# taz.de -- Schwimm-Olympiasiegerin Britta Steffen: Sie ist jetzt halt mal abge… | |
> Britta Steffen krault, als hätte sie Blei an den Füßen. Nach Vorlaufplatz | |
> 16 über 100 Meter Freistil zieht sie sich von der Weltmeisterschaft | |
> zurück. | |
Bild: Erst mal weg vom Fenster: Britta Steffen. | |
SHANGHAI taz | Die sieben Freistilschwimmerinnen waren längst schon in den | |
Gängen der WM-Arena verschwunden, da stand Britta Steffen noch immer an der | |
dunkelblauen Kunststoffwand am Ausgang. So langsam war die | |
Doppel-Olympiasiegerin von 2008 im vorletzten Vorlauf über 100 Meter | |
Freistil durchs Wasser gepflügt, dass sie nur auf Rang 12 lag. | |
So eine Platzierung kannte die 27-Jährige sonst nur vom Hörensagen – doch | |
nun durften im abschließenden, bestens besetzten zehnten Vorlauf nur noch | |
vier Frauen schneller sein als sie. | |
Beim Anschlag, den Steffen nahezu teilnahmslos in ihrer Ecke verfolgte, | |
waren es dann tatsächlich vier. Steffen, die Titelverteidigerin, war mit | |
zwei Hundertstelsekunden Vorsprung auf die Russin Veronika Popova als 16. | |
ins Halbfinale gerutscht – doch die Schmach war schon jetzt so groß, dass | |
Steffen kurz darauf nach Rücksprache mit Heimtrainer Norbert Warnatzsch | |
entschied: Das wars für mich mit dieser WM. | |
## Keine Titelverteidigung | |
Steffens Zeiten waren zu schwach – erst am Sonntag in der | |
4-x-100-Meter-Freistilstaffel, dann im gestrigen Vorlauf, wo sie ihre trübe | |
Staffelleistung mit 54,86 Sekunden noch weiter eintrübte. "Ihre Formkurve | |
geht nach oben", hatte Bundestrainer Dirk Lange 23 Stunden zuvor in | |
erstaunlicher Verkennung der Lage noch übermittelt. Steffen-Coach | |
Warnatzsch erklärte indessen: "Wir wussten vorher schon, dass es nicht | |
besser geht." Und: "Jetzt ist es an der Zeit, sie zu schützen." | |
Kein Halbfinale also über die zwei Bahnen Kraul gestern Abend. Keine | |
Titelverteidigung über die 50 Meter Freistil, Steffens zweite Goldstrecke | |
von Peking und der Weltmeisterschaft 2009 in Rom. Und auch kein Start in | |
der Lagenstaffel am Samstag. Und das, obwohl sie selbst in einem der | |
dunkelsten Momente ihrer Karriere in völliger Ratlosigkeit beteuerte: | |
"Sobald ich ins Wasser springe, fühle ich mich eigentlich wohl." | |
Eigentlich. Also ging die blonde Berlinerin erst einmal verbal auf Abstand | |
zu sich selbst und überlegte: "Vielleicht muss Britta Steffen auch mal | |
lernen, dass es nicht immer nur gutgeht, wenn man gut vorbereitet ist." Die | |
spannende Frage, was da nicht gepasst habe, konnte sie nicht so recht | |
beantworten. "Körper und Geist" waren es wohl, sinnierte sie. | |
## Persönliche Chinakrise | |
Die Nachbeben ihrer persönlichen Chinakrise bekommt nun vor allem die | |
Lagenstaffel des DSV zu spüren. Freistilschwimmerin Daniela Schreiber, die | |
mit Platz 23 im Vorlauf über 100 Meter ebenfalls maßlos enttäuschte, übte | |
als potenzielle Staffelkandidatin auch deutliche Kritik an Steffens | |
sofortiger Absage. "Ich kann ja verstehen, dass sie andere Zeiten von sich | |
gewohnt ist. Andererseits finde ich es egoistisch zu sagen: Ich starte | |
nicht mehr - und die Lagenstaffel alleinzulassen", monierte die 22-Jährige: | |
"Man ist von ihr gewohnt, dass sie Dinge durchzieht. Ich weiß nicht, ob | |
dass der richtige Schritt war." | |
War es nicht, entschied Franziska van Almsick. Die ARD-Expertin und Steffen | |
funkten noch nie auf einer Wellenlänge. Auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz | |
erklärte van Almsick: "Ich kann das Komplettabbrechen der WM nicht | |
verstehen. Ich hätte erwartet, dass sie als Frontfrau der Schwimmer | |
Verantwortung übernimmt." Denn: "Manchmal muss man auch die Arschbacken | |
zusammenkneifen." | |
## Hartnäckige Viruserkrankung | |
Doch das wollte Steffen nicht. Zu verwirrt war die Schwimmerin, die nach | |
der WM in Rom wegen einer hartnäckigen Viruserkrankung monatelang das | |
Training aussetzen musste und erst bei der WM-Qualifikation Anfang Juni, | |
nach 22 Monaten Abstinenz, wieder einen Wettkampf auf der 50-Meter-Bahn | |
bestritt. Das verpatzte Rennen verglich sie mit einer Klausur, für die man | |
"super gelernt" hat, dann aber das Thema verfehlt. Mit Blick auf die | |
Olympia 2012 sagte sie: "Wenn man nach Niederlagen noch enger zusammenrückt | |
und daraus Größe schöpft, wenn das also die Niederlage war, die für mich | |
vor Olympia noch mal ein Hoch ankündigt, dann bin ich gern bereit, die | |
Situation hinzunehmen." | |
Und bevor Steffen ging, ließ sie van Almsick, die es trotz größter Begabung | |
nie zu olympischem Gold gebracht hat, noch wissen: "Ich habe wahnsinnige | |
Höhen erlebt - und jetzt bin ich halt mal abgetaucht." | |
28 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
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