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# taz.de -- Interview über die Rockerjahre Roy Blacks: "Dieser Krach war Rebel…
> Günter Ortmann, Pianist von Roy Black & The Cannons, über Blacks frühe
> Karriere in einer Rock'n'Roll-Band und die privaten Seiten des vor 20
> Jahren verstorbenen Sängers.
Bild: Ein Bild aus späteren Jahren: das Foto Roy Blacks auf dessen Grabstein i…
taz: Herr Ortmann, am 9. Oktober jährt sich zum 20. Mal der Todestag von
Roy Black. Werden Sie an seinem Grab Ihres Freundes gedenken?
Günter Ortmann: Ganz sicher nicht.
Wieso denn nicht?
Da treiben sich an diesem Wochenende Leute herum, denen – ich sage mal –
die nötige Distanz zu so einem intimen Ort fehlt. Den paar Hundert, die
einen absurden Starkult pflegen, denen versuchen wir aus dem Weg zu gehen.
Was die dem Roy Black für einen Platz in ihrem Leben einräumen, so stelle
ich mir Sekten vor. Aber für uns, die zurückgebliebenen Musiker der
Cannons, ist die Erinnerung an Blacky schon eine sehr intime Sache.
Für Sie ist Roy Black immer noch Blacky?
Natürlich. Blacky war schon sein Spitzname in Augsburg am Gymnasium, weil
er so schwarze Haare hatte. Und weil er ein großer Fan von Roy Orbison war,
haben wir unsere Rock-n-Roll-Band Roy Black & The Cannons genannt.
Roy Black hat als Rocker angefangen.
Und er ist immer einer geblieben. Er hatte sicher keine Probleme damit,
Schlager zu singen, solange er dafür gut bezahlt wurde. Aber wenn wir
später mit Blacky in seiner Fischerhütte zusammengesessen sind, lief im
Hintergrund Joe Cocker oder Klassik. Und auf dem Tisch lagen Schopenhauer
und die ganzen russischen Klassiker. Haben Sie schon mal Schopenhauer
gelesen?
Ist lange her. War nicht allzu aufbauend.
Allerdings. Blacky hat uns totgequatscht mit diesen negativen,
pessimistischen Philosophien. Ist doch eh alles Scheiße, die Welt ist so
schlecht.
Damals, bei den Cannons, war er aber besser drauf.
Klar. Es ging damals ja auch steil bergauf.
Erzählen Sie.
Wir haben als Schülerband angefangen, aber wir waren anders. Die anderen
Bands haben Dixie oder Jazz gemacht, wir haben uns damals schon an die
Beatles rangetraut und das war 1964 noch Neuland – zumindest in Bayern. Wir
haben gewissermaßen die Beatlemania nach Augsburg gebracht.
Was bedeutet das?
Es war vor allem schön laut. Leute stiegen auf die Stühle und johlten. Wir
sind aufgewachsen, da war der Krieg gerade vorbei, Schmalhans regierte und
vieles war kaputt. Vor allem hat man gemerkt, dass einige von denen, die
dieses Elend verursacht haben, immer noch da waren und versucht haben, uns
zu sagen, wo es langgeht. Dieser Krach war auch ein Stück Rebellion. Das
kann man sich heute nicht mehr vorstellen, wie der Blacky auf der Bühne
rumgetobt ist damals – wie ein Irrwisch. Und das weibliche Publikum wusste
aus der Presse, dass bei Beatles-Auftritten gekreischt wurde. Also haben
sie auch bei uns gekreischt. Und natürlich fanden die Mädels den jungen
Blacky schick.
"Wieder Radau um Roy Black", titelte die Augsburger Neue Presse im Juli
1964.
Ja, für unsere Eltern war das Radau, was da abgelaufen ist. Aber es war
eigentlich ganz harmloser Spaß. Ausschreitungen gab es nicht. Erst recht
keine Saalschlachten.
Unterstützung für Sie kam überraschenderweise ausgerechnet aus der Politik.
Ja, der Oberbürgermeister Wolfgang Pepper, der war von der SPD und der hat
sich vehement für uns starkgemacht und vor uns gestellt. Der hat denen, die
sich beschwert haben, gesagt: Ihr seid doch eben noch im Gleichschritt
hinterm Hakenkreuz hermarschiert. Das, was die jungen Leute jetzt machen,
das ist doch viel harmloser als was, was wir gemacht haben.
Wer war Ihr Publikum?
Wir sind fast ausschließlich in den amerikanischen Kasernen aufgetreten.
Ich glaube, 80 Prozent unserer Auftritte waren in Ami-Clubs. Augsburg war
eine große Garnisonsstadt, es gab sechs Kasernen und jede hatte zwei Clubs.
Das heißt, jeden Tag gab es zwölf Auftrittsmöglichkeiten für Bands. Das war
ein Paradies im Vergleich zu heute. Die GIs waren ein dankbares Publikum,
sehr freundlich, fast schüchtern, Vietnam war da noch weit weg. Das waren
angenehme Auftritte: Wir spielten nur von 19 bis 22 Uhr, dann war
Zapfenstreich, und es war gut bezahlt mit Dollar, der stand damals 1:4 zur
D-Mark.
Dann wurde die Musikindustrie auf Sie aufmerksam.
