# taz.de -- Frauenteam von Äquatorial-Guinea: Spaß mit Sprachenkauderwelsch | |
> Schon seit Mai ist das Frauenteam von Äquatorial-Guinea im kalten | |
> WM-Land. In Bitburg, dem „Malente der Frauen“. Fast die Häfte des Teams | |
> sind eingebürgerte Brasilianerinnen. | |
Bild: Training im „kalten“ Bitburg | |
BITBURG taz | Die Sportschule Bitburg ist eine Legende unter den | |
Trainingsstätten in Deutschland. Das belegen schon die fast zweihundert | |
Wimpel des Weltfußballs im weitläufigen Foyerbereich: von Besiktas, Dinamo | |
Minsk, dem HSV und den unzähmbaren Löwen aus Kamerun bis zu Rot-Weiss | |
Essen, von Manchester United („Training Camp August 01“) über den 1. FC | |
Köln bis zum TuS Gellep-Stratum 05/20 e. V. | |
Auch die deutsche Frauennationalelf ist regelmäßig hier, so auch im | |
Frühjahr zu einem WM-Vorbereitungslehrgang. Bitburg gilt als das „Malente | |
der Frauen“ – immer wenn das DFB-Team in dem Bierstädtchen der Südeifel | |
waren, setzte es nachher einen Titel. | |
Jetzt spekuliert auch die Gesandtschaft von Äquatorial-Guinea auf den | |
„Geist von Bitburg“. 250 Betten gibt es hier, acht Fußballplätze, | |
Krafträume und eine „Natursteigungsstrecke 12 Grad“ auf 100 Meter Länge, | |
wie ein Aushang verrät. Da wird sicher „Musculação“ gemacht, wie die | |
mehrsprachigen Trainingspläne an der Pinwand verraten. Die Spielerinnen | |
räkeln sich daneben in den ausladenden Sofas. Mittagspause, iPhonecheck. | |
Zwei unterhalten sich stockend, offenbar nicht in der gleichen Sprache. | |
Hotelleiterin Tatjana Hennig sagt, die Gäste seien „anfangs sehr | |
verschlossen“ gewesen, sicher auch verunsichert, hätten sich gefragt, in | |
welch komischem Land sie denn da gelandet seien. Interne Sprachprobleme | |
seien ihr aufgefallen. | |
## 700.000 Einwohner, Öl, Korruption, zweiter Platz beim Afrika-Cup | |
Äquatorial-Guinea darf man nicht verwechseln mit Guinea in Südamerika. Der | |
Außenseiterste aller WM-Teilnehmer ist ein Zwergstaat im Westen Afrikas. | |
700.000 Einwohner gibt es, Zeitungen erscheinen unregelmäßig, die | |
Korruption soll besser entwickelt sein als die Demokratie. An Geld fehlt es | |
kaum, Erdöl sei Dank. Und die Fußballszene? Der zweite Platz beim | |
Afrika-Cup 2010 in Südafrika, der die Qualifikation für die | |
Weltmeisterschaft bedeutete, war eine Sensation. Nzalang heißt die Elf im | |
Bantu-Volksmund, übersetzt: Gewittersturm. Nähere Informationen sind rar. | |
Vor einem sitzt ihr freundlicher brasilianischer Cheftrainer, Marcelo | |
Frigerio, 40, ein gebürtiger Italiener, der die Mannschaft erst seit März | |
betreut, „Frauenfußball in Äquatorial-Guinea ist wie die Seleçao in | |
Brasilien“, sagt er. Die Stadien bei Länderspielen seien immer überfüllt, | |
die Spielerinnen umlagert, der Hype riesig. „Es ist das wohl einzige Land | |
der Welt, in dem Fußball spielende Frauen populärer sind als Männer.“ Nein, | |
sein Team habe noch nie außerhalb Afrikas gespielt. Nein, die Hälfte seiner | |
Spielerinnen war noch nie in Europa. Erst seit 2002 gebe es in | |
Äquatorial-Guinea organisierten Frauenfußball. Und nur eine Miniliga. | |
Ob er seinen Kader mal ein wenig vorstellen könne, Stärken, Besonderheiten. | |
Frigerio lächelt. „Kein Kommentar.“ Nicht mal, ob Vania oder Bruna vorne | |
spielen oder Salome und Laetitia hinten. „Wissen Sie, unser einziger | |
Vorteil ist, dass niemand in der Welt etwas über uns weiß. Und das soll so | |
bleiben.“ Es gebe „nicht mal im Internet Filme von unseren Spielen. Das ist | |
unsere kleine Chance.“ Und er grinst ganz lieb. | |
## „Alles neidische Lügen“ | |
Immerhin mag Frigerio berichten, dass fast die Hälfte der Geheimnisvollen | |
aus Ä eingebürgerte Brasilianerinnen seien, zwei weitere kämen aus Spanien. | |
Rechtfertigung: Es gebe eben „viele verwandtschaftliche Verhältnisse“ im | |
Lande. Angeblich seien drei Männer im Team, sagten 2010 unterlegene | |
Gegnerinnen. „Alles neidische Lügen“, wiegelt Frigerio ab. Drei Testspiele | |
in diesen Tagen wollte die Multiherkunftself bestreiten, der Verband hat | |
sie kurzfristig storniert. Der Trainingsplatz ist blickdicht grün | |
verhangen. Äquatorial-Guinea: das Nordkorea des Südens. | |
Andersherum ist das Problem ähnlich. Wo anderswo, auch im Frauenfußball, | |
