu gestalten, gleich
mehrere Bands und Liedermacher engagiert. Doch "Selektion" beeindruckte
wenig, keiner grölte mit, keiner tanzte. Alleine der Szenebarde "Fylgien"
brachte etwas Stimmung. Erst die Pflicht, dann die Party, so schien die
Einstellung der Kameraden zu der Kundgebung und dem Marsch zu sein.
## Warnung vor den Demokraten
Kaum in Peine mit dem Zug am Bahnhof eingetroffen, skandierten die Neonazis
aggressiv "Der Staat ist am Ende, wir sind die Wende". Alle 700 Rechten
waren dem Aktionskonzept, von Braunschweig nach Peine zu reisen, gefolgt.
"Verpisst euch, keiner vermisst euch" schalte es ihnen am Bahnhof von
Gegendemonstranten entgegen.
Doch die Route war von der Polizei für die über 700 Gegendemonstranten
abgesperrt worden. Bei Blockadeversuchen wurden mindestens 39 Demonstranten
verletzt. "Durch Pfefferspray, Schlagstöcke und Hundebiss" sagt David
Janzen, vom Bündnis gegen Rechts. Steine seien geflogen, ein Polizist sei
verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher.
Mitten in der Innenstadt feierten die Rechten sich selbst. "Fylgien" sang
erneut: "Deutsches Volk, faß endlich den Mut, ich weiß, in deinem Herzen
kocht schon lang die Wut" und Riefling warnte von den Demokraten, die den
Volkstod bringen würden. Rund 100 Neonazis versuchten derweil
Gegendemonstranten anzugreifen, doch die Polizei konnte sie davon abhalten.
Sven Sokda, Kader aus Düsseldorf, erklärte sogleich, dass sie trotz allem
nicht zu stoppen wären.
In Peine nahm die Polizei 75 Gegendemonstranten kurz in Gewahrsam.
5 Jun 2011
## AUTOREN
Andreas Speit
Andreas Speit
## TAGS
Holocaustüberlebende
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Szene zeigte, wie hoch ihr Organisationsgrad und ihre Disziplin ist.
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