# taz.de -- taz-Wahlokal: Verkehrspolitik: Nicht alle Wege führen zum Ziel | |
> Die Verkehrsplaner gönnen den Radlern Berlins zunehmend eigene Spuren. | |
> Doch gut gemeint ist nicht gut gemacht, wie sich am Beispiel Rosenthaler | |
> Platz zeigt. | |
Bild: Mal Licht, mal Schatten: Radwege in Berlin | |
Die Reise nach Prenzlauer Berg endet vor einer Litfaßsäule. Zumindest für | |
alle Radfahrer, die von Mitte aus die Route über den Rosenthaler Platz | |
nehmen und sich nach der Einfahrt in den Weinbergsweg an die | |
Straßenmarkierung halten. Zehn Meter nachdem die Markierung von der Straße | |
auf den Bürgersteig führt, hört sie vor besagter Säule einfach auf, mitten | |
auf dem Gehweg zwischen den wuselnden Menschenmassen. | |
Radfahrer, die auf ihrem durch ein kleines Straßenschild gewährten Recht | |
bestehen, trotzdem weiterzufahren, droht nun ein Spießroutenlauf durch | |
schimpfende Passanten und viele Rollkoffer - dem Hotel an der Ecke sei | |
Dank. Alle anderen müssen klein beigeben, absteigen und schieben. Und das, | |
nachdem sie sich kurz vorher am südlichen Ende des Platzes noch wie völlig | |
gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer hatten fühlen dürfen. | |
Dort, wo die Rosenthaler Straße in den gleichnamigen Platz mündet, wurde | |
für Radfahrer im Frühjahr ein ausgeklügeltes Wegenetz auf den Asphalt | |
gepinselt. Wie Autos auf einer Autobahnzufahrt müssen sie sich einreihen | |
und werden über die Kreuzung und in die sich anschließenden Straßen | |
geleitet. Während das Abbiegen in die Torstraße in beide Richtungen | |
tatsächlich recht problemlos möglich ist, endet die Reise in den | |
Weinbergsweg wie beschrieben. Bei der Einfahrt in die Brunnenstraße kann es | |
sogar richtig gefährlich werden. | |
Wer sich dort, der Markierung folgend, am rechten Straßenrand hält, fährt | |
zunächst auf die parkenden Autos auf, die sich ein paar Meter hinter der | |
Kreuzung an den Rand drücken. Nun müsste man sich links in den fließenden | |
Verkehr einreihen, aber der braust so dicht und schnell an den parkenden | |
Wagen vorbei, dass man als Radfahrer damit besser bis zur nächsten Rotphase | |
für die Autos wartet. Zumal auf der Brunnenstraße auch Tramgleise liegen, | |
in die ein Radreifen schnell mal rutscht, wenn es hektisch wird. Sichere | |
Verkehrsführung sieht anders aus. | |
Dabei haben sich die Verkehrsplaner in diesem Fall eigentlich wirklich | |
große Mühe gegeben, die Radfahrer ernst zu nehmen und ihnen einen | |
angemessen großen Raum von der Straßenfläche zuzugestehen. Doch gut gemeint | |
ist eben nicht gut gemacht, und wenn ein Radweg, auf dem man sich eben noch | |
sicher fühlte, plötzlich im Nirgendwo endet, ist das manchmal gefährlicher, | |
als wenn Radler und Autofahrer sich die Straße teilen müssen und, sich | |
dessen bewusst, Rücksicht aufeinander nehmen. | |
Dieter Wagner arbeitet in der Abteilung Verkehr der Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung und ist für die Planung und Gestaltung von Straßen und | |
Plätzen zuständig. "Vor einigen Jahren haben wir die Ampelstruktur am | |
Rosenthaler Platz umgestaltet", erzählt er. Dabei sei es jedoch vor allem | |
darum gegangen, die Automassen, die jeden Tag den Platz passieren, | |
möglichst schnell und gefahrenfrei durchzuschleusen. Die Radfahrer seien | |
dabei gar nicht berücksichtigt worden. Das habe man nun vor einigen Monaten | |
nachgeholt; seitdem gebe es die beschriebene Situation. "Herausgekommen ist | |
ein Kompromiss, der offensichtlich noch Verbesserungsbedarf aufweist." | |
Die Gefahren in der Brunnenstraße könne man mit ein wenig Farbe recht | |
einfach beseitigen, meint Wagner. Schließlich sei die Straße breit genug | |
für fahrende und parkende Autos sowie Radfahrer. "Das Problem ist, dass die | |
Autofahrer schon bei der Einfahrt in die Brunnenstraße auf den Tramgleisen | |
fahren sollten ", sagt er. Da die Straße aber an ihrer Einmündung am | |
Rosenthaler Platz noch breit genug sei, um neben den Gleisen zu fahren, | |
machten die Autofahrer das auch. Dadurch kämen die Radler am Rand in | |
Bedrängnis. "Ich werde das Problem mit der Verkehrslenkung besprechen. Mit | |
eindeutigen Markierungen könnte man die Autos von Anfang an auf die Gleise | |
leiten", meint er. | |
Auch für die verunsicherten Radler vom Weinbergsweg hat Wagner Hoffnung. | |
"Derzeit endet der Radweg so unverhofft, weil dort noch eine Baustelle | |
ist", erklärt er. Sobald diese verschwunden sei, werde der Radweg | |
durchgehend gekennzeichnet. Dieser werden dann auch mit der Markierung | |
verbunden, die schon jetzt wie aus dem Nichts auftauchend einige hundert | |
Meter die Straße weiter hoch vom Bürgersteig zurück auf die Straße führt. | |
"Wir versuchen einiges zu tun", meint Wagner entschuldigend. Aber | |
Verkehrsführung sei nun mal immer ein Abwägen von Interessen - und mit | |
Autos, Radlern, Fußgängern, Trams und Bussen seien eben die Bedürfnisse | |
vieler zu berücksichtigen. Wie schwierig das manchmal ist, sehe man auch am | |
Beispiel der neuen Haltestellenkaps für Trams, wie sie seit einiger Zeit in | |
Berlin gebaut würden. Diese vorgebauten Bürgersteige, die ein ebenerdiges | |
Einsteigen ermöglichen, seien zwar endlich barrierefrei, indem sie am | |
Anfang und Ende der Haltestelle abgesenkt sind, dafür gebe es aber ständig | |
Ärger, weil auch die Radwege über sie und damit mitten durch die wartenden | |
Tramgäste führten. "Wir probieren aus, sammeln Erfahrungen und versuchen es | |
dann in Zukunft besser zu machen", sagt Wagner. Jedoch könnten selbst | |
erkannte Problemstellen nicht immer gleich beseitig werden, da auch das | |
Verkehrsbudget begrenzt sei. Da müssten die verschiedenen | |
Verkehrsteilnehmer eben mehr Rücksicht aufeinander nehmen. | |
Oder einfach die Gefahrenstellen meiden. Statt über den Rosenthaler Platz | |
kann man als Radler wesentlich entspannter über die Linienstraße und die | |
Choriner Straße von Mitte nach Prenzlauer Berg gelangen. Dort hat man bei | |
der Verkehrsoptimierung nicht zuerst an die Autofahrer, sondern an die | |
vielen Radfahrer der Stadt gedacht und beide zu Fahrradstraßen erklärt. | |
29 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Juliane Wiedemeier | |
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Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
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