# taz.de -- Neonazi-Wahlkampf: Der nette Herr Pastörs von der NPD | |
> Als NPD-Hochburg im Norden galt immer Ostvorpommern. Aber auch zwischen | |
> Hamburg und Schwerin haben die Rechtsradikalen sich etabliert - und | |
> treten öffentlich wie eine bürgerliche Partei auf. | |
Bild: Zwischen Pütt un Pann noch ein bisschen Nazi-Propaganda: Marianne Pastö… | |
BOIZENBURG taz | Eine junge Familie zeigt stolz ihr Kind im Kinderwagen | |
vor. Udo Pastörs findet bewundernde Worte. Gut eine Woche vor der Wahl zum | |
Schweriner Landtag am kommenden Sonntag sucht der Spitzenkandidat und | |
Fraktions-Chef der NPD das Gespräch auf dem Wochenmarkt am Boizenburger | |
Rathaus. | |
Ehefrau Marianne, die für die Partei zur Landtags- und Kommunalwahl | |
antritt, geht mit NPD-Flyern über den Markt; grüßt und wird gegrüßt. Udo | |
Pastörs spricht im Plauderton, mit Kaffeetasse in der Hand, über die | |
mögliche Entlassung von 150 "deutschen Arbeitern" in einer Eisengießerei im | |
über 300 Kilometer östlich gelegenen Torgelow, - um "polnische Kolonnen" | |
einzustellen, behauptet er. | |
"Sehen Sie, man hört uns zu, spricht uns an", sagt Stefan Köster, und nippt | |
an seinem Milchkaffee. Der NPD-Landesvorsitzende und -Landtagsabgeordnete | |
hatte zuvor gefragt, ob er sich mit an den Tisch des Bäckereiwagens stellen | |
dürfe. "Stört sie nicht?" fragt auch Michael Grewe, | |
NPD-Fraktionsgeschäftsführer und -Landtagskandidat. Der Zuspruch auf dem | |
Markt hat die beiden ermutigt. | |
In Westmecklenburg ist die NPD ähnlich wie in Ostvorpommern fest verankert. | |
In Lübtheen und Grevesmühlen unterhalten Pastörs und Köster Bürgerbüros. … | |
Grevesmühlen nutzt die NPD das sogenannte "Thinghaus", in dem mehrere | |
Projekte von Rechtsradikalen ansässig sind - auch als Schlafmöglichkeit für | |
Wahlhelfer und Lager für Wahlmaterialien. | |
An die 20 Veranstaltungen fanden in dem Gebäude statt. Der Partei zur | |
Nutzung überlassen hat es der Neonazi Sven Krüger aus dem nahe gelegenen | |
Dörfchen Jamel -gerade wegen illegalen Waffenbesitzes und gewerbsmäßiger | |
Hehlerei zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. | |
An den Infoständen würden ihnen solche Verurteilungen aber nicht | |
vorgehalten, versichert Grewe, der selbst schon wegen Angriffen auf | |
Gegendemonstranten vor Gericht stand wie sein Parteifreund Köster auch. | |
"Der Wahlkampf macht Spaß", sagt Köster. "Wir sind ja Freiluftfreunde und | |
froh aus der Schwatzbude rauszukommen." Mit "Schwatzbude" meint Köster den | |
Landtag. | |
Grewes Frau legt den Markteinkauf auf den Tisch. Grewe schaut in die Tüte | |
und sagt: "Was Frauen so alles kaufen …" Dann erzählt er, er habe nie | |
gedacht, dass er einmal Fraktionsgeschäftsführer werden könnte. "Meine | |
Schulbildung, nicht einfache Kindheit, na ja …" | |
Nicht überall im Westen des Landes erführen die NPD-Wahlkämpfer so viel | |
Zuspruch, sagt Karl-Georg Ohse, Leiter des Regionalzentrums für | |
demokratische Kultur Westmecklenburg. "Die Situation ist in dieser Region | |
speziell", betont er. | |
Landesweit sehen letzte Umfragen die NPD um fünf Prozent - der Wiedereinzug | |
in den Landtag. Spitzenkandidat Pastörs erwartet sogar ein besseres | |
Wahlergebnis als 2006: "Ich persönlich bleibe bei meiner Prognose von acht | |
Prozent". In sechsstelliger Zahl will die Partei ihre Plakate "Sei kein | |
Frosch - wähl deutsch" oder "Gegen Blitzerabzocke" aufhängen, sagt Köster. | |
Rund 200.000 Euro umfasse der Wahlkampfetat. 2006 lag er noch bei 330.000 | |
Euro. | |
Hat die Bundespartei kein Geld? Oder rückt sie es nicht raus, weil die | |
Mecklenburger mit Parteichef Udo Voigt über Kreuz liegen? Köster verneint | |
beides. Peter Marx, Mitarbeiter der Fraktion und früherer NPD-Bundesvize | |
rutscht aber doch raus: "Gehen sie davon aus, dass Udo Voigt nicht alleine | |
für den Bundesvorsitz kandidiert." Der Landesverband war nicht immer auf | |
Bundeslinie. Pastörs hatte schon einmal versucht, Voigt den Bundesvorsitz | |
streitig zu machen. | |
Seit Jahren bemühen sich Pastörs und seine Leute ein bürgerliches Image zu | |
entwickeln, ohne dabei ihre radikalen Positionen abzuschwächen. Dass ihr | |
Wahlprogramm mit seinen 25 Punkten an das 25-Punkte-Programm der NSDAP | |
erinnert, sei ihnen schon bewusst gewesen. "Aber 23 oder 26 Punkte - da | |
hätte der Wähler doch gedacht, das wäre alles willkürlich", erklärt Köster | |
und lacht. | |
28 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Andrea Röpke Andreas Speit | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Jamel in Mecklenburg-Vorpommern: Ein nationalsozialistisches Musterdorf | |
In der Nacht auf Donnerstag ist die Scheune der Lohmeyers abgebrannt – der | |
letzten Familie, die in dem braunen Ort gegen Nazis kämpft. | |
Gericht verurteilt NPD-Bundesvize: 8 Monate auf Bewährung für Pastörs | |
Ein Gericht hat den Bundesvize der rechtsextremen NPD, Udo Pastörs, wegen | |
Verunglimpfung von Nazi-Opfern verurteilt. Er hatte das Holocaust-Gedenken | |
als „Betroffenheitstheater“ bezeichnet. | |
Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern: Der West-Ossi | |
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) ist äußerst | |
populär. Weil sein heiterer, jovialer Stil zum Bundesland passt. | |
Kommentar NPD-Wahlkampf: Faschismus ist ein Verbrechen | |
Die Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD) gibt sich bürgernah und | |
ist optimistisch, wieder in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern | |
einzuziehen. |