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# taz.de -- Gay Pride in Belgrad: Wenn Rechts vor Recht geht
> Am Wochenende sollte eine Gay Pride Parade in Belgrad stattfinden. Die
> Regierung hat sie verboten. Der Grund: Angeblich hätten Rechtsextreme mit
> Angriffen gedroht.
Bild: In Brasilien dürfen Schwule und Lesbe protestieren - in Belgrad schon wi…
BELGRAD taz | Die tagelange Debatte war so heftig, als ginge es um den
Untergang des Staates. Jeder hatte etwas dazu zu sagen, ob sich einige
hundert Schwulen-Aktivisten für zwei Stunden in einem Park im Zentrum
Belgrads versammeln und um den Block spazieren dürften, selbst der
Nationale Sicherheitsrat.
Das Ergebnis: Die für den vergangenen Sonntag angemeldete Belgrader Gay
Pride Parade hat wieder einmal nicht stattgefunden. Nicht weil die
Staatsdiener etwas dagegen gehabt hätten, sondern weil die serbische
Gesellschaft nicht reif dafür wäre, lautete die Begründung, und weil es
Wichtigeres gebe als die Schwulenrechte im Staat gebe, wie z. B. den Kampf
auf Leben und Tod der Serben im Kosovo.
Rechtsradikale Gruppen hätten einen regelrechten Schlachtplan
ausgearbeitet, begründete Innenminister Ivica Dacic seine Entscheidung, die
Parade im letzten Augenblick zu verbieten. Sie wollten angeblich mehrere
Brände in der Hauptstadt legen, staatliche Institutionen, Parteizentralen
und ausländische Botschaften angreifen, mit einem Bus die Polizeikordons
durchbrechen und mit den Homosexuellen abrechnen, selbstgebastelte Bomben
legen.
Der Staat hätte ein "nordafrikanisches Szenario" verhindert, erklärte der
Innenminister, und verantwortungsvoll "mögliches Blutvergießen"
unterbunden. Auf die Frage, warum die Polizei denn diese "Kreuzritter"
nicht verhafte, wenn sie das alles wisse, gab Dacic keine Antwort.
Jedenfalls wurden auch die für das Wochenende geplanten Gegenproteste der
Nationalisten verboten.
## Rechte sehen sich in ihrer Homophobie bestätigt
Während Staatspräsident Boris Tadic und Regierungsvertreter von der "einzig
vernünftigen Entscheidung" reden, feiern rechtsradikale Gruppen wie
"Dveri", "Obraz", "1389" und andere patriotische Organisationen einen Sieg.
Für sie bedeutet die Gay Pride eine Vergewaltigung der "traditionellen,
serbischen, christlichen Familienwerte", durch "Kranke, die die Kinder
verführen wollen". Sie sehen sich bestätigt in den homophoben Aussagen
einzelner regierender Politiker, die von Homosexuellen als "devianten
Menschen" reden, die die Gesellschaft vergiften wollen.
Eine Gewerkschaft der Polizei äußerte sich gegen die Parade, weil die
Polizisten angeblich nicht ausreichend ausgerüstet und bezahlt seien,
ebenso aber der Bürgermeister von Belgrad und Vizepräsident der regierenden
"Demokratischen Partei" Dragan Djilas, der keinen Hehl daraus macht, dass
er nicht begeistert vom "Exponieren" der Schwulen sei, um "Menschenleben
nicht zu gefährden".
Auch der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche Irinej setzte sich für
ein Verbot der Pride ein. "Mit vollem Recht würde ich diese sogenannte Gay
Pride als eine Plage bezeichnen, als eine Parade der Scham, die die
menschliche Würde, die Heiligkeit des Lebens und der Familie beschmutzt",
erklärte das serbische Kirchenoberhaupt.
## Symbolisch die Macht dem Mob übergeben
Es geht aber nicht allein um die Menschenrechte der LGBT-Population, warnen
Bürgerrechtler. Im konkreten Fall sehe man die Kapitulation des Staates vor
rechtsextremen Schlägertrupps, die mit Gewalt ihren Willen durchsetzen. Der
Staat habe praktisch zugegeben, kein Gewaltmonopol zu haben.
Die Liberaldemokratische Partei warf der Regierung vor, symbolisch die
Macht dem Mob übergeben zu haben, weil sie sich nicht bereit zeigte, die
Verfassung zu verteidigen. Die Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina
kritisierten die serbische Staatsspitze wegen ihres "feigen" Verhaltens.
Man vermisse die Bereitschaft des Staates, mit gewalttätigen rechtsextremen
Gruppen umzugehen, die immer stärker werden, weil Politiker befürchten an
Popularität zu verlieren.
Schwulen-Aktivisten weisen darauf hin, dass in den vergangenen drei Jahren
die Gay Parade entweder von blutigen Krawallen geprägt war oder verboten
wurde und dass der Staat in dieser Zeit nichts gegen Rechtsradikale
unternommen habe. Das sind aber alles vereinsamte Stimmen. Laut
Medienberichten sind 90 Prozent der Bürger Serbiens gegen eine
Schwulenparade.
3 Oct 2011
## AUTOREN
Andrej Invanji
## TAGS
Kosovo
Homosexuelle
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