# taz.de -- Linkspartei-Chef Klaus Lederer: "Uns steht das Wasser nicht bis zum… | |
> Es läuft nicht rund für die Linke, der Weg in die Opposition droht. Ihr | |
> Vorsitzender Klaus Lederer erklärt, wie die Partei in die Offensive gehen | |
> will - und was er von Briefen an Fidel Castro hält | |
Bild: Von Wasser bis zum Hals keine Spur, dafür seltsames grünes Gemüse: Kla… | |
taz: Herr Lederer, mal ehrlich: Opposition ist auch was Schönes. | |
Klaus Lederer: Spaß ist an dieser Stelle nicht das Entscheidende. Natürlich | |
ist es anstrengend, sich mit der SPD über komplizierte Sachfragen zu | |
streiten - offen oder hinter verschlossenen Türen. Wir hatten das bei den | |
Kosten der Unterbringung im Hartz-IV-Bereich, beim öffentlich geförderten | |
Beschäftigungssektor und in vielen anderen Fragen. Entscheidend ist, ob man | |
am Ende etwas durchsetzen kann. Egal ob nun aus der Regierung heraus oder | |
als Opposition, hängt es auch davon ab, ob die Linke gestärkt wird. | |
Gab es tatsächlich keinen Moment, wo Sie dachten: Ich hab das jetzt satt, | |
selbst die Erfolge der Linken beansprucht Klaus Wowereit für sich? | |
Ich wünsche mir manchmal von meiner Partei ein bisschen mehr | |
Selbstbewusstsein in der Öffentlichkeit. Warum spielen wir da nicht mit | |
verteilten Rollen? Auf der einen Seite Politik in der Regierung | |
durchsetzen, auf der anderen in der Öffentlichkeit Druck machen. Da wünsche | |
ich mir mehr Schwung, etwas mehr Kampfgeist. Außerdem kann Opposition auch | |
versauen … | |
Inwiefern? | |
Wenn ich mir ansehe, mit welcher Doppelzüngigkeit im Abgeordnetenhaus | |
Oppositionsparteien agieren. Da werden 400 Lehrerstellen zusätzlich | |
gefordert, 200 Polizisten mehr, und gleichzeitig soll wieder eine | |
Viertelmilliarde eingespart werden. | |
Wie viel Prozent geben Sie denn einer Fortsetzung von Rot-Rot nach dem 18. | |
September? | |
Derzeit liefern sich Schwarz-Grün und Rot-Rot ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ich | |
räume aber gerne ein, dass unsere Partei deutlich zulegen muss, damit wir | |
in möglicherweise anstehenden Koalitionsverhandlungen in der Lage sind, mit | |
einem gewissen Gewicht politische Inhalte einzubringen. | |
Wie wollen Sie das bewerkstelligen? | |
Wir müssen thematisch in die Offensive gehen. Unseren Anteil an den | |
Erfolgen dieser Koalition unterstreichen und deutlich machen, dass es nur | |
mit uns sozial weitergeht. Das ist das Gegenteil des Schnappiwahlkampfs der | |
SPD. Da sind die Finanzmärkte aus den Fugen … | |
… und die Linkspartei profitiert nicht davon. | |
Weil wir mit Debatten konfrontiert werden, von denen wir glaubten, sie | |
seien überwunden. Das ärgert mich. | |
2006 hatte die Linke 13,6 Prozent. Alle Umfragen der letzten Wochen sehen | |
Ihre Partei darunter, nach eine Umfrage gibt es gar nur noch 8 Prozent. | |
Offensichtlich sind viele Wähler gerade auf SPD und Grüne orientiert. Das | |
ist eben die Personalisierung des Wahlkampfs auf Wowereit und Künast. | |
Einspruch: Vor einiger Zeit sagte Ihr Spitzenkandidat Harald Wolf, nun, da | |
das Duell entschieden sei, spielten auch die Themen wieder eine Rolle. | |
Da sind wir dabei. Es ist aber nach wie vor schwer, mit den Inhalten | |
durchzudringen. Auf der anderen Seite wird vielen Wählerinnen und Wählern | |
auch erst jetzt bewusst, dass die Wahl vor der Tür steht. Das ist auch | |
unsere Chance. Vor allem bei den Unentschlossenen. | |
Als die Bundesvorsitzenden der Linken, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, in | |
einem Geburtstagsbrief Fidel Castro huldigten, war vom Spitzenkandidaten | |
dazu nichts zu hören. Wie hilfreich ist denn Harald Wolf in diesem | |
Wahlkampf? | |
Wir haben eine Arbeitsteilung. Harald Wolf hat als Wirtschaftssenator ein | |
hohes Ansehen und hat für die Stadt Enormes geleistet. Da muss er sich | |
nicht zu jedem Fauxpas der Partei äußern. Das fällt in mein Ressort, und | |
ich tue es auch - auch zum Brief an Fidel Castro. | |
Sie haben gesagt, dass es Ihnen bis hier oben stehe. | |
Ich verstehe unter Solidarität und Internationalismus konkrete | |