das gegnerische Spiel haarklein in Videosequenzen zerlegt und analysiert | |
ist, hat Frigerio kein Material über seine Gruppengegnerinnen aus Norwegen, | |
Australien und die Original-Brasilianerinnen. Eine ZDF-Reporterin hat er | |
mittlerweile mit seinem Charme für Spionagedienste gewonnen. Sie will ihn | |
mit DVDs aus dem Archiv versorgen. | |
Für Markus Schmitz, den Koch der Sportschule, begann mit dem Eintreffen der | |
30-köpfigen Delegation „eine sehr große Herausforderung“. Die Damen wollen | |
„am liebsten jeden Tag nur Huhn“ und äßen „Mengen, als gebe es kein Mor… | |
mehr“. Morgendliche Marmeladenbrötchen gingen gar nicht. Wesentlich sei die | |
Sache mit der Schärfe. „Ich würze schon stark“, sagt Schmitz, „aber ich | |
wusste, das reicht nicht.“ Also habe er Cayennepfeffer, Chili und Paprika | |
extrascharf bis zur mutmaßlichen Verantwortungsgrenze dem Essen zugemischt. | |
Mit dem Effekt: „Die würzen immer mit Tabasco nach, und wie.“ Nach 14 Tagen | |
war der Verbrauch quantifizierbar: „Gut ein Liter Tabasco pro Woche, | |
unglaublich“. | |
## Koreanische Schokolade | |
Tatjana Hennig berichtet, nach ein paar Tagen habe es begonnen, „richtig | |
gut miteinander zu werden“. Das Sprachenkauderwelsch mache Spaß, selbst hat | |
sie einen Spitznamen: „Ich heiße jetzt Tatji.“ Sie hilft bei Telefonaten, | |
übersetzt, mit der Stimme, mit Gesten und Translationsprogrammen im | |
Internet. Eine Spielerin war „zwischendurch drei Tage zu | |
Vertragsverhandlungen in Seoul und hat mir koreanische Schokolade | |
mitgebracht.“ Tatji strahlt. | |
Nur über Kapitänin Genoveva Anonma gibt Trainer Frigerio Auskunft. Sie sei | |
„unser Nationalsymbol und eine Göttin in der Heimat“, die „mit sehr viel | |
Liebe“ für ihr Land spiele. Anonma ist der Star aus Ä. Seit 2009 spielt sie | |
in Deutschland, bislang in Jena, ab Sommer für Meister Turbine Potsdam. | |
Hier in Bitburg hat sie die blau-rot-grün-weißen Farben ihres Landes in ihr | |
Haar geflochten und sagt, sie freue sich am meisten „in meinem sportlichen | |
Zuhause spielen zu dürfen“. Und darüber, das den anderen zu zeigen. „Ich | |
bin sehr, sehr stolz.“ | |
Äquatorial-Guinea war mit Abstand als erstes Team nach Deutschland gereist: | |
Mitte Mai, sechs Wochen vor Turnierstart, und das ohne nähere Ankündigung. | |
Man wollte sich halt frühzeitig einfrieren in Sibirisch-Mitteleuropa. Die | |
Sache geriet chaotisch. Erst landete der Tross in Münster in einem Heim des | |
Johanniterordens. Alles prima, nur gab es keine Fußballplätze. Man wollte | |
am nächsten Morgen wieder weg. Es wurde hektisch. Tatjana Hennig sagt: „Da | |
kam plötzlich ein Anruf, alles sehr spontan. Ob wir Platz hätten. Drei | |
Stunden später stand der Bus vor der Tür. Wir mussten sehr improvisieren, | |
Belegungen freischaufeln, die Küche alarmieren, Vorräte auffüllen.“ | |
## Kaum 25 Grad draußen – daheim 40 Grad im Schatten | |
Draußen ist es frisch, kaum 25 Grad. „Viele von uns“, sagt Genoveva Anonma, | |
„empfinden es wirklich als sehr kalt hier. Ich sage denen immer: Ach, das | |
ist doch nur der Wind.“ Daheim habe es an die 40 Grad im Schatten, jeden | |
Tag, den ganzen Tag. „Manche Spielerinnen“, hat Tatjana Hennig beobachtet, | |
„setzen sich gern im Trainingsanzug in die 40-Grad-Wärmekabine“ und nach | |
einer Woche hätten sie die Sauna entdeckt, zum Aufwärmen zwischendurch. Zur | |
Garderobe an Sommerabenden, sagt sie, gehören auch Handschuhe. | |
Jetzt ist Nachmittagstraining. Mit Bitburger Bierruhe schleichen die | |
Spielerinnen Richtung Übungswiese, manche in langen Ärmeln. Immer wieder | |
hört man „frio, frio, frio“, wenn sie sich im strahlenden Sonnenschein | |
unterhalten. Genovevastar leiht ihre Wollmütze vom USV Jena einer Kollegin. | |
Andere haben gestreifte Mützen in Landesfarben auf und mächtige Kopfhörer | |
im Zebradesign, wohl auch als Ohrenwärmer. Eine Spielerin kreischt auf und | |
singt. „Die ist verrückt“ sagt Trainer Frigerio – ergänzt um diesen | |
ethnologischen Verweis: „Die kommt ursprünglich aus Nigeria. Da sind alle | |
so. Und sie darf bei mir auch im Spiel ihre tollen, verrückten Sachen | |
machen.“ Hah, jetzt hat er doch was verraten. | |
16 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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