# taz.de -- Dokumentarfilm Gewalt in Südamerika: Szenen aus der alltäglichen … | |
> Kann denn niemand der Gewalt entkommen? Die Doku "Die ermordeten Kinder | |
> von Guatemala" geht dieser Frage und den Folgen nach (22.25, 3sat). | |
Bild: Szene aus Anita Blumers "Die ermordeten Kinder von Guatemala". | |
Auch fünfzehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs hat die Gewalt in Guatemala | |
kein Ende gefunden. Mit wöchentlich mehr als 100 Morden bei nur 13 | |
Millionen Einwohnern gehört das Land zu den gefährlichsten Ländern | |
Lateinamerikas, mehr als 97 Prozent der Verbrechen bleiben ungestraft. | |
Dass diese Gewalt den Alltag vieler Guatemalteken prägt, hat die | |
Filmemacherin Anita Blumer bei Aufenthalten vor Ort immer wieder | |
festgestellt: "Kriminalität und Angst sind dort allgegenwärtig", sagt die | |
29-jährige Schweizerin. | |
Drei Monate war sie 2008 in Guatemala, um zu recherchieren: Fälle von | |
Menschen, denen Gewalt angetan und die Gewalt verübt haben. Ihren | |
Dokumentarfilm darüber zeigt der Sender 3sat heute Abend in der deutschen | |
Erstausstrahlung - zwei Tage nachdem in Guatemala der ehemalige General | |
Otto Pérez Molina als vorläufiger Sieger aus den Präsidentschaftswahlen | |
hervorgegangen ist. | |
Pérez Molina selbst werden Kriegsverbrechen vorgeworfen. Er hatte mehr als | |
30 Jahre in der Armee gedient, die im Bürgerkrieg den Völkermord an den | |
Maya beging und in dem mehr als 200.000 Menschen umgebracht wurden. | |
## Keine brutalen Bilder | |
Obwohl der Film, der bei 3sat unter dem Titel "Die ermordeten Kinder von | |
Guatemala" läuft, im Original "Guten Tag, der Krieg geht weiter" heißt, | |
beschreibt er die herrschende Gewalt kaum als Folge des Bürgerkriegs. | |
Überhaupt interpretiert er wenig, sondern bleibt ganz bei seinen | |
Protagonisten. | |
Langsam geht er vor, unaufgeregt, auf brutale Bilder setzt er nicht: Die | |
Gewalt wird nur in den Erzählungen von Opfern und Tätern greifbar. Eine | |
Mutter berichtet schwer atmend, wie ihre acht Jahre alte Tochter Michelle | |
entführt, vergewaltigt und ermordet wurde. Der erst 20 Jahre alte | |
Aussteiger einer Mara, einer Jugendgang, erzählt von seinem Leben, seitdem | |
er mit zwölf in die Mara eingetreten war. "O matas o mueres", sagt er | |
lapidar: "Du tötest, oder du wirst getötet." | |
Was zählt, sind Gerüchte, was bleibt, ist Selbstjustiz. Eine der | |
mutmaßlichen Entführerinnen der ermordeten Michelle wurde von aufgebrachten | |
Dorfbewohnern gefesselt und verbrannt. "Wer klagt diese Täter an?", fragt | |
die Schwester der Gelynchten. Niemand, so viel ist klar. | |
Dass der Film sich insbesondere auf Interviews stützt und die Protagonisten | |
ein wenig willkürlich ausgewählt werden, ohne größere Bezüge aufeinander | |
wirken, liege an der knapp bemessenen Drehzeit von drei Wochen - und den | |
Bedingungen vor Ort, sagt Regisseurin Anita Blumer. Für das Team sei es | |
zwar nicht gefährlicher gewesen als für viele andere in Guatemala auch. | |
Sich mitten hineinzubegeben, wie es etwa der französisch-spanische | |
Regisseur Christian Poveda für seinen Dokumentarfilm "La Vida Loca" über | |
die Maras des kleinen Nachbarlands El Salvador getan hat, wäre jedoch | |
schnell riskant geworden. Regisseur Poveda wurde 2009 nach Abschluss der | |
Dreharbeiten erschossen, wahrscheinlich von Mitgliedern der Mara. | |
## Nicht nur Düsternis | |
Sie habe mit dem Film, der bereits auf mehreren europäischen Festivals und | |
einem guatemaltekischen gezeigt wurde, nicht nur die Düsternis darstellen, | |
sondern auch Hoffnung machen wollen, sagt Anita Blumer - indem sie Menschen | |
zeige, die sich für ein Leben jenseits der Gewalt einsetzen. Im Fall der | |
ermordeten Michelle werden schließlich zwei Entführerinnen verurteilt. | |
Nicht, weil die Justiz selbstständig gearbeitet hätte, sondern weil | |
Michelles Mutter lange darum kämpfte. Die persönliche Hoffnung des jungen | |
Mara-Aussteigers wird jedoch zunichtegemacht. Kurz nach dem Interview wurde | |
er vor seiner Haustür erschossen. Es herrschen immer noch Kriegszustände in | |
diesem Land. | |
13 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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