# taz.de -- Fusion in der Entwicklungshilfe: Ein Streit erster Klasse | |
> Firstclass-Flüge und teure Wagen: Nach der Fusion von GTZ, DED und Inwent | |
> wirft die Opposition der Hilfsorganisation GIZ und Minister Niebel | |
> Verschwendung vor. | |
Bild: Streit in der Organisation: Über die Entwicklungshilfe selbst spricht ge… | |
BERLIN taz | Der bizarre Streit der deutschen Entwicklungshelferszene | |
begann mit einem Brief, geschrieben am 30. Mai, Absender: | |
SPD-Haushaltspolitiker Lothar Binding. Empfänger: | |
Entwicklungsstaatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz. Auf fünf Seiten | |
hinterfragt Binding die Ergebnisse der Fusion der deutschen | |
Entwicklungsorganisationen. | |
Der Tenor: Die neue Entwicklungsorganisation "Deutsche Gesellschaft für | |
Internationale Zusammenarbeit" (GIZ) verschwende Geld mit | |
First-Class-Flügen und einer teuren Dienstwagenflotte. Zudem würde eine | |
"Chance zur Modernisierung" der Organisation verpasst. Von einem "Skandal" | |
spricht die SPD. | |
Der Konter folgte sofort: "Die SPD ist offensichtlich so verzweifelt, dass | |
sie abstruse Vorwürfe konstruiert", ließ FDP-Entwicklungspolitiker Harald | |
Leibrecht am Mittwoch verbreiten. Tatsächlich spare die neue Organisation | |
bei den Gehältern, die "Luxuskarossen" würden zu erheblichen Rabatten | |
eingekauft. Die Äußerungen seien niveaulose Oppositionspolitik. Sein Fazit: | |
"Der SPD bleibt nur noch die Polemik." Und das Entwicklungsministerium | |
spricht von einem "Geschmäckle", weil Binding der Wahlkreis-Konkurrent von | |
FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel sei. | |
Was war passiert? Die Fusion ist in der sonst oft um Konsens bemühten | |
Entwicklungspolitik ein traditionelles parteipolitisches Streitthema. | |
Jahrzehnte wurde von Bundesregierungen versucht, das Wirwarr der vielen | |
nebeneinander tätigen Entwicklungsorganisationen zu beseitigen. Zuletzt | |
scheiterte SPD-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul 2009 an dem Vorhaben, | |
die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) mit der | |
Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu verschmelzen. | |
## Niebels kleine Lösung | |
Dem aktuellen Minister Niebel gelang die sogenannte "kleine Lösung" - also | |
ein Zusammenschluss ohne die KfW, bei der GTZ mit Deutschem | |
Entwicklungsdienst (DED) und der Weiterbildungsagentur Inwent fusionieren. | |
Es gilt als der größte Erfolg des FDP-Mannes, doch eine Frage erscheint im | |
Licht des aktuellen Streits ungeklärt: Wird diese Reform auch die | |
erwarteten Einsparungen bringen - oder sichert sie nur die Macht des | |
GIZ-Vorstandschefs Bernd Eisenblätter? | |
Dass der neue Vorstand mit der gebotenen Sparsamkeit an die Arbeit geht, | |
wird durch den Brief Bindings infrage gestellt. Innerhalb der GIZ werde | |
davon gesprochen, dass der Vorstand "bei Flugreisen im Regelfall die | |
teuerste Klasse" wähle, schreibt Binding, zudem sei der "Fuhrpark an | |
Luxuskarossen" in der GIZ "im Sinne einer nachhaltigen | |
Entwicklungszusammenarbeit zu erklären". Eilig verbreitete die GIZ in | |
dieser Woche, dass der Vorstand lediglich "in der Regel Business Klasse" | |
fliege. | |
Aus Insiderkreisen heißt es, dass sich zumindest Vorstandsmitglied Tom | |
Paetz vertraglich habe zusichern lassen, entwicklungspolitische | |
Dienstreisen First Class absolvieren zu dürfen. Die GIZ streitet dies ab. | |
"Da wäre mehr Bescheidenheit angemessen", sagt die | |
Grünen-Entwicklungspolitikerin Ute Koczy, "wenn die Vorstände nicht in der | |
