# taz.de -- Der Fall Dominique Strauss-Kahn: Er kommt frei | |
> Es gibt Zweifel an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers. Deswegen | |
> hat ein New Yorker Richter Dominique Strauss-Kahn aus dem Hausarrest | |
> entlassen. | |
Bild: Aus Ermittlungskreise hört man: Strauss-Kahn soll ohne Kaution freikomme… | |
WASHINGTON taz | Anderthalb Monate nachdem Dominique Strauss-Kahn wegen des | |
Verdachtes einer versuchten Vergewaltigung angeklagt wurde, bahnt sich eine | |
Wende in seinem Verfahren an: Ein Gericht in New York hat Strauss-Kahn am | |
Freitag gegen Auflagen aus dem Hausaarest entlassen. Die Staatsanwaltschaft | |
hatte zuvor zugestimmt, die gegen ihn verhängte Kaution aufzuheben. Die | |
Ermittlungen würden aber nicht eingestellt, erklärte die Anklage bei der | |
kurzfristig angesetzten Gerichtsanhörung. | |
Die New York Times hatte zuvor berichtet, wegen [1][Zweifeln an der | |
Glaubwürdigkeit] des mutmaßlichen Opfers stehe die Anklage gegen den | |
62-jährigen Franzosen kurz vor dem Zusammenbruch. | |
Die Staatsanwaltschaft hegt dem Bericht demzufolge nun ernste Zweifel an | |
der Glaubwürdigkeit der Frau, die ihn beschuldigt, sie in einem Hotelzimmer | |
angegriffen zu haben. Unter anderem habe die 32-jährige Immigrantin aus | |
Guinea gelogen, habe mögliche finanzielle Motive gehabt und stehe in | |
Kontakt zu mindestens einem verurteilten Drogenhändler. | |
In seiner Freitagsausgabe zitierte das Blatt namentlich nicht genannte | |
Gerichtsmitglieder. Sie erklären, dass die Hotelangestellte "mehrfach" | |
gelogen habe. Unter anderem soll sie die Unwahrheit über ihre Tätigkeit in | |
den Stunden vor und nach dem mutmaßlichen Übergriff in einem Zimmer des | |
Sofitel gemacht haben. Auch bei ihrem Asylantrag in den USA habe die Frau | |
verschiedentlich gelogen. So habe sie erklärt, sie sei in ihrem Heimatland | |
vergewaltigt worden. | |
## Entlassung bedeutet nicht Ende des Verfahrens | |
Hellhörig sei die Staatsanwaltschaft auch geworden, weil aus dem Umfeld der | |
Frau durchgesickert sei, dass sie finanzielle Motive gehabt habe, als sie | |
Strauss-Kahn beschuldigte. Weiterhin spricht ein Geldbetrag von 100.000 | |
Dollar gegen sie. Dieser Betrag sei in den vergangenen Jahren auf "mehreren | |
Konten", die sie unterhalte, eingezahlt worden. Einer der Einzahler sei ein | |
wegen Drogenhandels in den USA verurteilter Mann, mit dem die Frau nach dem | |
Vorfall in dem Hotelzimmer telefoniert habe. | |
Eine Aufhebung des Hausarrests oder eine Lockerung der Bedingungen würde | |
nicht zwangsläufig das Ende des Strafverfahrens bedeuten. Doch die Anklage | |
wäre geschwächt. Und die Glaubwürdigkeit Strauss-Kahns, der von Anfang an | |
den Vorwurf sexueller Gewalt bestritten hat, würde steigen. | |
Der 62-jährige Strauss-Kahn hat den Ermittlern erklärt, die Begegnung in | |
dem Hotelzimmer in New York sei [2]["einvernehmlich"] gewesen. Am 14. Mai | |
war der IWF-Chef auf dem Weg nach Paris und saß im Flugzeug, als er von New | |
Yorker Polizisten in Handschellen abgeführt wurde. Erst nach Zahlung einer | |
Kaution von 1 Million Dollar und einer Sicherheit von weiteren 5 Millionen | |
Dollar war er entlassen worden. Seither lebt er mit einer elektronischen | |
Fußfessel unter Hausarrest. Seine Überwachung sowie seine Bewacher muss er | |
selbst bezahlen. Das Stadthaus im New Yorker Stadtteil Tribeca darf er nur | |
verlassen, um Gerichts-, Anwalts- oder Arzttermine wahrzunehmen und einmal | |
wöchentlich an einem Gottesdienst teilzunehmen. | |
Wenige Tage nach seiner Verhaftung hatte Strauss-Kahn seinen [3][Rücktritt] | |
als Direktor des IWF erklärt. In Frankreich haben sein Sturz sowie die in | |
den USA nicht ungewöhnliche öffentliche Zurschaustellung seiner Verhaftung | |
und Vorführung vor Gericht für jede Menge Aufregung gesorgt. | |
## Christine Lagarde ist seine Nachfolgerin an der IWF-Spitze | |
In der Sozialistischen Partei Frankreichs war Strauss-Kahn als Kandidat für | |
die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr gehandelt worden. Im Zuge der | |
Anklageerhebung ließ die Sozialistische Partei Strauss-Kahn als Kandidaten | |
fallen. | |
Anstelle seiner Unterstützer wurden die Stimmen jener lauter, die seine | |
"Sexbesessenheit" kritisierten. Inzwischen bewerben sich in Paris auch | |
ehemalige Unterstützerinnen und Unterstützer von Strauss-Kahn für die | |
Kandidatur. Und in Washington ist in dieser Woche eine Frau als | |
Nachfolgerin an der IWF-Spitze bestimmt worden, nämlich die bisherige | |
französische Wirtschaftsministerin [4][Christine Lagarde]. | |
1 Jul 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/politik/amerika/artikel/1/wende-im-fall-strauss-kahn/ | |
[2] /1/politik/amerika/artikel/1/dna-spuren-nachgewiesen/ | |
[3] /1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/strauss-kahn-tritt-zurueck/ | |
[4] /1/zukunft/wirtschaft/artikel/1/die-favoritin-setzt-sich-durch/ | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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