# taz.de -- Rot-grüner Senat gewählt: "Nie gab es eine solche Chance" | |
> Die Bürgerschaft wählt den Senat Böhrnsen III - mit bemerkenswert mageren | |
> Ergebnissen für viele Regierungsmitglieder. Lediglich Anja Stahmann | |
> triumphiert. | |
Bild: Das sind sie: Joachim Lohse, Martin Günthner, Anja Stahmann, Karoline Li… | |
Mit 57 Stimmen bestätigte die Bürgerschaft Jens Böhrnsen (SPD) gestern im | |
Amt des Senatspräsidenten. Zur vollen Stimmenzahl der rot-grünen Koalition | |
gab es als "Zugabe" noch eine Enthaltung aus den Reihen der Opposition - | |
was Böhrnsens Wahlergebnis zusätzlich positiv von dem seiner | |
Regierungsmannschaft abhob. Bis auf Anja Stahmann - siehe Kasten - fehlten | |
bei sämtlichen SenatorInnen Stimmen aus den eigenen Reihen. | |
Die größten Vorschuss-Lorbeeren für die neue Regierung formulierte denn | |
auch ausgerechnet Oppositions-Chef Thomas Röwekamp von der CDU: "Wenn es je | |
eine Chance gegeben hat, das Land von seinen drückenden Problemen zu | |
befreien, dann hat sie diese Regierung." In diesen Worten - obwohl | |
zweifellos als Messlatte gedacht, die bei einer späteren Negativ-Bilanz der | |
Regierungsarbeit herangezogen wird - klang tatsächlich so etwas wie Respekt | |
vor dem Wahlergebnis mit. Immerhin hat die Regierung acht Prozent | |
hinzugewonnen, die Opposition elf Pozent verloren. Die auch um Wortsinn | |
marginalisierte Opposition - sie besetzt nur noch zwei mehr oder weniger | |
breite Streifen an den Rändern des Plenarsaals - verfügt lediglich über 26 | |
Stimmen. | |
Röwekamp attestierte dem Koalitionsvertrag, dass "viel Richtiges" in ihm | |
stehe - etwa die Einführung der sogenannten Schuldenbremse, mit der sich | |
die Regierung ab 2020 zu einer Haushaltsführung ohne Neuverschuldung | |
verpflichtet. Gleichzeitig beklagte er allerdings die im Koalitionsvertrag | |
vorgesehenen Einsparungen bei der Polizei: Das Pensionsalter der Beamten | |
wird um zwei Jahre auf 62 heraufgesetzt, entsprechend weniger Anwärter | |
eingestellt. | |
Röwekamp bemühte sich sichtlich, bei den vermeintlichen Kernkompentenzen | |
der CDU Profil zu zeigen: Eine härtere Drogenpolitik sei ebenso | |
unerlässlich wie die Bekämpfung der "zunehmenden Gewaltbereitschaft | |
Jugendlicher" - wobei er sich allerdings per Zwischenruf fragen lassen | |
musste, ob er die aktuellen Statistiken zu Gewaltkriminalität zur Kenntnis | |
genommen habe - dort ist eine Abnahme jugendlicher Gewalttätigkeit | |
dokumentiert. | |
Auch in Punkto historischer Sachkenntnis konnte Röwekamp gestern nicht | |
brillieren: Seine Häme, mit der neuen grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann | |
ziehe "erstmals seit dem Krieg ein Nicht-SPD-Mitglied in die | |
sozialdemokratische Herzkammer ein", wird von der eigenen Parteichronik | |
widerlegt: Von 1955 bis 1959 führten ChristdemokratInnen das Sozialressort. | |
Einen überzeugenderen Einstand gab Kristina Voigt als neue Fraktions-Chefin | |
der Linkspartei. Nach leicht nervösem Beginn gewann sie zusehends an Fahrt, | |
geißelte die Zuordnung des Arbeitsressorts "zu einem neoliberalen | |
Wirtschaftssenator" und charakterisierte den zu wählenden Senat insgesamt | |
als bloßes "Verwaltungsgremium", das sich seine Handlungsspielräume per | |
"Spardiktat" und Schuldenbremse selbst genommen habe. Voigt: "Zwei | |
Bürgermeister, die sich damit selbst überflüssig gemacht haben, werden dem | |
Wählerauftrag nicht gerecht." | |
"Respekt" bekundete die neue Fraktions-Chefin allerdings für | |
Bildungssenatorin Jürgens-Pieper, da sie es geschafft habe, Haushaltsmittel | |
zu Gunsten des Bildungsressorts umzuschichten. Zugleich begrüßte Voigt, | |
dass mit dem Verbleib von Bildung bei den Sozialdemokraten der "Kelch neuer | |
Privatschulen zu Gunsten eine Bioladen-Elite" an Bremen vorüber gegangen | |
sei. Unter anderem an solchen Einlassungen zeigte sich, dass die | |
ideologisch härtesten Auseinandersetzungen in der Bürgerschaft wohl auch | |
künftig zwischen Grünen und Linkspartei ausgetragen werden. | |
30 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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