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# taz.de -- Norwegens Landesvater Stoltenberg: Stellvertretender Mitmensch
> Jens Stoltenberg ist eigentlich nicht dafür bekannt, besonders warmherzig
> zu sein. Nach der Katastrophe in Oslo aber sind alle voll des Lobes für
> den Ministerpräsidenten.
Bild: "Meisterlich", schwärmt die Tageszeitung "Dagbladet" vom Ministerpräsid…
Eine "Landesmutter" hatten die Norweger bereits: Gro Harlem Brundtland hieß
die Frau, die in den achtziger und neunziger Jahren dreimal als
Ministerpräsidentin regierte. Jens Stoltenberg ist ebenfalls zum dritten
Mal Ministerpräsident. Ein "Landesvater" war er vor dem 22. Juli aber
nicht. Sicher, er wirkte stets freundlich und kontaktfreudig, aber doch
kühl und reserviert. Den Charme, der seinen Vater Thorvald einst zu einem
der beliebtesten norwegischen Außenminister gemacht hatte, hat Jens nicht
geerbt. Als jemand, der mit Zahlen besser umgehen kann als mit Menschen,
wurde er kritisiert. Und als arrogant, selbstzufrieden und rechthaberisch.
Ab 1985 war Stoltenberg als Student der Volkswirtschaftslehre vier Jahr
lang Vorsitzender der AUF, der Jugendorganisation der Sozialdemokraten.
Schon damals veranstaltete die AUF Sommerlager auf der Insel Utøya. Und
Utøya war jahrzehntelang ein fester Bestandteil in Stoltenbergs
Sommerprogramm. Man kann nachvollziehen, wie fürchterlich das Massaker ihn
getroffen hat: "Mein Jugendparadies hat sich in eine Hölle verwandelt",
sagte er unter Tränen auf einer Pressekonferenz wenige Stunden nach dem
Blutbad.
Stoltenberg ist nicht der erste norwegische Ministerpräsident, der in den
vergangenen Jahrzehnten große nationale Katastrophen handhaben musste.
Vorgänger von ihm trafen beispielsweise der Untergang der Ölplattform
"Alexander Kielland" 1980 und der Brand auf der Fähre "Scandinavian Star"
zehn Jahre später. Geschehnisse, die zwar 123 beziehungsweise 159
Menschenleben kosteten, aber als Unfälle nicht dieselben Gefühle auslösten,
wie die jetzigen Terrortaten.
Nach diesen Attentaten trat ein anderer Jens Stoltenberg an die
Öffentlichkeit, und diese ist dankbar: "Meisterlich", schwärmt die
Tageszeitung Dagbladet. Und auch die anderen Medien sind des Lobes voll.
Mit Tränen in den Augen und zitternder Stimme, aber gleichzeitig Sicherheit
und Entschlossenheit ausstrahlend. "In solchen Situationen ist es vor allem
wichtig, ein Repräsentant der Bevölkerung zu sein und ihren Gefühlen einen
Ausdruck zu verleihen", sagt der Medienwissenschaftler Anders Johansen. Mit
dem, was Stoltenberg gesagt, und den Orten, die er aufgesucht habe, sei er
bislang in vorbildlicher Weise ein solcher "stellvertretender Mitmensch"
gewesen. Dessen Botschaft, nicht Hass und Rache, sondern Mitmenschlichkeit
und Zukunftszuversicht, auch genau den richtigen Ton getroffen habe.
27 Jul 2011
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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