# taz.de -- Das Comeback der Komödie am Theater: Lauthals Lachen, aber hinterg… | |
> Die Tragödie gilt am Theater als sichere Bank. "Nichts gelernt und nicht | |
> mal gelacht", heißt es dagegen, wenn eine Komödie misslingt. Dennoch ist | |
> sie in die Theater zurückgekommen. | |
Bild: Geht auch ohne Klischees. | |
Treffen sich zwei Paare abends auf dem Campingplatz. Was wie ein Witz | |
beginnt, umreißt bereits die Handlung von Rebekka Kricheldorfs Theaterstück | |
"Robert Redfords Hände selig", in dem ein Rentnerpärchen auf ein | |
Jungpärchen trifft und damit Jung auf Alt, Abgeklärtheit auf Idealismus. | |
Der Campingplatz liegt in Afrika, genauer Namibia, und so ist hier neben | |
Geschlechter- und Weltanschauungsdifferenz auch postkoloniale deutsche | |
Geschichte ein Thema, Aids, Tod und das Elend des Kontinents. "Robert | |
Redfords Hände selig" ist reich an Pointen, aberwitzigen Dialogen und | |
Anspielungen. | |
Als Komödie zieht der Text alle Register, und doch ist das Besondere nicht | |
der Witz, sondern dass die Komik die Nöte und Anfechtungen der Gegenwart | |
nicht ausblendet. Im Gegenteil: Je mehr Pointen sich summieren, umso | |
deutlicher tritt die überspielte Hilflosigkeit angesichts des Elends in der | |
Welt zutage. Die gelungene Kasseler Inszenierung von Schirin Khodadadian, | |
die zu den Autorentheatertagen in Berlin eingeladen war, betont zusätzlich, | |
dass Witz und Schrecken in der Selbstbegegnung liegen, zu der es in der | |
Fremde schneller kommt. | |
Die Tragödie gilt am Theater als sichere Bank. Wenn man mit ihr scheitert, | |
dann auf hohem Niveau. "Nichts gelernt und nicht mal gelacht", heißt es | |
dagegen, wenn eine Komödie misslingt. Dennoch ist sie in dieser Spielzeit | |
in die Theater zurückgekommen. Einerseits durch Regisseure wie Sebastian | |
Hartmann oder Herbert Fritsch und ihr Spiel mit abgründigen Mechaniken, in | |
denen die Welt grotesk und die Verhältnisse entstellt sind. | |
Andererseits, weil mittlerweile mehrere Autoren, Rebekka Kricheldorf, | |
Martin Heckmanns oder Roland Schimmelpfennig, einer Reihe hybrider | |
Theaterstücke vorgelegt haben, die alte Gattungsregeln unterlaufen, in | |
denen der Witz nicht aus Klischees, sondern aus der Überforderung an der | |
Gegenwart gewonnen wird und sich unters Gelächter auch immer die | |
Melancholie mischt. | |
Sechzehn Stücke hat die in Berlin lebende Dramatikerin Kricheldorf in den | |
vergangenen zehn Jahren geschrieben. Mit dreien davon ist sie bei den | |
Autorentheatertagen repräsentiert, die am Deutschen Theater Berlin einen | |
Überblick über zeitgenössische Dramatik geben. Oft sind es veränderte | |
Rollen und auseinanderklaffende Erwartungen, denen ihre Figuren ausgesetzt | |
sind. | |
So landet in "Murder Ballads" eine junge Tramperin in einer abgelegenen | |
Kneipe, begegnet skurrilen Barkeepern, düsteren Cowboys, gehängten | |
Westernhelden. Regisseur Erich Sidler baut in der am Stadttheater Bern | |
entstandenen Inszenierung im Stil eines Liederabends sehr viele | |
Nick-Cave-Songs ein, aber die Botschaft klingt immer durch: So leicht kann | |
kein Held gewinnen, ist das Böse nicht auszumerzen, auch wenn es das | |
Westerngenre suggeriert. Der Barkeeper fordert schließlich den | |
Nachrichtensprecher zum Duell, dessen Schauer-Ansagen auf dem TV-Bildschirm | |
eingestreut sind. | |
Bereits Kricheldorfs ältere Stücke, etwa "Kriegerfleisch" aus dem Jahr | |
2003, bewegen sich in dieser Spannweite. Darin forscht ein Professor im | |
Science-Fiction-Stil nach dem ewigen Leben und versucht, von einem Vampir | |
gebissen zu werden. Die eingestreuten Katastrophenmeldungen - Mord, Unfälle | |
- lassen das Stück dann allerdings in offene Skepsis gegenüber der | |
Unsterblichkeit münden. Unsterblich werden, sich verlieben, Arbeit finden - | |
diese zeitlos exemplarischen Muster konfrontiert Kricheldorf mit | |
gegenwartsbezogenen Themen: Globalisierung, Theoriesättigung, die in den | |
Stillstand führt, die Unmöglichkeit des Aufstands. | |
Fürs Theater sind diese Texte interessant, weil sie gerade keine Satire | |
sind. Herabsetzung ist einfach und wird durch Comedy bedient. Schwieriger | |
ist die Komik, die sich nicht lustig macht. Am schönsten ist das | |
Kricheldorf in "Die Legende vom Nadelbaumkiller" gelungen, das 2004 am | |
Staatstheater Stuttgart uraufgeführt wurde. Mit Jan Mao tritt darin ein | |
moderner Don Juan auf, Sohn reicher Eltern, WG-Bewohner, einer, der die | |
Frauen zwar noch herumkriegt, aber feststellt, dass sich ihr Ehrbegriff | |
längst verschoben hat. | |
Kricheldorf schickt ihn auf die Suche, um in den einstigen Männerdomänen | |
Bundeswehr, Burschenschaften, Kirche unterzukommen, gleichsam erfolglos. | |
"Man kann Blickwinkel einnehmen, ohne dass es gleich ein Problemstück sein | |
muss", findet Kricheldorf. Und so lässt sie ihre Figuren mit dem Witz der | |
Verzweifelten antworten, dass ein Einzelner den gesellschaftlichen | |
Gewissheiten immer nur hinterherhinken kann. Ein Komödienstoff, aus dem sie | |
immer wieder Kapital schlägt und mit dem sie auch in der nächsten Spielzeit | |
an den Theatern präsent sein wird. | |
21 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Kaempf | |
## TAGS | |
Deutsches Theater | |
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