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# taz.de -- Die Börsen tief im Minus: Wohin mit dem vielen Geld?
> Weltweit hat sich eine Vermögensblase gebildet. Wohin dieses Kapital
> fließen könnte – und was volkswirtschaftlich sinnvoll und hilfreich wäre.
Bild: ... falls man es übrig hat.
Die Aktienkurse sind in der vergangenen zwei Wochen weltweit abgestürzt.
Allein der deutsche Index DAX büßte mehr als 1.000 Punkte ein und lag am
späten Freitagnachmittag bei knapp 6.300 Punkten.
Diese rasanten Verluste bringen Anleger ins Grübeln – und zwar nicht nur
die Millionäre. Auch Kleinsparer fragen sich, wie sie ihr Vermögen anlegen
sollen.
Diese Ratlosigkeit ist berechtigt, denn weltweit herrscht ein
Anlagenotstand, weil zu viel Kapital rund um den Globus schwirrt. Das
Finanzvermögen ist in den vergangenen Jahrzehnten weit stärker gewachsen
als die Realwirtschaft. Da ist es schwierig, noch eine renditestarke
Investition zu finden. Stattdessen hat sich eine "Vermögensblase"
aufgepumpt.
Fast alle Sachgüter sind inzwischen überbewertet - dies gilt nicht nur für
Aktien, sondern auch für Immobilien, Gold und deutsche Staatsanleihen.
Wohin also mit dem Geld? Eine einfache Lösung gibt es nicht.
## Aktien: überbewertet
Es könnte eine Chance sein, dass die Aktienkurse gerade eingebrochen sind.
Schließlich gehört es zu den altbewährten Anlegerweisheiten, dass man sich
"antizyklisch" verhalten soll.
Wer nicht mit der Herde trabt, hat die besten Aussichten auf Gewinn. Genau
dieses Kalkül scheint schon einige Anleger zu treiben. Am Freitag verlor
der DAX nur wenig. Einziges Problem an dieser "antizyklischen" Taktik: Man
muss den richtigen Moment abpassen, und der könnte noch nicht gekommen
sein.
Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Aktienkurse bald erneut
nachgeben und dann für längere Zeit im Keller verharren. Denn auch nach dem
jetzigen Kurssturz könnten die Aktien noch immer deutlich überbewertet
sein.
Der Grund: Die Aktienpreise spiegeln stets die voraussichtlichen Gewinne
wider, die die Investoren den Unternehmen zutrauen. Bei diesen
Kalkulationen herrschte aber in den vergangenen Monaten allzu großer
Optimismus. So wurde erwartet, dass die Firmen in diesem und im nächsten
Jahr eine Umsatzrendite nach Steuern von 7,5 bis 8 Prozent erwirtschaften
würden - dabei sind im historischen Mittel eher 2 bis 4 Prozent üblich.
## Gold: nicht wertbeständig
Während die Aktienrallye vorerst zu Ende ist, steigt der Goldpreis
unverändert weiter, fast täglich erreicht er eine neue Rekordmarke. Am
Freitag kostete Gold 1.659 Dollar pro Unze. Vor einem Jahr waren es knapp
1.200 Dollar.
Trotzdem ist Gold keine wirklich gute Investition. Der Grund ist banal: Es
wirft keine Zinsen ab - und wertbeständig ist es auch nicht. Zwar glauben
die meisten Anleger, sie könnten sich mit einem Goldbarren gegen die
Inflation absichern, aber dabei übersehen sie einmal mehr den Herdentrieb.
Wer jetzt Gold kauft, tut dies, weil es alle kaufen und der Preis steigt.
Dieses gleichgeschaltete Verhalten lässt vermuten, dass später alle
gleichzeitig verkaufen wollen, was den Kurs dann einbrechen lassen wird.
## Immobilie: Klumpenrisiko
Die realen Häuserpreise sind in Deutschland zwei Jahrzehnte lang nicht
gestiegen. Das ist vorbei. Aus allen Ballungszentren wird gemeldet, dass
Wohnungen und Häuser sprunghaft teurer werden, weil sich immer mehr Anleger
vor einer Inflation schützen wollen - und bereit sind, dafür jeden Preis zu
zahlen.
Es ist jedoch riskant, Immobilien zu erwerben. Denn wie der Name schon
sagt: Sie sind nicht mobil. Anders als Gold oder Aktien können sie nicht
jederzeit abgestoßen werden. Es handelt sich um ein "Klumpenrisiko": Sehr
viel Geld wird in ein einziges Objekt investiert. Wenn es schiefgeht, dann
gründlich.
