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# taz.de -- Kirchenstar Margot Käßmann: Mit Herz, Mund und Händen
> Margot Käßmann wird Botschafterin des Reformationsjubiläums 2017 – eine
> gute Wahl für ihr Image. Und für das der evangelischen Kirche.
Bild: Eine "Frau der Kirche": Margot Käßmann.
BERLIN taz | Für ihre Verhältnisse war das Medieninteresse überschaubar:
Nur zwei Fernsehkameras, rund 30 Journalisten und fünf Fotografen nahmen
jedes Wort, jeden Blick, jedes Lächeln auf - Margot Käßmann, der Star des
deutschen Protestantismus, hat sich wieder voll und offiziell in den Dienst
ihrer Kirche gestellt. Im Großen Saal des Hauses der Evangelischen Kirche
in Deutschland am Berliner Gedarmenmarkt wurde die frühere
EKD-Ratsvorsitzende als "Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche
in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017" vorgestellt. Es ist ein
Amt, das es nie zuvor gab. Das passt. Denn die frühere hannoversche
Landesbischöfin ist mit einer bundesweiten Bekanntheit gesegnet wie keine
andere Gestalt des geistlichen Lebens in Deutschland - sieht man mal vom
deutschen Papst in Rom ab.
Nachdem Käßmann im Februar vergangenen Jahres in Hannover mit 1,54 Promille
Alkohol im Blut eine rote Ampel überfahren hatte und prompt von allen
Ämtern zurückgetreten war, steigerte sich ihre Popularität ob ihrer
Konsequenz noch einmal. Und das, obwohl ihr schon vorher so viele Herzen
zugeflogen waren wie kaum einer anderen öffentlichen Person in der
Bundesrepublik. Zu Kirchentagen und in Gottesdienste strömen Tausende, wenn
sie spricht. In Talkshows und auf Podien ist die 53-Jährige vor allem seit
ihrem Rücktritt ein häufiger und sehr gern gesehener Gast. Sogar als
mögliche SPD-Kandidatin für das Oberbürgermeisteramt in Frankfurt war sie
als Seiteneinsteigerin im Gespräch. Derzeit stehen auf der
Spiegel-Bestsellerliste nicht weniger als zwei ihrer Bücher - insgesamt hat
sie in den vergangenen Jahren mehr als 30 Werke geschrieben.
Das ist die eine Seite. Die andere: Einige Kirchenmänner und -frauen
runzelten in den vergangenen Monaten immer häufiger die Stirn, wenn ihr
Name fiel. Auch ihre publizistische Resonanz rutschte in letzter Zeit
häufiger ins Negative. Zu omnipräsent, zu wahllos, zu ichbezogen, zu
gefühlig und zu wenig durchdacht erschienen manchen zuletzt ihr
öffentliches Auftreten und ihre Stellungnahmen. Es mag Neid dahinterstecken
- aber auch echte Furcht, dass sie sich in der Öffentlichkeit verschleudern
oder gar im Scheinwerferlicht verbrennen könnte.
Demnach ist die neue Aufgabe für die EKD-Spitze unter Präses Nikolaus
Schneider, aber auch für sie eine ideale Lösung: Die evangelische Kirche
erhält für ihre großes Projekt des Lutherjubiläums 2017 - 500 Jahre nach
dem Thesenanschlag von Wittenberg - ein Zugpferd der Extraklasse. Käßmann
gewinnt die Erdung und den Schutz einer richtigen Aufgabe und eines
offiziellen Titels. Win-win-Situation heißt so was im Businessdeutsch.
Insofern war es logisch, dass Schneider geradezu schwärmte von "Margot" und
ihren Fähigkeiten - während sie mehrmals betonte, wie sehr sie sich auf
diese Aufgabe freue und dass sie "eine Frau der Kirche" sei. Mit dem
Herzen, Mund und Händen wolle sie dem neuen Amt dienen, sagte sie. Sie
wolle werben für die reformatorischen Gedanken "der Freiheit eines
Christenmenschen", der Bildung und des Ringens "um Sprachfähigkeit im
Glauben in unserer Zeit", sagte Käßmann in gutem Protestantendeutsch.
Danach gab es noch ein paar Fotos neben einer grünen Lutherstatue aus
Plastik - der evangelischen Kirche ist es gelungen, das Charisma einer
schillernden Persönlichkeit wieder für sich zu nutzen. Ein bisschen Mut
gehört auch dazu.
8 Jul 2011
## AUTOREN
Philipp Gessler
## TAGS
Kirchentag 2023
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