# taz.de -- Kampfabstimmung über Fraktionsvorsitz: Linke Grüne gehen in die O… | |
> Canan Bayram will Ramona Pop als Chefin der Grünen-Fraktion abslösen. | |
> Setzt Bayram sich nicht durch, will der Dirk Behrendt für den zweiten | |
> Chefposten antreten - gegen Volker Ratzmann. | |
Bild: Canan Bayram mit dem amtierenden Fraktionschef Volker Ratzmann | |
Die neue Legislaturperiode könnte bei der Grünen-Fraktion mit einer neuen | |
Spitze beginnen. Wenn die Fraktion am kommenden Dienstag ihren Vorstand neu | |
wählt, will die dem linken Parteiflügel angehörende Kreuzberger Abgeordnete | |
Canan Bayram gegen die bisherige Fraktionschefin Ramona Pop antreten, eine | |
ausgewiesene Realo. Das erklärte Bayram am Dienstagabend kurz vor Ende der | |
Fraktionssitzung. Pop ist wie ihr Co-Vorsitzender Volker Ratzmann dem | |
Realo-Flügel zuzurechnen. Beide wollen erneut kandidieren. | |
Die Fraktion war bei der Abgeordnetenhauswahl am 18. September von 23 auf | |
29 Mitglieder angewachsen, das Gewicht des linken Flügels hatte sich dabei | |
vergrößert. | |
Bayrams Kandidatur kommt überraschend, denn als möglicher Herausforderer | |
von Pop und ihrem Co-Vorsitzenden Volker Ratzmann galt vor allem Dirk | |
Behrendt, wie Bayram in Kreuzberg zuhause. Behrendt will aber nur | |
kandidieren, falls Bayram sich gegen Pop nicht durchsetzt und nicht einen | |
zweiten Anlauf unternimmt und auch gegen Ratzmann antritt. | |
Behrendt ist als linker Gegenspieler Ratzmanns anzusehen. Ende 2009 hatten | |
sich die beiden am Rande eines Landesparteitages ein erregtes Wortgefecht | |
um mögliche Koalitionen jenseits der SPD geliefert. Ratzmann hatte auf | |
Optionen beharrt und sich dagegen gewehrt, Koalitionen auzuschließen. Im | |
Jahr vor der Abgeordnetenhauswahl ruhte die Auseinandersetzung weitgehend, | |
Ende 2010, als die Grünen in Umfragen weit vor den Christdemokraten lagen, | |
hatte Behrendt sogar eine Koalition mit der CDU unter grüner Führung nicht | |
ausgeschlossen. | |
Kurz nach der Wahl deutete Behrendt [1][in einem taz-Interview] an, dass | |
der linke Parteiflügel in der Fraktionsspitze vertreten sein müsste. Eine | |
Kandidatur ließ er aber offen. Zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode | |
2006 war er stellvertretender Fraktionschef, wurde aber ein Jahr später | |
nicht wieder gewählt. Der Kreuzberger Flügel blieb bis zuletzt komplett | |
außen vor, vier von fünf Vorstandsmitgliedern sind klar dem Realo-Lager | |
zuzuordnen. Der linke Parteiflügel sprach damals von einem „Herausdrängen�… | |
Der Anspruch, jetzt stärker vertreten zu sein, gründete sich auch auf das | |
sehr starke Wahlergebnis der traditionell links orientierten Bezirksgruppe | |
in Friedrichshain-Kreuzberg. Dort hatten die Grünen fünf von sechs | |
Direktmandaten gewonnen. Behrendt holte das landesweit beste | |
Erststimmenergebnis und verpasste mit 49,8 Prozent eine absolute Mehrheit | |
nur hauchdünn. Auch andere Kreuzberger Abgeordnete wie Heidi Kosche mit | |
43,8 Prozent holten herausragende Resultate. | |
Bayram war 2006 für die SPD ins Abgeordnetenhaus gekommen und wechselte | |
erst im Mai 2009 zu den Grünen. Das geschah in einem Aufsehen erregenden | |
Wechselspiel, in dem erst Bayram ihre Fraktion verließ und kurz darauf die | |
bisherige Grünen-Abgeordnete Bilkay Öney zur SPD wechselte. Öney ist | |
inzwischen Integrationsministerin in Baden-Württemberg. Dem Vernehmen nach | |
war Bayram damals enttäuscht, nach ihrem Wechsel nicht in die | |
Grünen-Fraktionsführung aufrücken zu können. | |
Die Grünen hatten bei der Abgeordnetenhauswahl zwar ihr bislang bestes | |
Wahlergebnis in Berlin erzielt. Mit rund 17 Prozent waren sie aber weit | |
hinter zwischenzeitlichen Umfragewerten von 30 Prozent zurück geblieben. | |
Unterschiedliche Positionen zur A 100 ließen Koalitionsgespräche mit der | |
SPD platzen. Vor allem Ratzmann hatte sich noch kurz vor der Wahl darauf | |
festgelegt, dass es mit den Grünen keinen Weiterbau der Autobahn geben | |
würde. Das entsprach der Position, die die Grünen schon seit Jahren | |
einnehmen. | |
Nach der Wahl hatte der grüne Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Christian | |
Ströbele Ratzmanns Festlegung kritisiert. Ratzmann hatte diese Vorwürfe | |
gekontert und darauf verwiesen, dass das im Einvernehmen mit dem | |
Landesvorstand geschah – Landeschef Daniel Wesener ist Kreuzberger, war bis | |
zum Frühjahr Mitarbeiter Ströbeles und ist führender Kopf der Linken. | |
Bei mehreren Kreismitgliederversammlungen hatten die Teilnehmer das | |
Scheitern der Koalitionsverhandlungen nicht Ratzmann und der | |
Verhandlungsgruppe, sondern der SPD angelastet. Tenor war, dass der | |
Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ohnehin nicht mit den Grünen | |
koalieren wollte und die A 100 nur als Anlass nahm, die Gespräche | |
abzubrechen. | |
18 Oct 2011 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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