Unterstützung und nicht, Staatsführern unkritisch zu huldigen. Wir werden | |
immer wieder mit Themen konfrontiert, die mehr den Charakter von | |
Selbstbeschäftigung haben, als dass sie eine Auseinandersetzung wären mit | |
den realen Sorgen der Leute und ihren Erwartungen an linke Politik. Also | |
Rekommunalisierung der Netze oder das Recht auf Stadt. | |
Dem Absturz der Linken auf 8 Prozent ging eine Umfrage voraus, die in den | |
Tagen vor dem 13. August geführt wurde, also zum 50. Jahrestag des | |
Mauerbaus. | |
Bis zum Dezember letzten Jahres waren wir immer stabil bei 15, 16, 17 | |
Prozent. Offenbar haben die massiven Selbstbeschäftigungsprozesse nicht nur | |
die eigenen Mitglieder irritiert, sondern auch Wählerinnen und Wähler. Die | |
wollen wissen, ob die Positionen, die sich die Linke zum real existierenden | |
Sozialismus und zum Thema Menschenrechte erarbeitet hat, nach wie vor | |
gelten. | |
Hatte das auch Auswirkungen auf den Wahlkampf? | |
Es haben viele berichtet, dass sie zuletzt vor zehn Jahren so massiv als | |
Mauermörder beschimpft wurden. Das hat bei den Mitgliedern auch Sorgen und | |
Ängste bezüglich unserer Haltung ausgelöst. | |
Würde die Tendenz zur Beschäftigung mit sich selbst zunehmen, wenn die | |
Linke nach den Wahlen auf der Oppositionsbank Platz nehmen müsste? | |
In Berlin haben wir schon in den Neunzigern Oppositionspolitik gemacht, | |
ohne nur die Backen aufzublasen. | |
Damals hießen die Bundesvorsitzenden auch nicht Lötzsch und Ernst. | |
Wir als Landesverband treten mit dem Anspruch an, die Probleme der Stadt | |
und der Berlinerinnen und Berliner anzugehen. | |
Sie schließen also Klassenkampfparolen auch für den Fall der Opposition | |
aus. | |
Wir machen hier eine gute Stadtpolitik. Ich habe keinen Grund, daran zu | |
zweifeln, dass wir das fortsetzen - ob in der Regierung oder in der | |
Opposition. | |
Sie haben als Grund der derzeitige Misere einmal die Konzentration der | |
Öffentlichkeit auf Klaus Wowereit und Renate Künast genannt, dann die | |
Beschäftigung in Ihrer Partei mit sich selbst. Es scheint, als stünde Ihnen | |
das Wasser bis zum Hals. | |
Uns steht das Wasser nicht bis zum Hals. | |
Auf einem Ihrer Plakate steht: Mieter vor Wild-West schützen. Dazu hatten | |
Sie in der Regierung zehn Jahre lang Zeit. | |
Wir waren 2006 die einzige Partei, die weitere Verkäufe kommunaler | |
Wohnungsbestände ablehnte, und haben das gegen die SPD durchgesetzt. Ebenso | |
die Verlängerung des Kündigungsschutzes bei Eigentumswohnungen. Das Thema | |
Verbot von Zweckentfremdung von Wohnraum als Ferienwohnungen haben wir auf | |
die Agenda gebracht. Wir machen Druck, dass die landeseigenen | |
Wohnungsbaugesellschaften nicht auf Maximalrendite getrimmt werden, sondern | |
endlich ihrer Steuerungsfunktion gerecht werden können. Leider stellen wir | |
nicht die Stadtentwicklungssenatorin. | |
Wäre es nicht ein starkes Signal gewesen, im Bauausschuss mit den Grünen | |
für das Zweckentfremdungsverbot zu stimmen? | |
In der Koalitionsvereinbarung steht, dass die Koalitionspartner nicht | |
gegeneinander abstimmen. Das sorgt dafür, dass auch die SPD nicht alles | |
durchdrücken kann, beispielsweise eine Verlängerung der Autobahn schon vor | |
der Wahl. | |
Wie sieht der Endspurt im Wahlkampf der Linken aus? | |
Es wird noch einen Wählerbrief geben, der alle Haushalte erreichen soll. | |
Wir intensivieren den Straßenwahlkampf. Wir setzen weiter auf Themen. Im | |
Mittelpunkt steht die Lebenssituation der Berlinerinnen und Berliner - und | |
wie man sie verbessern kann. | |
Wird es gemeinsame Auftritte von Ihnen mit Gesine Lötzsch und Klaus Ernst | |
geben? | |
Wir werden mit allen Akteuren aus der Bundespolitik auftreten - auch mit | |
Oskar Lafontaine und Gregor Gysi. Wir haben da aber deutlich gemacht, dass | |
wir die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Partei und die Bewertung von | |
Ereignissen in der Vergangenheit auf die Zeit nach dem 18. September | |
vertagen wollen. | |
27 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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