Bei vermieteten Immobilien stellt sich zudem das Problem, dass die Mieten
nicht beliebig angehoben werden können, nur weil die Hauspreise in die Höhe
schießen. Dafür sorgen der Mieterschutz und auch ökonomische Zwänge: Wenn
die Zahl der Arbeitslosen zunimmt und die Löhne stagnieren, können
Wohnungen und Büros nicht deutlich teurer werden. Wer sollte dann noch
einziehen? Daher sind Immobilien gerade für den Normalverdiener eher ein
Liebhaberobjekt: Er sollte sie nur erwerben, wenn er selbst darin wohnen
möchte.
## Schatzbrief: reizlos
Früher war alles einfach: Wer nicht wusste, wohin mit seinem Ersparten, der
kaufte einen Bundesschatzbrief, also eine deutsche Staatsanleihe. Denn beim
deutschen Staat schien das Geld sicher zu sein, und außerdem waren die
Zinsen ganz ordentlich - zumindest lagen sie deutlich über der
Inflationsrate.
Doch dieser bequeme Ausweg ist inzwischen versperrt, weil ein
Bundesschatzbrief nur noch Verluste beschert. Die Zinsen sind inzwischen so
niedrig, dass die Geldentwertung nicht mehr ausgeglichen wird. Selbst bei
10-jährigen deutschen Staatsanleihen beläuft sich der Realzins inzwischen
auf null.
Dieses seltsame Phänomen ist leicht zu erklären: Nicht nur deutsche Sparer
fragen sich, wo ihr Geld wohl sicher ist. Weltweit sind die Investoren auf
der Suche, und ihnen allen fällt dieselbe Adresse ein: der deutsche Staat.
Also kann es sich die Bundesregierung erlauben, nur Niedrigstzinsen zu
bieten, und trotzdem gehen ihre Staatsanleihen innerhalb von Sekunden weg.
Von diesem Run profitieren die Bundesbürger immerhin indirekt - als
Steuerzahler. Schließlich kann die Bundesregierung ihre Schulden derzeit
zum Nulltarif finanzieren.
## Anleihen: schwierig
Wie groß der weltweite "Anlagenotstand" ist, zeigen auch die kursierenden
Geheimtipps. So empfehlen Analysten jetzt gern, man solle
Unternehmensanleihen kaufen, denn die seien sicherer als etwa die
Staatsanleihen von Italien oder den USA. Doch der Erfolg dürfte an der
Realität scheitern: Es gibt keine Trennung zwischen einer Privatwirtschaft
und den öffentlichen Finanzen.
Wenn Regierungen sparen müssen oder gar in den Staatsbankrott treiben, dann
leidet immer auch die private Wirtschaft - und zwar weltweit. Genau
deswegen stürzen doch jetzt die Aktienkurse ab: Die Investoren haben
verstanden, dass der Sparkurs der USA die globale Konjunktur dämpft.
## Schulden: riskant
Die Idee klingt naheliegend: Wenn jede Vermögensanlage riskant ist -
vielleicht sollte man dann lieber Schulden machen? Zumal ja die Zinsen so
niedrig liegen, dass Kredite gar nicht teuer sind. Besonders beliebt ist
dieser Einfall bei Mietern, die gern ein Eigenheim besitzen würden, aber
nicht genug Erspartes haben, um eine Immobilie zu finanzieren.
Aber es gibt keinen "Free Lunch", wie es an den Börsen heißt. Jede
Anlagestrategie hat ihren Preis. Für die werdenden Eigenheimbesitzer
bedeutet dies: Die niedrigen Zinsen sind bei den Immobilien bereits
"eingepreist". Gerade weil Kredite so billig zu haben sind, steigt die
Nachfrage nach Häusern und Wohnungen - was deren Kosten nach oben treibt.
Zudem geht jeder Schuldner das Risiko ein, dass die Zinsen wieder steigen
und der Kredit dann teurer wird. Letztlich gilt auch für
schuldenfinanzierte Immobilien, was auf alle Häuser oder Wohnungen
zutrifft: Man sollte sie selbst bewohnen und als Liebhaberobjekt
betrachten, nicht als sichere Renditequelle.
## Wachstum: hilft
Die Ratlosigkeit der Anleger ist also zu verstehen: Nirgendwo gibt es
sichere Renditen. Denn sie sind nur möglich, wenn die Wirtschaft wächst.
Stagniert die Konjunktur jedoch, dann können zwar Einzelne Gewinn machen -
aber nur auf Kosten von anderen, die gleichzeitig Verluste verbuchen. Aber
wie lässt sich Wachstum erzeugen?
Der sicherste Weg wäre, was gerade Großanleger gar nicht gern hören: Die
Löhne müssten steigen und ebenso die Steuern für die Spitzenverdiener.
Damit die Massen und der Staat konsumieren können - also Nachfrage
erzeugen.
Ansonsten droht die Vermögensblase zu platzen.
5 Aug 2011
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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