# taz.de -- In kalifornischen Gefängnissen: Hungern gegen Isolationshaft | |
> Seit drei Wochen sind tausende Gefangene in Kalifornien im Hungerstreik. | |
> Die Gefängnisleitungen erklären den Streik für beendet - die Häftlinge | |
> hungern weiter. | |
Bild: Stacheldraht satt: das Männer-Gefängnis im kalifornischen Chino. | |
WASHINGTON taz | Hinter den schallisolierten Betonmauern und elektrisch | |
geladenen Zäunen von mindestens 13 Gefängnissen in Kalifornien haben | |
Gefangene drei Wochen lang einen Hungerstreik gemacht. Auf dem Höhepunkt | |
der Aktion verlangten mindestens 6.600 Hungerstreikende ein Ende der | |
kollektiven Strafen, die Abmilderung der Isolationshaft und eine humanere | |
Behandlung. | |
Am Donnerstagmittag meldete die Gefängnisverwaltung von Kalifornien (CDCR) | |
Erfolg. CDCR-Chef Matthew Cate erklärte, der Hungerstreik sei zu Ende: "Als | |
Gegenleistung für warme Mützen, Wandkalender und einige Bildungsmaßnahmen." | |
Am Abend desselben Tages widersprachen Hungerstreikende aus mehreren | |
Gefängnissen: "Wir kämpfen weiter, bis unsere Forderungen erfüllt sind." | |
Sie forderten ihre Unterstützer auf, die Protestaktionen auszuweiten. | |
Die Aktion hatte am 1. Juli in dem Hochsicherheitsgefängnis "Pelican Bay" | |
im Norden von Kalifornien begonnen. In dem für 2.500 Insassen gebauten | |
"Supermax" sind die Gefangenen 22,5 Stunden am Tag in fensterlosen, | |
schallisolierten Einzelzellen eingesperrt. Ihr einziger Kontakt sind | |
Gefängniswärter. Das Isolierzellensystem, das als Strafe für Fehlverhalten | |
im Gefängnis gedacht war, ist in vielen Fällen eine Dauerlösung geworden. | |
Manche Insassen befinden sich seit Jahrzehnten in Isolationshaft. "Die | |
Wärter behandeln uns wie Abschaum", erklärte Todd Ashker, einer der | |
Organisatoren des Streiks und langjähriger Insasse von Pelican Bay: "Aber | |
wir werden älter und haben ernste gesundheitliche Probleme." Anfang Juli | |
sagte Ashker, ein Hungerstreik sei die einzige Möglichkeit, "jemals | |
irgendeine positive Veränderung" durchzusetzen: "Notfalls streiken wir bis | |
zum Tod." | |
## Ohnmacht und Nierenversagen | |
In der dritten Woche des Streiks nahmen die Befürchtungen der Anwälte und | |
Unterstützer zu, dass der Streik ein fatales Ende nehmen könnte. Sie | |
berichteten von Ohnmacht, Hungersymptomen und Nierenversagen bei | |
zahlreichen Hungerstreikenden. In der breiten Öffentlichkeit der USA blieb | |
der Streik dennoch weitgehend unbeachtet. In Briefen an Tageszeitungen in | |
San Francisco und Los Angeles schlägt ein Leser vor, die Hungerstreikenden | |
sollten gleich in Plastiksäcke versiegelt werden. Ein anderer lehnt jedes | |
Mitgefühl mit "mexikanischen Gangstern" ab. Die USA haben mit mehr als zwei | |
Millionen Gefangenen die meisten Gefängnisinsassen im internationalen | |
Vergleich, gefolgt von China mit 1,5 Millionen Gefangenen. | |
Unterstützergruppen außerhalb der Gefängnisse haben tausende von | |
Unterschriften zugunsten der Hungerstreikenden gesammelt, erklärt die | |
Hunger Strike Solidarity Coalition in Oakland, die Öffentlichkeitsarbeit | |
für die Hungerstreikenden macht. Das größte Problem der hungerstreikenden | |
Insassen kalifornischer Gefängnisse, wo Gefangene ethnisch gruppiert | |
werden, ist die Kollektivstrafe. Dabei werden Angehörige derselben | |
ethnischen Gruppe für die Taten einzelner Gefangener bestraft. Ebenfalls | |
eine zentrale Rolle im Hungerstreik spielte das "Debriefing". Dabei handelt | |
es sich um monatelange "Gespräche", die für viele Insassen der einzige | |
Ausweg aus einer Isolierzelle sind. Im Verlauf dieser Gespräche sollen sie | |
andere Gefangene bei den Behörden als Bandenmitglieder denunzieren. | |
Hinter Gittern gilt das "Verpfeifen" von Mitgefangenen als eine Frage von | |
Leben und Tod. Menschenrechtler bezeichnen die Isolationshaft als Folter. | |
Und die ehemalige Senatorin in Kalifornien, Gloria Romero, hält die | |
Isolationshaft als Mittel gegen Bandenkriminalität für gescheitert. Romero: | |
"Es funktioniert seit über zehn Jahren nicht." | |
22 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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