# taz.de -- Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch: IWF-Chefin unter Verdacht | |
> Gegen die ehemalige französische Finanzministerin Lagarde wird wegen | |
> Amtsmissbrauchs ermittelt. Leicht hat es sich das Gericht mit dieser | |
> Entscheidung nicht gemacht. | |
Bild: Kann sich auf eine langwierige Prozedur einstellen: IWF-Chefin Christine … | |
PARIS taz | Gegen die frühere französische Wirtschafts- und | |
Finanzministerin und neue IWF-Chefin Christine Lagarde wird in Paris eine | |
gerichtliche Strafuntersuchung wegen Amtsmissbrauchs zur Begünstigung des | |
Geschäftsmanns Bernard Tapie eingeleitet. Fast fünf Stunden hatten die | |
Mitglieder der für Vergehen von Regierungsmitgliedern zuständigen | |
Sonderinstanz Cour de Justice de la République (Gerichtshof der Republik) | |
debattiert, bevor sie am Donnerstag ihren Entscheid bekannt gaben. | |
Die lange Dauer lässt vermuten, dass die Kommission Mühe hatte, sich auf | |
eine gemeinsame Stellungnahme in dieser politisch heiklen Affäre zu | |
einigen. Der Entscheid öffnet nun den Weg zu einer langwierigen Prozedur, | |
an deren Ende Lagarde sich je nach Ergebnis vor einem aus zwölf | |
Parlamentariern und drei Kassationsrichtern zusammengesetzten Gericht | |
verantworten müsste. Bisher fanden seit 1993 sechs Verfahren vor dem | |
Gerichtshof der Republik statt. Bislang wurde nur ein Staatssekretär wegen | |
Unterschlagung von staatlichen Subventionen zu einer Haftstrafe auf | |
Bewährung verurteilt. | |
Eine unmittelbare Konsequenz für Lagarde als IWF-Chefin dürfte das | |
Verfahren vorerst nicht haben. Bei ihrer Kandidatur für diesen Posten, der | |
durch den Rücktritt ihres skandalumwitterten Landsmanns Dominique | |
Strauss-Kahn frei geworden war, hatte Lagarde nicht verheimlicht, dass ihr | |
in Paris eine solche Untersuchung drohte. Da die Vorwürfe der Begünstigung | |
gegenstandslos und unhaltbar seien, rechne sie keinesfalls mit einer | |
Verurteilung, hatte sie in den letzten Wochen mehrfach erklärt. Ganz und | |
gar nicht dieser Meinung sind die neun sozialistischen Abgeordneten, die | |
gegen sie Klage eingereicht hatten. | |
Hintergrund des Verfahrens ist ein Streit um den Verkauf von Adidas an die | |
Bank Crédit Lyonnais. Bernard Tapie sah sich durch die staatliche Bank | |
geprellt und zog vor Gericht. Nach jahrelangem Verfahren schaltete Lagarde | |
ein Schiedsgericht ein, das Tapie einen Schadenersatz von insgesamt 390 | |
Millionen Euro zusprach. Das war umso überraschender, als zuvor die Justiz | |
gegen Tapies Forderungen entschieden hatte. Nach der Rückzahlung alter | |
Schulden blieben Tapie rund 250 Millionen Euro. | |
Besonders vorteilhaft für ihn war es, dass das Schiedsgericht Tapie eine | |
steuerfreie Wiedergutmachung von 50 Millionen Euro zusprach. Weil Tapie | |
sich kurz zuvor sehr für die Wahl von Nicolas Sarkozy eingesetzt hatte, | |
vermutet die linke Opposition hinter diesem fast unerwartet günstigen | |
Ausgang von Tapies Streit mit der Staatskasse auch einen politischen | |
Dienst. Tapie muss sich übrigens um seinen zurückgewonnenen Reichtum keine | |
Sorgen machen. Das oberste Verwaltungsgericht hat am 26. Juli eine | |
Beschwerde abgewiesen. Damit können ihm die 390 Millionen Euro nicht mehr | |
streitig gemacht werden. Bei Lagarde geht es nur noch darum, ob sie als | |
Ministerin ein Delikt begangen hat, als sie den Schiedsspruch förderte, der | |
Tapie nach seinem Konkurs wieder zu einem reichen Mann gemacht hat. | |
4 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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