Lage sind, bei sich selbst zu sparen - wie sollten sie das dann für das | |
Unternehmen schaffen?" | |
Das Entwicklungsministerium verteidigt sich. So seien die Vorstandsgehälter | |
der neuen Verträge im siebenköpfigen Vorstand um 35 Prozent gesenkt worden. | |
Zumindest für die drei der sieben Chefs gilt dies aber allein wegen der | |
Gültigkeit alter Verträge nicht. | |
## Kleinere Organisationen müssen sich anpassen | |
Doch nicht nur bei der Frage der Einsparungen gibt es Ärger. Besonders beim | |
ehemaligen DED und bei Inwent wächst der Unmut über die Art und Weise, wie | |
der Zusammenschluss der Organisationen umgesetzt wird. Denn wie mit dem | |
neuen Vorstandsvorsitzenden Eisenblätter, der vorher die GTZ leitete, hat | |
sich auch hier das Eschborner Unternehmen durchgesetzt. | |
Schon vor Monaten war klar, dass die kleineren Organisationen dem | |
Rechtsrahmen der größeren Organisation beitreten und ihre eigene Identität | |
weitgehend aufgeben müssen. Mitarbeiter von DED und Inwent beklagen sich | |
nun, dass die Prozesse der Zusammenführung vor allem von ehemaligen GTZlern | |
geleitet würden. "Wir können unheimlich wenig mitgestalten", heißt es. | |
Problematisch ist dies, weil die Unternehmenskulturen vollkommen | |
unterschiedlich sind. Beim DED arbeiten Entwicklungshelfer, die | |
Graswurzelarbeit gewohnt sind. Bei Inwent wird auf Fortbildung gesetzt. Und | |
die GTZ setzt seit Jahren auf professionelle Beratung. | |
Mit dem Zusammenschluss trägt das Unternehmen nun jedoch deutlich den | |
Stempel der alten GTZ. Und noch mehr: In der neuen Unternehmensvision gibt | |
GIZ-Chef Eisenblätter vor, dass die Organisation "weltweit führender | |
Dienstleister für nachhaltige Entwicklung" sein will. Doch mit der Idee des | |
"Weltmarktführers" wollen sich viele Mitarbeiter aus DED und Inwent nicht | |
abfinden. "Es gibt eine Irritation über die neuen Prinzipien", heißt es aus | |
Mitarbeiterkreisen. | |
Eine Dominanz der alten GTZ in dem neuen Unternehmen würde bedeuten, "dass | |
eine Neuausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hin zu einem | |
modernen Verständnis" keine Rolle spiele, kritisiert auch der | |
SPD-Abgeordnete Lothar Binding in seinem Brief an | |
Entwicklungsstaatssekretär Beerfeltz. | |
Laut Binding verdichten sich die Anzeichen, dass von Inwent "kaum etwas | |
übrig zu bleiben scheint". Gegenüber der taz tritt Eisenblätter den | |
Befürchtungen von DED und Inwent entgegen: "Wir brauchen das Know-how der | |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller drei Vorgängerorganisationen, und | |
gerade auch das von ehemals DED und Inwent." | |
Wie sehr sich Inwent und DED der GTZ dennoch anpassen müssen, ließ sich | |
schon im vergangenen Jahr erahnen. Damals wurde der neue Name der | |
fusionierten Organisation vorgestellt. Aus der GTZ wurde die GIZ, nur ein | |
Buchstabe wurde verändert. Rein optisch ist das noch weniger zu bemerken: | |
Schrifttyp und Farbe, Internetauftritt: alles ähnelt bis ins Detail der | |
alten GTZ. | |
Für GIZ-Chef Bernd Eisenblätter wird es in den nächsten Wochen offenbar | |
noch einige Momente der Rechtfertigung geben. Anfang Juli muss er sich im | |
Aufsichtsrat wegen der Vorwürfe der Verschwendung äußern. Mit am Tisch | |
sitzen wird dann auch der Mann, der den aktuellen Streit in der | |
Entwicklungsszene losgetreten hat. Lothar Binding. | |
17 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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