# taz.de -- Reform Pflegeversicherung: Minister schindet Zeit | |
> Gesundheitsminister Bahr drückt sich vor der Umsetzung der Pflegereform. | |
> Plötzlich sollen neue Beratungen nötig sein, bevor Demente mehr Hilfe | |
> bekommen. | |
Bild: Mehr Hilfe? Demenzkranke müssen sich gedulden. | |
BERLIN taz | Der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, Jürgen | |
Gohde (parteilos), will das Bundesgesundheitsministerium erneut bei der | |
geplanten Pflegereform beraten. "Ich fordere das Ministerium auf, den | |
Pflegebeirat schnellstmöglich wieder einzusetzen", sagte Gohde am Mittwoch | |
in Berlin. In etwa zehn Monaten könne er dann empfehlen, wie die | |
angestrebte Besserstellung von Dementen in der Pflegeversicherung umgesetzt | |
werden könne. | |
Bereits unter der großen Koalition hatte Gohde den Pflegebeirat geleitet, | |
der in Gutachten und zwei ausführlichen Berichten 2009 zu dem Schluss | |
gekommen war, dass der Pflegebedürftigkeitsbegriff in einer zunehmend | |
alternden und dementen Gesellschaft dringend reformiert werden müsse: | |
Danach seien Pflegeleistungen nicht länger ausschließlich aufgrund | |
körperlicher Gebrechen zu gewähren, sondern müssten auch Geisteszustand, | |
Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe berücksichtigen. | |
Bis zu 3,5 Milliarden Euro, so die Berechnungen des Beirats, würde die | |
Besserstellung der Dementen kosten. Damit, so Gohde im Januar gegenüber der | |
taz, sei "wissenschaftlich" alles definiert. Was fehle, kritisierte er | |
damals, sei die politische Umsetzung. | |
Umso überraschender klingen Gohdes jüngste Äußerungen: Danach sind die | |
Beiratsberichte zwar "unbestritten", zugleich aber sollen sie plötzlich | |
Fragen unbeantwortet lassen: wie etwa ein neues Begutachtungsverfahren und | |
dessen EDV-Umsetzung aussehen könnten, wie Bedarfsgrade zu definieren | |
seien, wie das Verhältnis ambulanter und stationärer Versorgung aussehen | |
solle. Es gehe um konkrete "Umsetzungsfragen". | |
Das Gesundheitsministerium bestritt, an Jürgen Gohde herangetreten zu sein | |
oder ihn bereits beauftragt zu haben. Sein Rat werde aber stets geschätzt. | |
Übersetzt heißt das: Gohde kann davon ausgehen, den Zuschlag zu bekommen. | |
Tatsächlich wäre die erneute Einsetzung des Pflegebeirats für den | |
FDP-Gesundheitsminister ein Coup: Daniel Bahr drückt sich seit Monaten um | |
die politische Aussage, ob und wie der Pflegebedürftigkeitsbegriff | |
umgesetzt wird und vor allem wie viel Geld er dafür ausgeben will. Er | |
gewönne so weitere Zeit, die Pflegereform zu verzögern. | |
24 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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