| # taz.de -- Neuer Chefvolkswirt der EZB: Lob in allerhöchsten Tönen | |
| > Jörg Asmussen, Staatssekretär im Ressort von Finanzminister Wolfgang | |
| > Schäuble, soll neuer Chefvolkswirt der EZB werden. Er sei eine | |
| > Bereicherung, so Schäuble. | |
| Bild: Jörg Asmussen, hier mit der französischen Finanzministerin Christine La… | |
| BERLIN taz/rtr/dpa | Nun ist es offiziell: Jörg Asmussen, bisher | |
| Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, soll neuer Chefvolkswirt der | |
| Europäischen Zentralbank (EZB) werden. | |
| Um diese Nachricht zu verkünden, beraumte Finanzminister Wolfgang Schäuble | |
| (CDU) am Samstag eigens eine Pressekonferenz in Marseille an, wo er auf | |
| einem G-8-Treffen mit seinen Kollegen weilte. Dort lobte er Asmussen in den | |
| höchsten Tönen. Er sei eine Bereicherung "für jeden, der ihn bekommt". | |
| Widerstand seitens der anderen Euroländer ist nicht zu erwarten. | |
| Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker signalisierte bereits, dass er der | |
| Personalie Asmussen zustimmen will. | |
| Asmussen wird neuer EZB-Chefvolkswirt, weil sein Vorgänger Jürgen Stark am | |
| Freitagnachmittag überraschend seinen Rücktritt erklärt hatte. "Aus | |
| persönlichen Gründen" wolle er sein Amt spätestens zum Jahresende | |
| verlassen. Damit ist der 63-jährige Stark schon der zweite deutsche | |
| Zentralbanker, der innerhalb von nur wenigen Monaten aufgibt. Ende April | |
| war schon Bundesbankchef Axel Weber frustriert ausgeschieden. | |
| Stark stand für die reine Lehre der "Geldwertstabilität". Wie Weber lehnte | |
| er es ab, dass die EZB Staatsanleihen aufkauft, um die Finanzmärkte zu | |
| beruhigen und die Zinsen für bedrängte Euroländer wie Spanien, Italien, | |
| Griechenland, Portugal oder Irland nach unten zu drücken. Stark fürchtete | |
| um die Souveränität der EZB, wenn sie sich an den Rettungsaktionen der | |
| Politik beteiligt. Diesen Machtkampf hat Stark verloren: Anfang August | |
| beschloss der EZB-Rat, erneut Staatsanleihen aufzukaufen. Inzwischen hat | |
| die Zentralbank Euroanleihen im Wert von 129 Milliarden im Depot. | |
| Die Finanzmärkte reagierten geschockt auf die Nachricht, dass Stark die EZB | |
| verlassen will. Der deutsche Aktienindex DAX stürzte am Freitagnachmittag | |
| um 4 Prozent ab. Auch der Euro gab nach, der jetzt bei 1,36 zum Dollar | |
| notiert. Damit ist die europäische Gemeinschaftswährung allerdings immer | |
| noch deutlich überbewertet. Die Kaufkraftparität liegt bei etwa 1,20 | |
| Dollar. | |
| Als EZB-Chefvolkswirt wird Asmussen auf einen alten Bekannten treffen: Jens | |
| Weidmann. Der ehemalige Wirtschaftsberater im Kanzleramt ist inzwischen | |
| Bundesbankchef - und gemeinsam werden sie beide im EZB-Rat sitzen, dem | |
| höchsten Beschlussorgan der Zentralbank. Weidmann und Asmussen kennen sich | |
| noch aus dem Studium. Beide waren sie Schüler von Axel Weber, der 2004 nur | |
| zum Bundesbankchef wurde, weil Asmussen - damals noch Ministerialdirektor | |
| beim SPD-Finanzminister Hans Eichel - seinen ehemaligen Professor als | |
| Kandidaten für den Chefposten bei der Bundesbank vorschlug. | |
| ## Personelle Verflechtungen | |
| Angesichts dieser personellen Verflechtungen liegt es nahe zu vermuten, | |
| dass auch Asmussen dagegen sein könnte, dass die EZB weiterhin | |
| Staatsanleihen aufkauft. Auf der Pressekonferenz in Marseille wollte sich | |
| Asmussen dazu jedoch nicht äußern: Es sei jetzt nicht der Moment, um | |
| Einzelfragen zu beantworten. "Wir sind in einem Verfahren und gucken, wohin | |
| das geht." | |
| Auswärtige Konkurrenz hat Asmussen nicht zu befürchten. Traditionell steht | |
| Deutschland das Recht zu, den Posten des EZB-Chefökonomen zu besetzen. | |
| Heiner Flassbeck, selbst Chefökonom der Unctad, sieht die Personalie | |
| Asmussen dennoch kritisch: "Zum zweiten Mal hintereinander stellen die | |
| Deutschen einen Chefökonomen, von dem man bisher aus eigener Feder noch | |
| keinen einzigen Artikel zu Fragen der Geldpolitik hätte lesen können, bevor | |
| sie diesen Job übernommen haben." | |
| Aber wie viel Einfluss hat ein EZB-Chefökonom überhaupt? Stephan | |
| Schulmeister vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo in Wien glaubt nicht, | |
| dass die deutsche Personalrotation den Kurs der Zentralbank ändern wird. | |
| Denn die Deutschen seien sowieso in der Minderheit. "Die Entscheidung, | |
| Staatsanleihen aufzukaufen, ist im EZB-Rat mit gewaltiger Mehrheit | |
| gefallen." | |
| Zudem hat Schulmeister den Eindruck, dass sich Asmussen von seinem | |
| neoliberalen Ursprüngen teilweise verabschiedet haben könnte. "Deutschland | |
| tritt immer klarer für die Finanztransaktionssteuer ein." Da sei es "schwer | |
| vorstellbar, dass dies nicht einen Lernprozess von Asmussen zum Ausdruck | |
| bringt." | |
| 11 Sep 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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