# taz.de -- "Burning Man"-Festival in Nevada: Ein Auto namens Magic Mushroom | |
> Wenn ab Montag 50.000 Menschen in der Wüste Nevadas das "Burning | |
> Man"-Festival feiern, ist Chris Curtis mit seinem umgebauten Golf Caddy | |
> dabei. | |
Bild: Chris Curtis in seinem "Mutant-Car" Magic Mushroom. | |
Einundfünfzig Wochen im Jahr führt Chris Curtis ein bürgerliches Leben, | |
durch und durch. Er arbeitet bei der Computerfirma Hewlett-Packard in San | |
Diego, USA; Fachbereich: Vertrieb. In der verbleibenden Woche aber, immer | |
wieder Ende August, verwandelt sich Curtis in "Silver by Night". | |
Dann tauscht er Businesskleidung gegen Raumfahrtdecken, sein schickes Haus | |
in kalifornischer Hanglage gegen ein Zelt in der Wüste und seinen Toyota | |
Pick-up gegen ein grell leuchtendes Gefährt mit Batterieantrieb und bunten | |
Pilzen drauf, das er Magic Mushroom nennt. Nächste Woche ist Curtis ein | |
Teil des "Burning Man"-Festivals. | |
Mit seinem possierlichen "Mutant Car", einem ehemaligen Golf Caddy, wird er | |
dann durch eine Zeltstadt rollen. Sein Mutantenauto wird blinken und | |
glitzern, die Plastikpilze werden im Schwarzlicht erscheinen. Vier Leute | |
können sich in Curtis Magischem Pilz gegenübersitzen. Und wie jedes Jahr | |
werden viele Festivalbesucher mit ihm dort sitzen, die Curtis eigentlich | |
gar nicht kennt. | |
Auch sie werden auf Fantasienamen hören, bunte Kostüme tragen - oder nur | |
Farbe auf dem Körper. Beim Herumrollen könnte Curtis dann einem riesigen | |
Hexenhaus auf Rädern begegnen, einem motorisierten Hai oder einer | |
kriechenden Riesenameise. Und am Ende der Woche verbrennt im Zentrum des | |
Geländes eine 25 Meter hohe Holzstatur, der Burning Man selbst. | |
Noch steht Curtis auf der Terrasse seines Hauses in San Diegos Stadtteil | |
University Heights. Er ist 50 Jahre alt. Graues Haar, freundliche Augen, | |
schlichtes blaues T-Shirt. Keine Verkleidung. Ein Partyfreak sieht anders | |
aus. | |
Aber Curtis wird feiern nächste Woche, zwischen den 50.000 anderen, 350 | |
Kilometer östlich von San Francisco. Es ist das erste Mal, dass das | |
Festival ausverkauft ist. Und es wird ein Jubiläum gefeiert: Seit 25 Jahren | |
gibt es Burning Man in diesem Jahr. | |
## Für viele ist es der "größte Spielplatz für Erwachsene" | |
Für manche ist das Festival ein Woodstock der Neuzeit mit Party und Rausch, | |
für einige ein Kunstfestival, für andere die Grenzerfahrung, eine Woche bei | |
extremen Temperaturen in einer Wüste zu leben. Viele Teilnehmer beschreiben | |
das Gelände als den "größten Spielplatz für Erwachsene". Für wieder andere | |
bedeutet Burning Man vor allem ein spirituelles Erlebnis - und Abschalten | |
vom Alltag. "Mich reizt die Mischung aus Ungehorsam und Kreativität", sagt | |
Chris Curtis auf seiner Terrasse. Er gehört zu den Älteren, die dort | |
feiern. Die meisten Besucher sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, viele von | |
ihnen kommen aus der kreativen Szene San Franciscos. | |
Ihren Ursprung hat die Veranstaltung im Jahr 1986, als sich ein Mann namens | |
Larry Harvey am Abend seiner Trennung von seiner Freundin mit Freunden am | |
Bakers Beach in San Francisco traf. Um sich von seinem früheren Leben zu | |
verabschieden, verbrannte er einen in Benzin getränkten Holzmann. Feuer und | |
Rauch waren weithin zu sehen, und der ganze Strand lief zusammen, andächtig | |
staunend. So weit die Legende. Harvey wiederholte sein spontanes Ritual im | |
folgenden Jahr. Und im darauf folgenden. Aus dem Gag war ein Event | |
geworden. Es kamen mehr Besucher, bald war der Strand zu klein. Man zog in | |
die Wüste von Nevada - und blieb. | |
Harvey vergaß seine Exfreundin - und noch heute wollen viele Besucher | |
Erinnerungen hinter sich lassen. So wird am Ende der Woche nicht nur der | |
Mann verbrannt, sondern auch ein Holztempel. Wer möchte, kann dort Dinge | |
hineinlegen, die für einen Abschied stehen. "Das ist ein sehr ruhiger | |
Moment", sagt Chris Curtis. | |
Er wird in diesem Jahr zum neunten Mal in Folge dabei sein. Schon fünfmal | |
ist seine Frau mit ihm in die Black-Rock-Wüste gefahren. In diesem Jahr | |
kommt auch die zehnjährige Tochter mit. Und selbst sein Vater war zweimal | |
beim Burning Man. Im vergangenen Jahr ist er gestorben. Nun will sich | |
Curtis auf dem Fest von ihm verabschieden. Zwei Figürchen, die der Vater | |
einst gebastelt hat, will er am letzten Tag mit in den Tempel legen. | |
Ist das Burning-Man-Festival politisch? Nein, im Gegenteil: Politisches | |
soll an den sieben Tagen ausdrücklich keine Rolle spielen. Auch | |
Kommerzielles hat keinen Platz beim Burning Man. Außer den Eintrittskarten | |
wird auf dem Gelände nichts verkauft. Verpflegung darf und muss selbst | |
mitgebracht werden, auch die Zelte und alles, was sonst gebraucht wird. Die | |
Besucher versuchen zudem, Kleidung ohne Markenlogos zu tragen. | |
Außer den etwa 500 registrierten Mutant Cars sind Autos auf dem Gelände | |
nicht zugelassen. "Das Winzige, was man fahren darf, ist ein Fahrrad - oder | |
Kunst", sagt Curtis. Was Kunst ist, bestimmen die Veranstalter. "Autos, die | |
bloß geschmückt sind, werden nicht erlaubt", sagt Curtis. "Es muss eine | |
Eigenkreation sein." Auch gelten strenge Umweltschutzregeln: Wenn die | |
Behörden nach dem Festival mehr Müll finden, als in einen Würfel mit 30 | |
Zentimeter Kantenlänge passt, droht den Veranstaltern der Lizenzentzug. Die | |
Auflagen werden an die Teilnehmer weitergegeben. | |
Bei seinem Arbeitgeber Hewlett-Packard ist Chris Curtis einer von wenigen, | |
die das Festival besuchen. Trotzdem erzählt er seinen Kollegen von der | |
Woche, in der alles anders ist. "Ich nehme ja keine Drogen oder so", sagt | |
er. Für Curtis ist es einfach die 52. Woche. Die, in der er Energie fürs | |
ganze Jahr bekommt. | |
27 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
## TAGS | |
Israel | |
Ikea | |
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