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# taz.de -- 30 Jahre MTV: Die 80er geprägt, die 90er regiert
> Anfangs gab es viele Pannen, wenige Zuschauer und noch weniger Videos.
> Doch MTV hat sich zu einer soziokulturellen Ikone entwickelt – und wieder
> zurück. Nun wird der Musiksender 30.
Bild: Das erste Musikvideo, das auf MTV lief: "Video killed the Radiostar".
NEW YORK dpa | Der Ritterschlag kam mit den Dire Straits. In [1]["Money for
Nothing"] flötete 1985 Sting "I want my MTV", und dann lästerte Mark
Knopfler ein ganzes Lied über die Musiksender, die die ganze Bandszene
bestimmen würden. DIE Musiksender? Zu der Zeit gab es doch eigentlich nur
einen, und der kam im Text ja auch dauernd vor: MTV hat die Achtziger
geprägt und die Neunziger regiert. Im dritten Jahrzehnt war die Krone weg,
doch MTV ist noch da. Irgendwie. Am 1. August wird das Stück Popkultur 30.
Angefangen hatte alles mit Michael Nesmith, dem Ex-Sänger der "Monkees".
Der bemerkte auf einer Plattentournee in Australien den Vorteil der
Musikvideos: Die Bands müssen für Fernsehshows nicht bei den Sendern sein
und können sich weit besser in Szene setzen als in den Studios. Die Idee
traf auf Gegenliebe bei der Musikindustrie, die - wie sich herausstellte
völlig zu Recht – einen neuen Markt witterte. Und nicht zuletzt boomten
damals gerade die Kabelkanäle in den USA. Nachschub musste her – warum
nicht ein Sender nur mit Musikvideos?
Es war dann ausgerechnet [2]["Video Killed the Radio Star"], das am 1.
August 1981 als erstes MTV-Video über den Sender ging. Mit dabei war ein
Deutscher: Am Keyboard steht der heutige Filmmusikkomponist und
Oscar-Gewinner Hans Zimmer. Doch so viele Killervideos waren noch gar nicht
da. Nicht einmal 170 Kassetten standen damals im MTV-Regal, fast jede
fünfte war von Rod Stewart. Doch jeder wollte sie: die Musiker, die
Plattenfirmen, die Sender – und auch die Zuschauer. Der Musikvideomarkt
wuchs nicht, er explodierte.
Die Veröffentlichung des Videos wurde bald ebenso wichtig wie die des
Liedes. Der Erfolg von Michael Jackson, Madonna oder unzähliger
Eintagsfliegen wäre ohne die Minutenclips kaum denkbar. Und eine ganz neue
Kunstrichtung entstand. So schuf Regisseur John Landis ("Blues Brothers")
für Jacksons [3]["Thriller"] das vielleicht einflussreichste Popvideo der
Musikgeschichte. Duran Duran verfeuerten für [4]["Wild Boys"] mehr als eine
Million Dollar. Und Mark Knopfler sang im ersten computergenerierten Video:
"Money for Nothing".
MTV wurde zu einem Symbol der Popkultur. Wer die Jugend erreichen wollte,
musste auf den quietschbunten Kanal mit den schnellen Schnitten und der
verwackelten Kamera. Zumindest dachte das jeder. "Wir haben festgestellt,
dass der Einfluss gar nicht so groß war, wie jeder dachte", sagt der
Soziologe Klaus Boehnke. Der Professor an der Bremer Jacobs University
hatte schon 1999 den Einfluss des Fernsehens auf die Jugend untersucht:
"Die Jugendlichen haben Orientierung gesucht: Was trägt man? Welche Trends
gibt es? Wie verhält man sich? Da war MTV wichtig, aber es war trotzdem nur
eine Randerscheinung. Der Einfluss wurde von all den Medienkritikern
überschätzt."
## Helden einer ganzen Generation
Und trotzdem wurden die Discjockeys, Pardon, Videojockeys, in den
Neunzigern zu Stars. Eine ganze Schar heutiger Showgrößen hat damals bei
MTV oder den Konkurrenzsendern angefangen, von Stefan Raab über Charlotte
Roche, Heike Makatsch, Oliver Pocher, Christian Ulmen bis Matthias
Opdenhövel. Und Kristiane Backer war die Heldin einer ganzen Generation.
Und das sind nur die Deutschen! MTV war mit seinen dutzenden nationalen
Ablegern praktisch auf der ganzen Welt zu sehen.
Doch das Medium war nicht nur schnell, sondern auch schnelllebig. Musik
allein reichte nicht, MTV zeigte immer mehr Filmchen und dann ganze Serien.
Heute mag der Kanal jugendlicher als andere wirken, ein Musiksender ist er
nicht mehr. Folglich verschwand im letzten Jahr auch das "Musik Television"
aus dem Logo. Und in Deutschland kann den Sender seit Jahresbeginn nur noch
sehen, wer extra zahlt.
Abgesang auf das Musikvideo? Aber nein, sagt der Kunstgeschichtler Henry
Keazor, der Clip sucht nur neue Verbreitungswege: "Er kommt über das
Internet, über das Handy und über Live-DVDs. Der Clip diffundiert." Und
auch Boehnke glaubt, dass Jugendliche auch künftig fernsehen: "Es gibt
heute einfach mehr Angebote. Und die müssen sich das Interesse der
Jugendlichen teilen."
Nur der Coolness-Faktor ist längst weg. Den hat noch die Serie "Two and a
Half Men". Darin sagt Jon Cryer, er und sein Bruder seien nicht mehr so
jugendlich, "so MTV". Der andere, Charlie Sheen, guckt ihn entsetzt an:
"MTV? Sag' mal, haben sie Dich gerade aufgetaut?"
1 Aug 2011
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=aMw4d-xDfK4
[2] http://www.youtube.com/watch?v=4s9wbRm3rCs
[3] http://www.youtube.com/watch?v=oRJk-kLLvFc
[4] http://www.youtube.com/watch?v=gCWyYOOS8FQ
## TAGS
Christian Ulmen
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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