# taz.de -- Afrika-These in Frage gestellt: Kaukasische Urahnen | |
> Der Fund von rund 1,85 Millionen Jahre alten Werkzeugen im Kaukasus | |
> stellt die These in Frage, dass unsere Urahnen von Afrika aus alle | |
> Erdteile besiedelten. | |
Bild: Die Ausgrabungsstelle bei Dmanisi. | |
WASHINGTON dapd | Die Vorgänger des Menschen haben der gängigen Lehrmeinung | |
zufolge von Afrika ausgehend die Welt bevölkert. Neue Erkenntnisse weisen | |
allerdings darauf hin, dass diese frühen Wanderungen zumindest nicht nur in | |
eine Richtung abliefen. Ausgrabungen von US-Forschern im Kaukasus haben | |
jetzt ergeben, dass diese Region schon wesentlich früher besiedelt wurde, | |
als bisher bekannt war. Es sei daher wahrscheinlich, dass der Homo erectus | |
sich in Eurasien entwickelt habe und von dort nach Afrika zurückgewandert | |
sei, heißt es in einem Fachartikel in den Proceedings of the National | |
Academy of Sciences (PNAS). | |
"Die sich häufenden Belege aus Eurasien weisen auf äußerst alte primitive | |
Populationen hin", wird Reid Ferring von der Universität von Nord-Texas | |
zitiert. Jüngste Entdeckungen zeigen demnach, dass die Region um den Ort | |
Dmanisi in Georgien zur gleichen Zeit, wenn nicht gar schon früher, vom | |
Homo erectus besiedelt gewesen sei, wie der Osten Afrikas. | |
Ein Team um Ferring sowie David Lordkipanidze vom Georgia National Museum | |
entdeckte in tiefer gelegenen Schichten in Dmanisi mehr als hundert | |
Werkzeuge sowie weitere Gegenstände aus Stein, die aus der Zeit vor rund | |
1,85 Millionen Jahren stammen. Zuvor in der Ausgrabungsstätte gefundene | |
Knochen waren lediglich rund 1,7 Millionen Jahre alt gewesen. | |
Die jüngsten Entdeckungen seien nicht nur wesentlich älter, sondern legten | |
zugleich den Schluss nahe, dass es sich in Dmanisi um eine über längere | |
Zeit sesshafte Bevölkerung gehandelt habe und nicht nur um Kolonialisten | |
auf der Durchreise, hieß es in dem Fachartikel weiter. | |
Bei den Bewohnern der Stätte handle es sich um die ältesten bekannten | |
Vertreter des Homo erectus außerhalb Afrikas, sagt Ferring. Möglicherweise | |
habe sich der Vorgänger des Menschen daher von der Region im Kaukasus aus | |
in Richtung Afrika ausgebreitet - und nicht umgekehrt. | |
Um dies zu belegen, sei allerdings noch weitere Forschung nötig, räumt der | |
Wissenschaftler ein. Bisherige Theorien gehen davon aus, dass der Homo | |
erectus von Afrika aus in die Welt hinauswanderte. | |
## Vor 1,85 Millionen Jahren | |
Der Archäologe Wil Roebroeks von der Universität im niederländischen Leiden | |
bezeichnet die neuen Erkenntnisse seiner US-Kollegen als "wichtige | |
Beobachtungen für unser Wissen über die frühe Besiedlung Eurasiens". | |
Roebroeks hatte im Jahr 2005 selbst einen Artikel veröffentlicht, in dem er | |
Asien als die Region bezeichnet, in der der Homo erectus wesentliche | |
Entwicklungsschritte vollzog. | |
Wesentlich kritischer sieht Richard Potts vom Smithsonian's National Museum | |
of Natural History in Washington die neue Theorie. "Bei den jüngst in | |
Dmanisi gefundenen Objekten handelt es sich lediglich um Steinwerkzeuge und | |
nicht um Knochen. Wir können also nicht wissen, wer diese Gegenstände | |
hergestellt hat", sagt der Wissenschaftler. Um die neue Theorie zu | |
beweisen, müsste nach seiner Ansicht erst fossiles Material aus der | |
Zeitspanne zwischen vor 1,85 und vor 1,78 Millionen Jahren gefunden werden. | |
Michael D. Petraglia von der Universität im britischen Oxford betrachtet | |
die Erkenntnisse von Ferring und Lordkipanidze als durchaus maßgebend. | |
"Diese Steinwerkzeuge stellen den ältesten und am besten dokumentierten | |
Fall einer Besiedlung von Vorgängern des Menschen in Asien dar", sagt er. | |
Es sei daher wahrscheinlich, dass sich der Homo erectus tatsächlich bereits | |
vor 1,85 Millionen Jahren oder sogar noch früher über Afrika hinaus | |
ausgebreitet habe. Dass eine maßgebliche Wanderung in die Gegenrichtung | |
stattgefunden habe, hält auch Petraglia hingegen für weniger | |
wahrscheinlich. | |
9 Jun 2011 | |
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