# taz.de -- Straßenbeleuchtung: Der Letzte macht das Gaslicht aus | |
> Drei Jahre nach dem Senatsbeschluss sollen bald 8.400 sogenannte | |
> Peitschenmasten von Gas auf Strom umgerüstet werden. Verein fürchtet um | |
> Kultur. | |
Bild: Alte Laterne, Leuchtkörper unbekannt | |
Die Schonfrist für die Liebhaber des romantischen Gaslaternenlichts ist | |
bald vorüber. Die erste Phase der umstrittenen Senatspläne, die elektrische | |
Umrüstung von 8.400 Gaslaternen, steht bevor. Verzögert wurden die | |
Maßnahmen, weil unklar war, wer künftig für die Stadtbeleuchtung | |
verantwortlich ist. | |
Gegen die Vergabe des Stadtbeleuchtungsmanagements an Vattenfall hatte der | |
Mitbewerber Stadtlicht 2009 geklagt - und verloren. Die Verhandlungen | |
zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Vattenfall über den | |
Betrieb der öffentlichen Beleuchtung laufen derzeit. Beide Parteien rechnen | |
für diesen Herbst mit dem Vertragsabschluss. Ab dann kann auch der | |
Austausch der Gaslaternen geplant werden. "Langfristig werden alle 44.000 | |
Gaslaternen Schritt für Schritt gegen elektrisch betriebene Laternen | |
ausgetauscht", sagt Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung. Für die | |
8.400 Laternen der Sorte "Peitschenmast" wurde schon ein Laternenkopf mit | |
einer Energiesparlampe entworfen. Der muss jetzt noch auf den alten Mast | |
gesetzt werden. Der Senat rechne für diesen Austausch mit Kosten in Höhe | |
von bis zu 30 Millionen Euro, sagt Gille. | |
In der Zwischenzeit verfolgen die Freunde der Berliner Gaslaternen die | |
Entwicklung auf den Straßen wachsam. "Wir haben beobachtet, dass in einigen | |
Straßen - im Rahmen einer Gasnetzsanierung oder bei Defekt - Gaslaternen | |
einfach durch elektrische ersetzt wurden", empört sich Bertold Kujath vom | |
Berliner Verein Gaslicht-Kultur. Der Verein habe die Gasreihenleuchten | |
katalogisiert und kontrolliere regelmäßig, ob sie noch da seien. Im | |
Karmeliterweg in Frohnau sei zum Beispiel eine defekte Gasreihenleuchte | |
einfach samt Kopf und Mast durch eine völlig anders aussehende | |
Elektroleuchte mit weißem Licht ersetzt worden. "Gaslaternen sind | |
Kulturgut, Wohlfühlfaktor und prägen das Stadtbild. Die 8.400 | |
Peitschenmaste sind typisch für das Berlin der Nachkriegszeit", sagt | |
Kujath, der mit dem Licht aufgewachsen ist und sich seit 1985 für die | |
Gasbeleuchtung in Berlin einsetzt. | |
Überhaupt ist Berlin die unangefochtene Hauptstadt der Gaslichter: Mit | |
seinen 44.000 Laternen besitzt Berlin über die Hälfte der weltweiten | |
Straßengasbeleuchtung. | |
Aber dieser stolze Titel ist mit immensen Kosten verbunden. Mathias Gille | |
rechnet vor: "Für die öffentliche Beleuchtung in Berlin werden zurzeit 23 | |
Millionen Euro pro Jahr für Energiekosten aufgewendet, je zur Hälfte für | |
Strom und für Gas. 180.000 Leuchten werden elektrisch betrieben, aber nur | |
44.000 mit Gas." Damit sei die Gasbeleuchtung viermal so teuer wie die | |
elektrische und aus wirtschaftlicher Sicht nicht zu rechtfertigen. Dazu | |
kämen noch höhere Wartungskosten: Die Störanfälligkeit von Gaslaternen sei | |
dreimal so hoch wie die von elektrischen. | |
Eine Analyse der Senatsverwaltung im Jahr 2008 ergab, dass jeden Monat | |
durchschnittlich rund 3.200 elektrisch betriebene und 8.900 gasbetriebene | |
Leuchten gestört sind. Zudem werden die Glühstrümpfe der Gaslaternen | |
mindestens alle zehn Monate auswechselt. Aber nur noch ein Hersteller in | |
Indien produziert sie. Ein Produktionsfehler des Unternehmens führte dazu, | |
dass einige Gaslaternen Anfang dieses Jahres rund um die Uhr in Betrieb | |
waren. | |
Bertold Kujath kritisiert die Kostenrechnung der Senatsverwaltung, | |
insbesondere die kalkulierten Kosten für die Umrüstung der 8.400 | |
Peitschenmasten: Die zuletzt veranschlagten 29,5 Millionen - rund 3.500 | |
Euro pro Laterne - seien zu niedrig angesetzt. "Andere Städte wie Frankfurt | |
rechnen mit 8.000 Euro pro Laterne, somit wird sich der Austausch der | |
Gaslaternen nicht so schnell rechnen wie geplant", sagt Kujath. Außer den | |
Kosten führt er weitere Argumente für Gaslaternen ins Feld. Etwa dass an | |
einer elektrischen Straßenlaterne in jeder Sommernacht 150 Insekten getötet | |
würden. Dadurch werde Singvögeln ein Teil der Nahrungsgrundlage entzogen. | |
Dennoch gäbe er sich auch mit der Erfüllung einer "Minimalforderung" an die | |
Senatsverwaltung zufrieden: "Wir möchten die Gaslaternen zumindest in den | |
denkmalgeschützten Bereichen der Stadt erhalten", sagt Kujath. "Das wäre | |
zum Beispiel Frohnau-Gartenstadt oder das Weltkulturerbe Weiße Stadt." | |
25 Jul 2011 | |
## TAGS | |
Wladimir Putin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dimmen für den Frieden: Putin ist keine helle Leuchte | |
Um Gas zu sparen, wollen die Berliner Grünen die Straßenlaternen abdunkeln. | |
Blöd nur, dass da auch noch die Gaslaternenversteher sind. | |
Ende der Gaslaternen: Der Letzte macht das Licht aus | |
Der Abbau abertausender Berliner Gaslaternen ist beschlossene Sache. Ein | |
Verein kämpft dagegen an. |