Wir hatten bei einem Wettbewerb einen Schallplattenvertrag gewonnen, aber
da sind Musikwelten aufeinandergeprallt. Wir haben auch gemerkt, dass der
Spaß, den wir bis dahin hatten, mit der Unterschrift unter einen
Plattenvertrag weg war. Plötzlich gings ums Geschäft. Die Leute, die uns
unter Vertrag genommen hatten, die Manager der Polydor, die waren alle
dreimal so alt wie wir. Das hätten unsere Großväter sein können.
Die Großväter machten aus dem Rock'n'Roller Roy Black den Schlagerstar Roy
Black.
Wir haben im Studio ja versucht, die Toningenieure davon zu überzeugen, wie
Rock'n'Roll klingen muss, dreckig nämlich – aber erfolglos. Die Songs waren
auch nicht von uns, sie hatten bescheuerte Texte. Und als dann die ersten
beiden Versuche mit deutschen Beatnummern gescheitert waren, hat sich
Blacky auf diesen Titel eingelassen: "Du bist nicht allein".
Dass dieses Ding dann 1965 in den Hitparaden zwischen Beatles und Stones
stand, da war Blacky selber völlig von den Socken. Auch Blacky ist mit
einer ziemlichen Skepsis in diesen Plattenvertrag reingegangen. Aber wenn
Sie als Gymnasiast von hier auf gleich richtig Geld in die Finger kriegen,
dann steckt man das Geld ein und die Vorbehalte weg.
Und Sie waren ausgebootet?
So haben wir das nie gesehen. Drei von uns wusste eh, dass sie bald zur
Bundeswehr müssen. Man hat ja damals nicht verweigert, zumindest in Bayern
nicht und unter einem Verteidigungsminister Franz Josef Strauß sowieso
nicht. Deshalb war uns der Schallplattenvertrag, unter uns, ziemlich
wurscht. Wir haben uns gesagt: In einem halben Jahr sind wir eh beim Bund,
das nehmen wir jetzt noch mit.
Warum musste Roy Black nicht zur Bundeswehr?
Der Blacky hatte schon als Kind einen Herzklappenfehler. Daher kommt bei
manchen Plattenaufnahmen auch dieses schwere Geschnaufe. Über diese
seltsame Atemtechnik haben wir uns oft lustig gemacht. Aber die
Plattenbosse hielten das für einen Ausdruck echten Gefühls.
Das Schnaufen hat Roy Black zum Star gemacht. Wo sind Sie geblieben?
Als wir drei von der Bundeswehr zurückkamen, da gab es schon "Du bist nicht
allein", "Ganz in Weiß" und diese Dinge. Da war kein Platz mehr für eine
Beat- oder Rock-n-Roll-Band. Aber als Trostpflaster haben wir dann das
Angebot bekommen, einen Nobody namens Udo Jürgens zu begleiten. Mit dem
sind wir dann auf Tour gegangen, daraus ist die Band Team 70 entstanden,
und die gibt es nach wie vor.
Mitte der siebziger Jahre haben wir dann bei einer Gala eher zufällig den
Stargast Roy Black begleitet. Der war völlig von den Socken, als er gemerkt
hat, dass da hinter ihm seine ehemaligen Mitschüler aus den Sechzigern
standen. Von da an haben wir ihn immer mal wieder begleitet.
Der Kontakt ist also nie abgebrochen?
Nein. Wenn Blacky in Augsburg war, haben wir ein Bierchen zusammen
getrunken.
Worüber haben Sie da vor allem gesprochen?
Natürlich über alte Zeiten. Aber auch über ihn und die Schlagerszene. Dann
hat Blacky über Roy Black gesprochen wie über einen Dritten. Entgegen
Gerüchten, er hätte den Kontakt zur Wirklichkeit verloren, konnte er die
Kunstfigur Roy Black mit großem Abstand sehen.
Die alten Cannons treten immer noch auf?
Ja, es fehlen nur Blacky und unser Schlagzeuger, der ist leider
verunglückt. Dann spielen wir Musik von Roy Black und Musik für Roy Black.
Also auch die Schlager, dazu leisten wir uns sogar ein Streichquartett.
Aber wir machen auch einen Ausflug in die Sixties von Chuck Berry über
Elvis bis zu den Beatles, um den Roy-Black-Fans zu zeigen, wie alles
angefangen hat.
Wie reagiert das Publikum?
Der richtige Hardcore-Roy-Black-Fan, der staunt natürlich. Aber dieses
Publikum hat auch schon gestaunt, wenn wir vor seinem Tod zusammen
aufgetreten sind. Denn unser Blacky hat in seinen letzten Jahren davon
geträumt, Chansons von Jacques Brel ins Deutsche zu übersetzen.
Sie genießen es, diesen Leuten den wahren Blacky zu zeigen?
Ja, das genießen wir nicht nur. Wir empfinden das als notwendig. Die, die
damit Probleme haben, die sollen Probleme haben, damit haben wir kein
Problem.
Wie werden Sie den 20. Todestag begehen?
Im kleinsten Kreise. Und ohne Kameras und Reporter. Wir kümmern uns ja auch
um die Mama vom Roy Black. Die ist fast 90. Die würde der Schlag treffen,
wenn sie auf den Friedhof geht und dort auf diese Menschenmassen treffen
würde. Für die liegt da auch gar nicht Roy Black, sondern ihr Sohn Gerhard.
7 Oct 2011
## AUTOREN
Thomas Winkler
## TAGS
Popmusik
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