# taz.de -- Grüner Verkehrsexperte zu Linienfernbussen: "Die Schiene wird bena… | |
> Busse dürfen Straßen kostenlos nutzen, während Züge für die Schienen | |
> zahlen müssen, kritisiert der Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer. | |
> Bus-Passagiere haben zudem weniger Rechte. | |
Bild: Bahn muss Maut zahlen, Busse nicht – ungerecht, sagt Michael Cramer. | |
taz: Herr Cramer, die Bundesregierung will im Fernverkehr das Bahnmonopol | |
brechen und Fernbusse zulassen. Freut Sie das? | |
Michael Cramer: Nein, das freut mich nicht, und zwar vor allem deswegen, | |
weil die unfairen Wettbewerbsbedingungen, die gegenüber der Schiene | |
vorherrschen, nun noch mehr zementiert werden. | |
Inwiefern sind die Bedingungen unfair? | |
Seit mehr als 15 Jahren muss EU-weit für den Schienenverkehr eine Maut | |
erhoben werden. Auf der Straße hingegen ist sie eine freiwillige | |
Angelegenheit der Mitgliedstaaten und in der Höhe begrenzt. In Deutschland | |
etwa gilt sie nur für Lkws ab 12 Tonnen und dann auch nur auf Autobahnen. | |
Während eine Lok also für jeden Kilometer eine Maut und für jeden Halt eine | |
Stationsgebühr entrichten muss, ist der Bus davon befreit. Hier wird ganz | |
klar die umweltfreundliche Schiene be- und der motorisierte Verkehr | |
entlastet. | |
Aber müssten die Grünen es nicht begrüßen, wenn eine weitere Alternative | |
zum Individualverkehr angeboten wird? | |
Natürlich begrüßen wir das. Wir sind ja auch nicht prinzipiell gegen | |
Fernbuslinien. Aber die Wettbewerbsbedingungen müssen stimmen. Entweder | |
wird die Maut für die Bahn aufgehoben oder sie gilt auch für Busse. | |
Die Bahn ist zumindest in einigen Bereichen nicht sonderlich | |
kundenfreundlich. Könnte ein wenig Konkurrenz nicht das Geschäft beleben? | |
Ja, natürlich. Aber immerhin sind die meisten Züge behindertengerecht. Das | |
zum Beispiel spielt nun bei der Zulassung von Fernbussen auch keine Rolle. | |
Was in den Fernbussen etwa in den USA völlig selbstverständlich ist, findet | |
sich im Entwurf der Bundesregierung mit keiner Zeile wieder. So viel zur | |
Kundenfreundlichkeit. Aber zu Ihrer Frage: Ich setze mich ja für mehr | |
Wettbewerb ein - aber innerhalb des Schienennetzes. | |
Was heißt das konkret? | |
Ich kritisiere zum Beispiel, dass die Bahn den nicht bundeseigenen | |
Schienenunternehmen höhere Stromkosten auferlegt. Wenn es das Ziel der | |
Fernbusse ist, den Verkehr weg von Pkws zu lenken, dann finde ich das auch | |
gut. Aber selbst die Busunternehmen gehen davon aus, dass sie 20 Prozent | |
der Bahnkunden abwerben. Und das halte ich für falsch. | |
Viele Strecken möchte die Bahn aus Gründen der Rentabilität nicht anbieten. | |
Können Fernbusse diese Lücken nicht füllen? | |
Natürlich können sie das. Aber ich sehe eine Gefahr: Die Bahn sagt, wir | |
müssten eigentlich die Strecke von Nürnberg nach Prag sanieren. Nun sollen | |
aber Linienbusse eingesetzt werden. Das sei ja viel billiger. Wenn es nur | |
nach der Rendite geht, ist der Bus tatsächlich billiger, weil die | |
Straßennutzung der Steuerzahler in der Gesamtheit übernimmt, während bei | |
der Schienennutzung der Fahrgast zu einem großen Teil mitbezahlt. Das ist | |
aber unfair. | |
Wie sieht es bei der CO2-Bilanz pro Fahrgast aus? Da stehen Fernbusse doch | |
gar nicht so schlecht dar. | |
Es kommt auf die Berechnung an: Wenn der Bus voll besetzt ist, ist der | |
CO2-Ausstoß pro Kopf ganz gut, vor allem wenn man das mit dem Pkw | |
vergleicht. Wenn ein Zug weitgehend leer ist, fällt die CO2-Bilanz negativ | |
aus. Für bestimmte Strecken in einigen Regionen befürworte ich die | |
Einführung von Linienbussen auch. Aber wenn jetzt auf einer bestehenden | |
Strecke, die saniert werden müsste, nun Busse eingesetzt werden, dann halte | |
ich das für eine falsche Entscheidung. | |
Ein klarer Vorteil der Bahn: Bei Verspätungen werden Kunden entschädigt. | |
Wie sieht es bei Fernbussen aus? Immerhin kommt bei ihnen auch das | |
Staurisiko auf Autobahnen hinzu. | |
Wir hatten bei den Fahrgastrechten europaweit durchgesetzt, dass beim | |
Schienenfernverkehr ab 50 Kilometer bei Verspätungen ab einer Stunde 25 | |
Prozent des Fahrpreises zurückgezahlt wird, ab zwei Stunden Verspätung ist | |
es die Hälfte. Bei Fernbussen soll es eine solche Entschädigung erst ab 250 | |
Kilometer geben. Auch hier gilt wieder: eine klare Bevorzugung der | |
Fernbusse. | |
4 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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