Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Arabische Frühlingsklänge: "Syrien geht's gut"
> Das Assad-Regime setzt regimetreue Popmusik ein, um die Jugend bei der
> Stange zu halten. Zu hören gibt's HipHop und Metal - eigentlich der Sound
> der Subversion.
Bild: Die syrische Deathmetal-Band Eclipse.
Seit der tunesische Rapper El General mit seinem Track "Rayis li Blad" die
Hymne für den Arabischen Frühling lieferte, gilt HipHop als das politische
Medium, in dem sich die junge Generation Tunesiens, Ägyptens und anderer
arabischer Länder ausdrückt. Unzählige Rap-Crews haben sich formiert,
Unmengen Musikvideos mit aufrührerischen Texten zirkulieren im Netz.
Metal gilt zwar als weniger politisch, hat aber gerade in konservativen
autoritären Regimes wie Ägypten unter Mubarak und Syrien unter Assad eine
besonders subversive Funktion.
Gerade in den vergangenen zehn Jahren fanden seitens der Regierungen vieler
arabischer Staaten wie beispielsweise Ägypten, Marokko oder Jordanien
regelrechte Kampagnen gegen dort lebende Metalheads statt, Fans und Musiker
wurden verhaftet, und es wurde gezielt propagandistische Hetze gegen die
"Teufelsmusik" betrieben.
Nicht anders war die Situation in Syrien. Doch nun, da das Regime ernsthaft
bedroht zu sein scheint, geschieht eine merkwürdige Kehrtwende in der
syrischen Politik: Die Regierung benutzt Rap und Metal, um sich selbst in
ein positives Licht zu rücken.
Im konterrevolutionären Raptrack "Ded Al Balad" (Gegen das Land) beschwört
ein Rapper namens [1][Murder Eyez] im "Be positive"-T-Shirt die syrische
Einheit. "Ich bin Syrer (…) mein Motto ist die Einheit". Und weiter: "Du
beschwerst dich über Korruption, beende erst mal dein eigenes Betrügen."
Murder Eyez warnt vor fremden Mächten, die einen zunächst täuschen, dann
zerstören. Ein international gesteuerter Medienkrieg wird heraufbeschworen.
## Das Regime will die junge Generation einbinden
In Aleppo wurde im Zuge der Propagandakampagne "Syria bi-Khayr" (Syrien
gehts gut) ein Metal-Konzert veranstaltet, das implizieren sollte, die
Aufständischen seien bereits geschlagen und die regimetreuen Kräfte wären
wieder im Aufwind. Sechs Bands nahmen daran teil, darunter auch die
Deathmetal-Band Eclipse.
Wie es scheint, verfolgt das Regime die Strategie, die junge gebildete
Mittelschicht mit Musik an sich zu binden, ihr die Illusion von mehr
Freiraum zu geben, indem sie sich ihrer Sprache und Kultur bedient. Denn
genau diese junge Generation bildet die potenzielle intellektuelle Basis
eines möglichen Umsturzes.
Integrieren statt diffamieren? In einem [2][Musikvideo zu der Fernsehserie]
"al-Khatt al-Ahmar" (Die rote Linie) aus dem Jahre 2008 singen Menschen
aller Gesellschaftsschichten vereint zu den Gitarrenriffs einer Metal-Band
auf dem Damaszener Hausberg Quasiyun den "Aufschrei" gegen das Übel dieser
Welt. Wie das Video impliziert, soll das vor allem in den USA und Israel
liegen.
Das ist nur ein Beispiel, wie die syrische Bevölkerung jahrzehntelang mit
den wildesten Verschwörungstheorien gefüttert wurde und Präsident Baschar
al-Assad als starker Mann und Beschützer des arabischen Volks dargestellt
wurde. Vor allem seit der wirtschaftlichen Öffnung des Landes haben sich
Ober- und Mittelschicht, städtische Händler und Bildungsbürger mit der
Situation arrangiert. Angst vor einem Zerfall des multiethnischen und
multikonfessionellen Landes wurde und wird propagandistisch seitens des
Regimes aufrecht erhalten.
## Fingerzeig auf den Konflikt im Nachbarland Irak
"Schaut, was im Irak passiert ist!" heißt es mit Fingerzeig auf den
blutigen Konflikt im Nachbarland. Auch im Irak treibt die Musikszene
merkwürdige Blüten. In einem Land, das von religiöser und ethnischer
Zugehörigkeit geprägt ist, wuchs ein zartes Pflänzchen namens Janaza. Ein
explizit antiislamisches Ein-Frau Blackmetal-Projekt. Die Musikerin, die
aus nachvollziehbaren Gründen ihre wahre Identität verbirgt, produziert
Songs wie "Islamic Lies" oder "Burn The Pages Of Quran". Wie künstlerisch
wertvoll ihre Arbeit ist, darüber lässt sich trefflich streiten - mit ihrem
kontroversen Konzept beweist sie jedoch allemal mehr Mut als die meisten
ihrer männlichen syrischen Musikerkollegen.
Ähnliche Tabubrüche würden in Syrien bedeuten, das Regime direkt zu
kritisieren. Aber: "Syrien gehts gut".
13 Oct 2011
## LINKS
[1] http://www.myspace.com/murdereyez
[2] http://www.youtube.com/watch?v=q2yQMVnYods
## AUTOREN
Selina Rosa Nowak
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gefangenenaustausch in Israel: Soldat Schalit freigelassen
Der Israeli Gilad Shalit ist am Dienstag am Grenzübergang Rafah
freigelassen worden. Bis kurz vorher verhandelt der Oberste Gerichtshof
noch über Einsprüche der Opfer.
Syrischer Student über Revolte: Im Netz der grausamen Giraffe
Er ist 22 Jahre alt, Student und lebt in der syrischen Hauptstadt Damaskus
- und wie viele Oppositionelle hat er zwei Profile auf Facebook - eines für
Harmloses und eines für die Revolte.
Aufstand in Syrien: Lage in Homs weiter gespannt
Die Armee beschießt Stellungen von Regimegegnern in Homs mit Granaten, drei
Menschen sollen getötet worden sein. Der Übergangsrat in Libyen erkennt den
syrischen Nationalrat an.
Proteste in Syrien: "Klima des Krieges"
In Homs sind bei einem Einsatz der Armee über 30 Menschen getötet worden.
Zahlreiche Häuser der Stadt sollen zerstört worden sein.
Syrische Opposition im Exil: Wer stoppt Assad?
Weil sie Angst vor einem Bürgerkrieg haben, fürchten Dissidenten den
Widerstand mit Waffen. Und begründen das internationale Desinteresse mit
dem wenigen Erdöl.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.