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# taz.de -- Schwimm-WM in Schanghai: So lahm wie ein Trabi
> Für Marco di Carli läuft es nicht gut bei der Schwimm-WM. Genauso wie
> bislang für die ganze deutsche Mannschaft. Nun rückt auch die Arbeit des
> Bundestrainers ins Blickfeld.
Bild: Dumm gelaufen für Marco di Carli. Damit ist er im deutschen Team aber ni…
SCHANGHAI taz | Eigentlich lief für Marco di Carli am Mittwoch alles
wunderbar. Zum Vorlauf über 100 Meter Freistil trat der gebürtige
Niedersachse als Weltjahresbester an - und neben seiner beachtlichen
Vorleistung von 48,24 Sekunden bei der WM-Qualifikation Anfang Juni in
Berlin war nun auch in Schanghai alles für zwei schöne Freistil-Tage
bereitet.
Scheinbar. "Das Gefühl beim Einschwimmen war das beste, das ich in dieser
Halle je hatte", schwärmte di Carli geradezu – als seine morgendliche
Euphorie längst verflogen war.
Denn vom Allerschnellsten war der 26-Jährige zur Nummer 19 der Welt
degradiert worden. Di Carli, der mit dem Schwimmen mehrere Jahre pausiert
und den Neustart vor einigen Monaten gewagt hatte, ging regelrecht unter.
Bei exakt 49,0 Sekunden schlug der Mann von der SG Frankfurt nach zwei
Bahnen Kraul an, verpasste damit sogar das Halbfinale. "Als ich meine Zeit
gehört hab, bin ich fast in Ohnmacht gefallen", sagte er danach.
"Das fing schon scheiße an, und die letzten 50 Meter waren dann
unerträglich hart. Da ist mir meine Technik total flöten gegangen",
rekapitulierte er seinen furchtbaren Vormittag frustriert, nahm sich selbst
aber gleich aus der Schusslinie. "Ich kann mir nichts vorwerfen. Ich hab so
hart trainiert wie nie zuvor. Der Grund für meine Leistungen hier kann also
nur ein Bock im Training gewesen sein", überlegte di Carli. Ein Steilpass,
den Dirk Lange in seiner Erklärungsnot nur allzu gerne aufnahm.
## Bundestrainer im Visier
Auch die Arbeit des Bundestrainers wird nun beargwöhnt. Zwei
Bronzemedaillen des entthronten Doppel-Weltmeisters Paul Biedermann, der –
trotz schwacher Leistung von Britta Steffen – dritte Platz in der
4x100-Meter-Freistilstaffel der Frauen und lediglich vier weitere
Einzelfinals für Steffen Deibler (50 Meter Schmetterling), Helge Meeuw (100
Meter Rücken) sowie die gestrigen Endlauf-Teilnehmer Hendrik Feldwehr
(Vierter über 50 Meter Brust) und Silke Lippok (Achte über 200 Meter
Freistil) – das haben sich die nach der Hightech-Anzug-WM 2009 noch so
stolzen DSV-Chefs für das vorolympische Jahr anders vorgestellt.
Die harten Qualifikations-Normen, die dann doch wieder aufgeweicht wurden,
könnten für Lange nun zum Bumerang werden. Zu seiner Entlastung verweist er
darauf, Heimtrainer wie di Carlis Coach Michael Ulmer extra mit ins Boot
genommen zu haben. Im Prinzip rätselt aber auch Dirk Lange: "Was hier
abgegangen ist, kann ich ad hoc nicht sagen." Voll auf der Höhe war Lange
dafür bei der Beschreibung der Misere. "Im Sprintbereich war das schon ein
kleines Desaster." Lange kennt Di Carli gut, er hat ihn ja selbst einmal
trainiert in Hamburg. Im April 2005 fing Lange dann als Cheftrainer der
südafrikanischen Schwimmer an. Di Carli folgte ihm nach Pretoria, wo der
gute Draht, den die beiden zueinander hatten, jedoch brüchig wurde. Nach
wenigen Monaten kehrte di Carli zurück in die Heimat, Anfang 2006 fing er
bei der SG Frankfurt an. Die pure Lust an Leistung, die di Carli in Jahren
des Dolce Vita später vorübergehend aus seinem Wertekatalog gestrichen
hatte, entdeckte er im letzten Herbst wieder.
## Deutscher Rekord über 100 Meter Freistil
Als er sich, ein schmächtiger 68-Kilo-Hering, eines Tages vor dem Spiegel
erblickte, fand er seine Figur "einfach erbärmlich". So wild, wie er vorher
das Leben genossen hatte, fing er deshalb wieder an zu trainieren – und
raubte Paul Biedermann bei der WM-Qualifikation schließlich den deutschen
Rekord über 100 Meter Freistil.
"Wenn er sagt, sein Ziel ist es, unter 48 Sekunden zu schwimmen, dann wird
er es bei der WM auch machen", prognostizierte Biedermann in Berlin noch
voller Hochachtung für den nun wieder vorlauten di Carli. Seit seinem
Rennen in Schanghai geht di Carlis Mundwerk nicht mehr ganz so schnell.
Dirk Langes Hoffnung ruht nun auf Britta Steffen. Blöderweise fühlte sich
die Doppel-Olympiasiegerin von Peking, die am Donnerstag in die Konkurrenz
über 100 Meter Freistil einsteigt, angesichts ihres Staffel-Tempos am
WM-Starttag an einen "Trabi" erinnert.
27 Jul 2011
## AUTOREN
Andreas Morbach
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