Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Interview zur Korruption in Sportverbänden: "Kein Mensch glaubt, w…
> Jens Sejer Andersen von der Plattform "Play the Game" über Korruption,
> wenige weißen Schafe, die IOC und die Chancen zur Gründung eine
> Welt-Anti-Korruptions-Agentur.
Bild: Hat natürlich nichts mit Korruption zu tun: Fifa-Chef Blatter (r.) über…
taz: Herr Andersen, wenn Korruption Teil der menschlichen Natur ist, wie
der ehemalige Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, Richard Pound,
behauptet, was können Sie mit "Play the Game" überhaupt bewirken?
Jens Sejer Andersen: Wir können nichts gegen die menschliche Natur
unternehmen, aber alle Organisationen, die mit viel Geld operieren, könnten
vorbeugende Maßnahmen ergreifen, welche sie nicht so angreifbar für die
dunkle Seite der menschlichen Natur machen. In gut funktionierenden
Gesellschaften gibt es Kontrollmechanismen, die darüber wachen, wo
öffentliches Geld und auch das Geld von Unternehmen landet. Das Problem
ist, dass gerade die Top-Funktionäre der weltweiten Sportverbände ohne
Kontrolle agieren.
Das Problem ist also die Autonomie der großen Verbände wie der Fifa und
anderer?
Ja, und sie haben keine glaubwürdigen internen Kontrollsysteme. Die
Unterverbände, also die nationalen Institutionen, stellen darüber hinaus
keine kritischen Fragen. Sie werden auch über gewichtige Entscheidungen zum
Teil gar nicht informiert. Und viele Medien fressen den Weltverbänden aus
der Hand, da sie ihnen die attraktiven wie lukrativen Großveranstaltungen
bieten.
Wie antwortet die Politik darauf?
Die nationalen Politiker sind nicht fähig, mit den international vernetzten
Sportverbänden zurechtzukommen. Die Verbände haben sich in den letzten
dreißig Jahren ein sehr gut funktionierendes globales System aufgebaut –
die Politiker der einzelnen Länder haben Probleme, weltweit so zu
kooperieren, dass international gültige Gesetze geschaffen werden können.
Es ist also ein rechtliches Problem?
Es gibt da viele Verantwortlichkeiten, aber die Frage der Gesetzgebung
steht ganz oben auf der Agenda. Die Verbände operieren mit so großen
Geldmengen, dass sie wichtige gesellschaftliche Faktoren sind.
Glauben Sie denn, die internationale Politik hat ausreichend Interesse an
Transparenz?
Generell ist es noch eher so, dass die Politiker vor allem an Freitickets,
Komfort und Amüsement während sportlicher Großveranstaltungen interessiert
sind. Außerdem sind die großen Events sehr populär. Selbst wenn Politiker
ein ungutes Gefühl bei manchen Veranstaltungen gehabt haben mögen, so haben
sie dies nicht öffentlich gemacht, um sich nicht unbeliebt zu machen.
Wird es nach dem Vorbild der Wada bald eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur
Waca geben?
Ich kann nur sagen, dass es koordinierter Anstrengungen gegenüber allen
Formen von Korruption im Sport bedarf. Meine Forderung an die deutschen
Sportpolitiker ist es, das Problem auf die internationale Ebene zu
transportieren. In die EU und darüber hinaus. Außerdem müssen die Politiker
Druck auf die eigenen Verbände ausüben.
Wie müsste die Waca beschaffen sein?
Ich weiß nur, dass möglichst viele Interessengruppen beteiligt sein
sollten, auch Fanorganisationen, Sponsorenvereinigungen und
Medienvertreter.
Was kann "Play the Game" in dieser Hinsicht leisten?
Unsere Hauptaufgabe ist es, dass die Öffentlichkeit jederzeit gut
informiert ist über alle Fakten, die den Sport betreffen, und das betrifft
auch die Korruption. Unser Ziel ist darüber hinaus eine offene Debatte über
sensible und schwierige Themen im Sportbusiness. Das ist heute noch nicht
der Fall. Wir versuchen, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen:
kritische Beobachter, Whistleblower und verantwortliche Funktionäre. Wir
wollen auf der einen Seite eine Plattform für unparteiische und unabhängige
Stimmen bieten, andererseits wissen wir, dass nichts passiert, solange die
mächtigen Sportfunktionäre nicht Teil der Debatte werden. Aber von deren
Seite wird gemauert.
Die Verbände kooperieren gar nicht?
Nein.
Kein einziger?
Es gibt schon einige wenige mutige Verbände …
… nämlich?
