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# taz.de -- Promovieren mit der Exzellenzinitiative: Gartenpflege über den Zau…
> Die "Berlin Graduate School for Social Sciences" an der
> Humboldt-Universität wird von der Exzellenzinitiative des Bundes
> gefördert und verwöhnt DoktorandInnen mit Intensivbetreuung.
Bild: Man sei der Humboldt-Universität (im Bild eine Einführungsveranstaltung…
Zu ihrem Doktortitel gelangt Anita G. per Chipkarte: Der Türöffner surrt
leise, und die blonde junge Frau kann das oberste Geschoss der Berlin
Graduate School for Social Sciences (BGSS) betreten. Dachbalken aus hellem
Holz ziehen sich durch einen hellen Raum, auf langen Schreibtischen stapeln
sich Bücher und Papier. 23 WissenschaftlerInnen haben hier ihren
Arbeitsplatz. Es ist eine eigene Schule für Doktoranden - ein wenig
freischwebend, gehobene Ausstattung, repräsentative Lage. Und nicht für
umsonst zu haben. Die BGSS ziehe "hochwertige Leute an", sagt G.
selbstbewusst, "nicht einfach nur Leute, die nicht wissen, was sie machen
sollen."
Die 25-Jährige hat in England Politikwissenschaft studiert. Weil sie "Lust
auf Wissenschaft" hatte, promoviert sie jetzt über Gewaltstrategien in
Bürgerkriegen. Später will sie in einem Forschungsinstitut oder einer
internationalen Einrichtung arbeiten.
Mit der Exzellenzinitiative hat sich Deutschland die Förderung von
exzellenten NachwuchswissenschaftlerInnen auf die Fahnen geschrieben, die
sogenannten Graduate Schools sind ein Pfeiler dabei. Auch wenn die HU
bislang nicht in den Genuss des Elite-Titels kam, flossen doch Gelder aus
dem Wettbewerb in ausgewählte Projekte - eines davon war die BGSS. Sie ist
als Schnittstelle zwischen Politik- und Sozialwissenschaften spezialisiert
auf Vergleichende Integrations- und Demokratieforschung.
Eine Million Euro steckt der Bund jährlich in die BGSS und
NachwuchsforscherInnen wie G. Der größte Brocken des Geldes fließt in die
Stipendiaten, mehr als eine halbe Million Euro. Für die 67 Doktoranden sind
ein eigenes Sekretariat und eine eigene Finanzierungsstelle zuständig,
jeder Wissenschaftler hat einen eigenen Büroplatz. Noch einmal 200.000 Euro
kommen vom Land hinzu, etwa für Stellen oder Baumaßnahmen. Das Gebäude ist
schick saniert, der helle Sandstein leuchtet auffällig gegenüber dem
Altgrau anderer Fakultäten im Innenhof.
Im dritten Stock des Instituts sitzt Martin Nagelschmidt, der
Geschäftsführer, in seinem Büro. Der promovierte Mittvierziger managt die
Millionen. Auch er ist umgeben von Papier - aber anderer Art. Nagelschmidt
zieht einen Ordner aus einem Stapel: den Fortsetzungsantrag. Diesmal will
die BGSS 7,5 Millionen Euro einwerben. Keinesfalls gehe es nur um Elite,
wie immer wieder behauptet werde, sagt Nagelschmidt: "Für uns ist die
Exzellenzinitiative eine exzellente Möglichkeit, die Nachwuchsförderung zu
reformieren." Denn darin sei "jahrzehntelang zu wenig gelaufen", sagt er.
Doktorväter seien zum Teil nachlässig mit ihrer Verantwortung umgegangen.
Hier hingegen stehen den Studenten drei Professoren zur Seite, es gibt
Lectures und Summer Schools, jeder Student wird in seiner Entwicklung
beobachtet und gelistet - mit "Creditpoints", die am Ende in einem Zeugnis
auftauchen und "Milestones", die zu absolvieren sind. Viele Bewerber
stammen aus Osteuropa, der Türkei, Israel, Lateinamerika, sagt
Nagelschmidt. "Früher wären die in die USA gegangen, heute kommen sie nach
Berlin." Geforscht wird auch in Berlin, na klar, auf Englisch.
"Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind der HU voraus", sagt Nagelschmidt.
Er schwärmt von "neuartigen Lehrveranstaltungen" und lobt die "tolle
Atmosphäre". Eine Graduiertenschule sei "Kollektivgut". Das Promovieren
gleicht für Nagelschmidt einem Gemeinschaftsgarten: Während im
Schreberverein jeder seine Parzelle pflege, geschehe dies hier über Zäune
hinweg.
Es geht international und kollegial zu an der BGSS - aber auch darum, wer
in so einem Garten die besten Gurken züchtet. Gemessen wird der Erfolg an
Papers und der Teilnahme an Konferenzen, auf denen man vorträgt. Natürlich
schaue man auch, was die anderen Stipendiaten machen, sagt Andreas Schäfer,
einer der Doktoranden. Der 32-Jährige promoviert über politische
Kommunikation im Deutschen Bundestag. "Wahrscheinlich wäre ich sonst
manchmal nicht auf die Idee gekommen, mich bei bestimmten Ausschreibungen
zu Konferenzen oder dergleichen zu bewerben."
Problematisch findet er die Parallelstrukturen, die durch die
Exzellenzinitiative entstanden sind. Schließlich gibt es auch noch das
Sozialwissenschaftliche Institut der HU, wo Mitarbeiter an einem Lehrstuhl
promovieren. Wohin mit den vielen hochgezüchteten Doktoranden?, fragt sich
Schäfer. Der deutsche Arbeitsmarkt habe darauf wohl keine Antwort.
Nagelschmidt schon: "Wir lösen das Problem durch Qualifikation", sagt er.
Es gebe eine ausgezeichnete Vernetzung mit den großen
sozialwissenschaftlichen Instituten der Republik, durch Mentoring-Programme
werde der Nachwuchs auf die spätere Karriere vorbereitet.
Die Exzellenzinitiative hat eine gewisse Dynamik in die Universitäten
gebracht. Gleichzeitig hält sie Menschen wie Nagelschmidt "ganz schön in
Atem", wie er sagt. "Man kann dann nicht mehr stillstehen." Allein die
Anträge machten "unendlich viel Arbeit und Mühe". Zeit und Energie, die
auch direkt in die Wissenschaft fließen könnten.
Mit den nächsten Fördergeldern will die BGSS für den Nachwuchs weiter die
Strukturen reformieren. Mehr Post-doc-Programme will sie anbieten, um die
Lage der WissenschaftlerInnen zwischen Doktor- und Professortitel zu
verbessern. Um die Sozialwissenschaften an der HU wirklich abzusichern und
auch in den nächsten Jahren international mitzumischen, braucht es wohl
auch in den kommenden Jahren noch ein paar Millionen.
17 Oct 2011
## AUTOREN
Grit Weirauch
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