# taz.de -- taz-Serie Schillerkiez: Grüne gewinnt: "Politisch aktiv werden, be… | |
> Susanna Kahlefeld zieht für die Grünen ins Abgeordnetenhaus. Im | |
> Schillerkiez holte sie das Direktmandat - auch dank der Gentrifizierung | |
Bild: Susanne Kahlefeld | |
taz: Frau Kahlefeld, Sie haben sensationell die SPD-Hochburg Schillerkiez | |
und Umgebung erobert. Sind Sie eine Profiteurin der Gentrifizierung? | |
Susanna Kahlefeld: (lacht) Ich denke, zum Teil schon. Sicher haben viele | |
Zugezogene Grün gewählt. Eine Menge aber auch Piraten, die im Wahlkreis 15 | |
Prozent bekommen haben. Das ist aber nur die eine Seite. Ich saß die | |
letzten acht Jahre hier in der BVV, habe durch meine Arbeit im | |
Migrationsbeirat viel Kontakt und Vertrauen zu Projekten und Personen aus | |
dieser Community erworben. Es kennen mich einfach viele Leute im Kiez. | |
Auch Ihr Nachbarwahlkreis ging an die Grünen. Ist Nordneukölln jetzt | |
Kreuzberg? | |
Es hat sich sehr viel getan, das ist klar. Obwohl es bei mir im Wahlkreis | |
auch immer noch die alten, finsteren Schmuddelecken gibt, denen Aufwertung | |
nicht schadet. An dem Punkt, wo wir sagen müssen, wir müssen die | |
Entwicklung stoppen, sind wir noch lange nicht. | |
Welchen Wandel beobachten Sie im Schillerkiez? | |
Der Schillerkiez hat enorm von der Öffnung des Flugfelds profitiert, und | |
ich wünsche mir, dass er noch mehr profitiert. Es ist doch schön, dass die | |
Schillerpromenade neu gestaltet ist. Dass neue Kneipen und Galerien da | |
sind, die durch den Zugangsverkehr zum Feld gewinnen. Wir müssen aber | |
aufpassen, dass die Leute, die das hier zum Guten verändert haben, jetzt | |
nicht verdrängt werden. Das wäre fatal. | |
Gibt es denn dafür Anzeichen? | |
Es gibt Mieterhöhungen in einzelnen Häusern, die drastisch sind. Aber das | |
ist noch nicht flächendeckend. Gerade deshalb muss man politisch aktiv | |
werden, bevor die Lawine rollt. | |
Ihr Vorgänger im Wahlkreis, SPD-Mann Fritz Felgentreu, sagte mal: Der | |
Schillerkiez wird nur schöner, nicht teurer. | |
Nein, es wird auch teurer. Noch in Grenzen, aber die Zeichen stehen | |
eindeutig auf Sturm. | |
Was können Sie dagegen tun? | |
Ich werde die Projekte unterstützen, die versuchen, Mieter mit ihren | |
Hauseigentümern ins Gespräch zu bringen, um den Vermietern ihre | |
Verantwortung in diesem Prozess klarzumachen. Das ist nicht illusorisch, | |
das kann funktionieren. Als einzelne Abgeordnete kann ich sonst wenig | |
machen. Deshalb ist es wichtig, dass wir Rot-Grün bekommen, um im Senat | |
alle Instrumente auszuschöpfen. Rot-Rot hat ja nicht mal feststellen | |
wollen, dass es in Berlin einen Wohnungsnotstand gibt. Mit den Grünen wäre | |
das anders. | |
Wo sehen Sie Ihren Wählerauftrag für den Kiez? | |
Ich will die Bürgerbeteiligung stärken. Quartiersräte und alles, was über | |
das Programm Soziale Stadt gelaufen ist, muss erhalten bleiben. Das liegt | |
mir am Herzen. Ebenso wie die Integrationspolitik, mein Fachgebiet. Das ist | |
ja ein absolutes Querschnittsthema. Und: Wir müssen neue Gebäude für | |
Schulen am Rand des Tempelhofer Felds bauen. | |
Im Kiez ist die Stimmung eher: keine Bebauung auf dem Feld. | |
Wir wollen das ja nur für Schulen. Was ich bestimmt nicht will, ist eine | |
Wohnbebauung für Leute mit viel Geld. Auf dem Feld darf es ruhig noch eine | |
Weile so anarchistisch bleiben, wie es heute ist. Man sieht doch, wie | |
unendlich gut und vielfältig die Leute diesen Raum nutzen. Und wie | |
friedlich. Und das vor allem durch die angeblich so hochproblematischen | |
Zuwanderer. Gerade im Hinblick auf die Gartenschau 2017 werden wir Grüne | |
auf weitere Bürgerbeteiligung drängen, um diese wunderbaren Effekte nicht | |
kaputt zu machen. | |
Mit Ihrem Listenplatz 33 hätten Sie den Einzug ins Abgeordnetenhaus | |
verpasst. Jetzt sind Sie doch drin. Was sind erste Pläne? | |
Weiß ich noch nicht. Ich muss das auch erst mal verdauen. Wir lagen ja | |
letztes Mal 20 Prozent hinter der SPD. Es wäre verrückt gewesen zu glauben, | |
das könne man aufholen. | |
Sind Sie enttäuscht, dass die Grünen im Land nur 17 Prozent erreicht haben? | |
Schon. Wir hatten alle auf 20 Prozent plus gehofft. Was ich als | |
Neuköllnerin aber ganz, ganz bitter finde, ist der Zugewinn für die SPD und | |
Buschkowsky im Bezirk. Für die Jugendarbeit ist das ein riesiger | |
Rückschlag. Dass da nun gekürzt wird, ist jetzt schon klar. | |
INTERVIEW: KO | |
22 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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