Zum Beispiel Richard Pound oder Arne Ljungqvist vom Internationalen
Olympischen Komitee (IOC), Jerome Champagne, Ex-Fifa-Beauftragter für
internationale Beziehungen, oder Harold Mayne-Nicholls vom chilenischen
Fußballverband. Was viele andere Verbände angeht, so gibt es interne
Warnungen und Sanktionsandrohungen gegenüber Funktionären, sollten sie
unsere Konferenz besuchen.
Sie nennen die Fifa, den Handballverband IHF, die Boxverbände und den
internationalen Volleyballverband als dringlichste Problemfälle. Was ist
mit dem IOC?
Zumindest kommt da Bewegung rein, im Gegensatz zur Fifa. Man kann nicht
leugnen, dass das IOC sich zumindest langsam bewegt. Sie wurden in den
späten Neunzigern von Skandalen gebeutelt, langsam werden es weniger.
Mit den derzeitigen Auflagen und der Führung geht der Weg innerhalb des IOC
in die richtige Richtung. Aber das IOC ist viel zu nachlässig gegenüber dem
Verhalten der ihm unterstehenden Verbände und Organisationen. Sie hätten
die Möglichkeit und die Verantwortung, politischen Druck auf die
Unterverbände auszuüben - dieser Pflicht kommen sie nicht nach. Die meisten
dem IOC angeschlossenen Verbände können weiter tun und lassen, was sie
wollen.
Die Fifa ist in jedem Fall das schwerwiegendste Problem im internationalen
Sport, zum einen, weil es über Jahrzehnte in der Führungsriege korrupte
Verhaltensmuster gab und gibt, zum anderen, weil die Fifa so viel Geld
umsetzt, dass Korruption sich richtig lohnt. Auch die Fifa hat wunderbare
ethische Kodizes und Richtlinien. Aber die stehen nur auf dem Papier.
Was wäre für Sie der nächste Schritt zur Gründung einer
Anti-Korruptions-Behörde?
Wir brauchen die Unterstützung der EU. Die US-amerikanischen
Sportausschüsse sollten auch beteiligt sein, da sie weltweit den größten
politischen Druck ausüben können. Es ist vorgesehen als Bündnis Europas,
der USA und der Commonwealth-Staaten, vergleichbar mit der Gründung der
Wada. Die großen Sportnationen mit großer Finanzkraft im Sport müssen
politisch beteiligt sein, damit so etwas erfolgreich sein kann.
Denken Sie, der innerhalb der Fifa recht mächtige DFB müsste mehr tun?
Ja, aber sollte der DFB weiterhin dem angeblichen Aufräumkurs Blatters
innerhalb der Fifa vertrauen, fällt dieser Faktor weg. Kein Mensch der Welt
glaubt, was Sepp Blatter sagt. Ich hoffe, beim DFB sieht man das bald
genauso.
4 Oct 2011
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Korruption im Olympia-Komitee: Gefallener Greis
João Havelange will nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden und tritt
aus dem IOC zurück. Die BBC hatte dem 95-Jährigen vorgeworfen, eine Million
Dollar kassiert zu haben.
Rücktrittsforderung für Blatter: Fifa-Boss unter Rassismusverdacht
Auf Fußballplätzen gäbe es keinen Rassismus, sagte Fifa-Präsident Joseph
Blatter. Das sei aber falsch verstanden worden. Der Chef der
Spielergewerkschaft fordert trotzdem seinen Rücktritt.
Dopingverdacht bei Langstreckenläufern: Invasoren aus dem Hochland
Kenianer bestimmen den Ausgang der großen Straßenläufe in Europa und
Amerika. Da sie dabei immer schneller werden, kommen Dopinggerüchte auf.
Korruption in der Fifa: Weiter bedingt transparent
Nach Sepp Blatters Reform-Show: Zweifel an der Glaubwürdigkeit seines
Engagements gegen Korruption im Internationalen Fußballverband Fifa
bleiben.
Forderung von Transparency International: Fifa-Familie bleibt intakt
Die Fifa nimmt die Forderungen von Transparency International "zur
Kenntnis". Frühwarnsysteme soll es nur für manipulierte Spiele geben, nicht
für korrupte Funktionäre.
Joseph Blatter will Fifa-Präsident bleiben: Der immer davonkam
Korruption brachte Joseph Blatter 1998 an die Spitze der Fifa, Korruption
begleitet ihn seither. Wie konnte er sich so lange als Präsident halten?
Korruption bei der Fifa: Die Schlacht der alten Männer
Die Fifa hat zwei hohe Funktionäre wegen angeblicher Bestechung
suspendiert. Doch Ruhe ist nicht eingekehrt: Präsident Blatter wird weiter
des Stimmenkaufs bezichtigt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.