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# taz.de -- Am Wahlkampfstand (6): Die FDP: Liberale Tragödie
> Die FDP-Frauen kämpfen. Käme es nur auf sie an, stünden die Chancen gar
> nicht so schlecht. Leider gibt es auch noch die Partei.
Bild: Man hat's nicht leicht als FDP in Berlin, da helfen auch die besten Sprü…
Die Berliner FDP hat zwei Feinde: Philipp Rösler und den Texter ihrer
Wahlplakate. "So etwas oberdümmliches habe ich noch nie gelesen", regt sich
ein Mann am Charlottenburger Karl-August-Platz auf. Er meint speziell jenes
Wahlplakat, auf dem die Grünen beschuldigt werden, hochschwangere Frauen
aufs Fahrrad zu zwingen. "Haben Sie eigentlich den Ernst der Lage überhaupt
nicht begriffen?", blafft der Mann die FDP-Frau Frauke Lindemann an.
Lindemann ist Charlottenburger Kandidatin der FDP fürs Abgeordnetenhaus, an
diesem Mittwoch verteilt sie ihr Programm auf dem Platz.
Genau genommen: Vor dem Platz. Darauf ist nämlich Markt, und dort darf
keine Partei werben. So steht Lindemann also neben einem Holzschemel auf
dem Kopfsteinpflaster und lässt die Schimpftirade des Mannes über sich
ergehen. Eine Antwort fällt ihr spontan nicht ein. Später wird sie
erzählen, dass sie das Plakat mit dem Kreißsaal-Spruch auch schrecklich
findet und vergeblich dagegen gestimmt habe.
Die drei liberalen Frauen am Rande des Markttreibens könnten einem
russischen Endzeit-Roman entsprungen sein. Tragische Figuren, sie können
gar nichts dafür, sind klug, nett und verbindlich, und trotzdem will keiner
FDP wählen. "Samstag ist immer mehr los", sagt Lindemann gleich zur
Begrüßung. Es klingt wie eine Entschuldigung. Dabei gelingt es der Frau
erstaunlich oft, Marktgänger ins Gespräch zu verwickeln. Sema Akbunar zum
Beispiel, eine 32-Jährige, die im Kiez arbeitet. "Man muss immer offen
sein", sagt sie und lässt sich geduldig von Lindemann das Programm
erläutern. Sie nimmt eine Broschüre mit. "Ich wähle zwar immer das gleiche,
aber man kann es sich ja mal durchlesen."
Mieke Senftleben ist die Profi von den dreien: anerkannte Bildungsexpertin,
sie tourt seit Wochen über Märkte, Bürgersteige, U-Bahnhöfe. Zwei Frauen
verwickelt sie eine Viertelstunde lang in ein Gespräch. Es geht um
Zwei-Klassen-Medizin, Kita-Betreuung, freie Schulen, die Banken und
Griechenland. Das Gespräch ist kontrovers, dabei freundlich im Ton. "Es
wäre keine gute Haltung zu sagen, mit denen reden wir nicht", sagt die eine
ältere Dame; in ihrem handgeflochtenen Korb liegen Rosen und Tomaten.
"Trotzdem sind wir leider weit von der FDP entfernt", ergänzt die zweite.
"Meine Freunde nennen mich immer eine Sozialromantikerin."
Bei Susanne Manstein, der Dritten im Bunde, wird am deutlichsten, wie der
drohende Bedeutungsverlust an den Nerven zehrt."Unkenntnis hoch drei"
bescheinigt Manstein einem Studenten, der die FDP wegen deren Haltung zur
Griechenland-Frage für unwählbar hält. Der Mann heißt Jannis Sokianos, ist
Halbgrieche und angehender Jurist. "Sagen Sie mal, Sie wollen doch dass ich
Sie wähle und da sprechen Sie mich so an?", fragt er irritiert. Senftleben
eilt zu Hilfe. "Was studieren Sie denn?", fragt sie und bringt das Gespräch
so in ruhigere Gewässer. "Meine Kinder sind auch Juristen, ich kenne das,
welches Examen ist es denn?" Sokianos plaudert ein wenig mit Mieke
Senftleben, wünscht ihr abschließend viel Glück und geht Einkaufen.
Die drei Liberalen packen ihren Schemel und die nicht verteilten
Flugblätter ins Auto. Ein Mann kommt vorbei, Tochter Charlotte vor die
Brust gegurtet. "Sagen Sie mal, wann wählen Sie ihren Vorsitzenden ab?",
ruft er salopp in die Runde. "Westerwelle meinen Sie?", fragt Lindemann
zurück. Der Mann lacht. "Ne, Rösler natürlich. Der ist zwar noch nicht lang
im Amt, aber schon richtig peinlich."
16 Sep 2011
## AUTOREN
Kristina Pezzei
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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