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# taz.de -- Frauen und Internetsexualität: Klicken. Texten. Ficken?
> Die schwule Dating-App Grindr verzeichnet weltweit Millionen von
> Downloads. Jetzt kommt Blendr, das Grindr für Heteros. Aber wollen Frauen
> überhaupt Sexdates?
Bild: Schwule Mädchen? Sexualwissenschaftler Martin Dannecker glaubt nicht an …
Seine stahlblauen Augen nehmen sie gefangen. Größe, Alter: perfekt. Er ist
nur 200 Meter entfernt, sie kann ihn fast riechen. Sie hat Lust, muss ihn
haben. Jetzt. Sie greift zum Smartphone, tippt: "Dein Profil ist geil. Hab
ne halbe Stunde. Bock?"
Romantisch ist das nicht, Romeo und Julia haben sich anders kennengelernt.
Doch so läuft mobiles Sex-Dating. Klicken. Texten. Ficken - oder auch
nicht. Unter Schwulen ist das Konzept ein voller Erfolg. Mehr als 2,6
Millionen Nutzer in 192 Ländern verzeichnet die Smartphone App Grindr, über
die Männer Männer finden und, wenn's passt, zum Sex treffen. Ob das auch
mit Heteros, oder besser, mit heterosexuellen Frauen funktionieren kann?
Die Macher von Grindr lassen es drauf ankommen. Schließlich habe sich
Erfinder Joel Simakhai vor Anfragen von interessierten Frauen kaum retten
können, versicherte er jüngst dem Guardian. Seit dem achten September ist
also Blendr, das Grindr für Heten, zum Download erhältlich. Die App
übernimmt das Konzept des Vorbilds: wie bei Grindr erscheint nach Login
eine bebilderte Auflistung gleichgesinnter User, nach ihrer geografischen
Entfernung sortiert. Klickt man auf ein Foto, erfährt man mehr, manchmal
mehr, als man wissen will.
Einen kleinen Unterschied gebe es aber, betont Simakhi. Bei Blendr gehe es
nämlich nicht nur um schnelles Dating, sondern um "eine Vielzahl
gemeinsamer Interessen". Häkeln, Töpfern, Window Color? Nee, ist klar. Die
Marketingstrategie leuchtet aber ein: Der Fokus auf Inhalte jenseits von
Sex und Erotik scheint Vorbehalte seitens der möglichen weiblichen Nutzer
vorwegzunehmen.
Anders als bei Schwulen, sei der sogenannte schnelle Sex nämlich eher
nichts für Frauen. Das sagt der Sexualwissenschaftler Martin Dannecker, der
sich seit Jahren mit Internetsexualität beschäftigt. "Ein Angebot wie
Blendr läuft nicht, das ist höchstens was für eine kleine Minderheit", sagt
er voraus. Sind Frauen, anders als Schwule, also schon evolutionsbiologisch
auf die Cinderella-Story angelegt? Mitnichten: "Was das Triebverhalten
betrifft, können keine geschlechtsspezifischen Unterscheidungen gemacht
werden", so Dannecker. Die Antwort liege vielmehr in den verbreiteten
Idealbildern, in die weiblicher Sex gebettet ist.
## Schwule Mädchen in der Minderheit
Die Ehe spiele zwar keine Rolle mehr, an ihre Stelle seien aber Beziehungen
getreten. "Die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen sehen immer noch
Monogamie und Langlebigkeit vor. Sex und Sinnlichkeit sind für Frauen
deshalb untrennbar an Beziehungen geknüpft."
Frauen sind also keineswegs enthaltsamer als homosexuelle Männer. Nur ist
der spontane, einmalige Sex weniger attraktiv für sie, weil sie ihre
Geschlechtspartner vor dem Horizont der Dauerhaftigkeit beurteilen. Statt
die schnelle, unverbindliche Befriedigung zu suchen, hangeln sich Frauen
deshalb eher von einer monogamen Episode in die nächste. Gut, Samantha
Jones würde hier sicher widersprechen. Schwule Mädchen mag es geben, aber
sie sind in der Minderheit.
Dabei muss ein flüchtiges Beisammensein nicht gefühllos sein. Das Klischee
vom rein technischen, zweckorientierten schwulen Gebumse sei eine
furchtbare Reduktion, so Dannecker. Auch bei Sexdates steht
Zwischenmenschlichkeit im Vordergrund. "Die treffen sich, trinken ihr Bier,
beschnuppern sich." Nur wird die emotionale Bindung, die da entsteht, nicht
am Maßstab der monogamen Ewigkeit gemessen. In unserer vorwiegend
heteronormativen Gesellschaft sei der "für Schwule schlicht nicht
vorgesehen".
Gewissermaßen wirkt der Außenseiterstatus, den Schwule bei uns immer noch
haben, also auch befreiend. Wer keiner Norm unterliegt, kann keinen
unnormalen Sex haben. "Man mag durchaus sagen, dass Schwule in der
Gestaltung ihres Geschlechtslebens autonomer sind." Schwule Männer können
unbefangen in ein Date gehen, ohne von der Erwartung getrieben zu sein,
dass sich etwas Dauerhaftes ergeben könnte.
Aber genau das suchen Frauen, sagt Dannecker. Es bleibt also abzuwarten, ob
die neue Dating-App ein Erfolg wird. Ähnliche Smartphone-Programme wie
'Scout' oder 'Aka-Aki' jedenfalls sind bisher auf wenig Begeisterung
gestoßen. Auf Anfrage wollten die Macher von Blendr keine Aussage zu
aktuellen Downloadzahlen und dem Anteil weiblicher Nutzer treffen. Man
scheut wohl die Verbindlichkeit.
15 Sep 2011
## AUTOREN
Felix Kartte
## TAGS
Hacking
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