# taz.de -- Google wirbt mit und für Wheelmap: Eine Landkarte gegen die Peinli… | |
> Auf der Onlinekarte können Nutzer die Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude | |
> prüfen. Davon sollen Rollstuhlfahrer und Ältere profitieren. | |
Bild: Der aktuelle "Radkarte" von Berlin | |
Ab sieben Zentimetern, der Höhe einer Stufe, gibt es Orange. Bei mehreren | |
Stufen Rot. Nur Einrichtungen, die über einen komplett stufenlosen Eingang | |
und ein Rollstuhl-WC verfügen, werden grün markiert. Crowdsourcing nennt | |
sich das Prinzip, auf dem die [1][Wheelmap] basiert, eine Onlinekarte für | |
Rollstuhlfahrer. Die Nutzer sammeln Informationen und bilden eine | |
Übersicht: Je mehr Einträge es werden, desto lückenloser das Projekt. | |
Restaurants, Museen, Bahnhöfe - weltweit können öffentliche Einrichtungen | |
auf diese Weise auf Barrierefreiheit überprüft und im Ampelsystem | |
kategorisiert werden. Leuchtendes Beispiel für funktionierendes | |
Crowdsourcing ist die Onlineenzyklopädie Wikipedia. | |
"Seit Anfang Oktober sind schon 40.000 neue Orte dazugekommen. Das ist so | |
viel wie im gesamten halben Jahr davor", sagt [2][Raul Krauthausen erfreut. | |
Er sitzt im Rollstuhl und hat das Projekt mit seinem Berliner Verein | |
Sozialhelden 2010 ins Leben gerufen]. Grund für den jüngsten Erfolg ist ein | |
TV-Spot. Der [3][Internetgigant Google stellt die Wheelmap seit Anfang | |
Oktober als Paradebeispiel für innovative Ideen] im Onlinebereich vor und | |
bewirbt damit seinen Onlinebrowser: "Das Web ist, was du daraus machst." | |
Was die Sozialhelden um Krauthausen daraus machen, überschreitet nun auch | |
die Grenzen Berlins. Immer mehr weiße Flecken verschwinden von der Karte. | |
"Am Anfang lag der Schwerpunkt auf Berlin, weil man uns in der Szene hier | |
kannte", sagt Krauthausen rückblickend. "Aber durch den Spot breiten wir | |
uns auch deutschlandweit immer mehr aus." 126.000 markierte Einrichtungen | |
weist die Karte auf, darunter auch schon Orte außerhalb Deutschlands. Das | |
Palais Royal des Louvre in Paris? Rot markiert, Zutritt für Rollis | |
unmöglich. | |
"Man darf nicht vergessen, dass Mobilitätsbehinderte vor allem Sicherheit | |
brauchen, wenn sie sich draußen bewegen", sagt Jürgen Schneider, | |
Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung. Dem stimmt Krauthausen zu: | |
"Seit zwei Jahren komme ich mit der BVG relativ gut überallhin. Aber die | |
Frage ist, ob sich der Weg überhaupt lohnt." | |
In Berlin seien etwa 300.000 Menschen, knapp 9 Prozent der Bevölkerung, in | |
ihrer Mobilität eingeschränkt, schätzt Schneider. Mindestens 40.000 bis | |
50.000 von ihnen säßen im Rollstuhl. Auch die Zahl der über 80-Jährigen, | |
denen Stufen und andere Barrieren das Leben in besonderem Maße erschweren, | |
werde in absehbarer Zeit die 300.000er-Marke erreichen. | |
Dass aber wohl gerade ältere Menschen nur sehr begrenzt von dem | |
Onlineangebot Gebrauch machen werden, ist dem 31-jährigen Sozialhelden | |
Krauthausen bewusst. Auch die Wheelmap-App für Smartphones, mit der sich | |
Nutzer unterwegs alle barrierefreien Orte in direkter Umgebung anzeigen | |
lassen können, wird weniger internetaffinen Menschen kaum helfen. Für sie | |
ist zwar eine gedruckte Version der Wheelmap in Planung, weil aber täglich | |
Orte neu markiert werden, wäre eine Wheelmap als Buch morgen schon wieder | |
veraltet, sagt Krauthausen. "Wir brauchen flexiblere und kreativere | |
Lösungen." | |
Er spielt mit der Idee, eine stets aktualisierte Karte etwa an | |
Touristeninformationen zum Ausdruck anzubieten oder die Wheelmap mit einem | |
Callcenter zu kombinieren, von dem auch ältere Menschen Gebrauch machen | |
könnten. Das Potenzial, das in dem Projekt steckt, hat auch Schneider | |
erkannt. "Vor einigen Jahren wäre ich noch skeptisch gewesen", sagt der | |
Behindertenbeauftragte. Die Wheelmap sei "eine sehr einfache Untersuchung". | |
Wenn es für bestimmte Einrichtungen konkrete Daten und Vermessungen gäbe, | |
"wäre es wunderbar, diese weiterführenden Daten einzubinden". | |
Mit einem umfassenden Informationsangebot wollen sich die Sozialhelden | |
jedoch noch nicht zufriedengeben. Er wolle für das Thema sensibilisieren, | |
sagt Krauthausen. "Die Frage ist, wie man einen Ladenbetreiber animiert, | |
seinen Laden rollstuhlgerecht zu gestalten." Meist hätten die Leute Angst | |
vor Bürokratie. Dabei gebe es oft auch ganz praktische Lösungen. Bei einem | |
Eingang mit zwei Stufen würde eine kostengünstige Klapprampe dem Problem | |
schon Abhilfe schaffen. Auch Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen, die | |
ebenso zur Zielgruppe der Wheelmap-Macher zählen, würden profitieren. Die | |
Sozialhelden planen, mit Einrichtungen, die in ihrer Karte nicht grün | |
markiert sind, in Kontakt zu treten. | |
Dass alle gut beraten sind, auf Barrierefreiheit zu achten, darin sind sich | |
Schneider und Krauthausen einig. Allein schon wegen der immer älter | |
werdenden Bevölkerung - ein Trend, der nach Berechnungen der | |
Senatsverwaltung trotz des Zuzugs junger Menschen auch vor der Hauptstadt | |
nicht haltmachen wird. "Der Berliner Fernsehturm, das Aushängeschild der | |
Stadt, ist nicht rollstuhlgerecht. Das müsste peinlich sein fürs Land", | |
meint Krauthausen. Er will arbeiten, "bis man die Wheelmap irgendwann gar | |
nicht mehr braucht". | |
15 Oct 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://wheelmap.org/ | |
[2] /Montagsinterview-Raul-Krauthausen/!68474/ | |
[3] http://youtu.be/u7ddxtFK1T8 | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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