# taz.de -- Bundesparteitag der Linken: Ein bisschen Frieden | |
> Die Verabschiedung des Leitantrags zur Friedenspolitik zeigt die | |
> Zerrissenheit einer Partei, in der nur eins sicher ist: Gegen Oskar | |
> Lafontaine geht nichts. | |
Bild: Wo er ist, da ist links: Lafontaine mit parteiroter Gesichtsfarbe. | |
ERFURT taz | Der Parteitag war 18 Stunden alt, da passierte es. Ein | |
Delegierter trat an das Saalmikophon und sagte: "Ich heiße Oskar | |
Lafontaine. Ihr könnt Euch völlig auf mich verlassen: Es wird keine | |
Schlupflöcher für Einsätze der Bundeswehr geben." Damit war, in 30 | |
Sekunden, alles klar. Alle Änderungen zum Leitantrag wurden abgelehnt, Ende | |
der Debatte über Krieg und Frieden. | |
Die radikale Antikapitalistische Linke AKL hatte gefordert, aus der Nato | |
auszutreten, nicht nur aus der militärischen Struktur. Sie wollte ein | |
doppelt und dreifach betoniertes Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, | |
auch ausdrücklich zu Blauhelm-Missionen. "Wenn wir das beschlossen hätten, | |
hätte die Bundeswehr noch nicht mal Medikamente nach Pakistan | |
transportieren dürfen", so ein Delegierter. Doch nach dem Auftritt des | |
Delegierten Lafontaine war das erledigt. | |
Lafontaine ist Fraktionschef der Linkspartei im Saarland. In dieser | |
Funktion kann niemand garantieren, was Bundespartei oder Fraktion im | |
Bundestag tun oder lassen werden. Aber dieser Auftritt wirkte wie | |
Handauflegen durch einen Wunderheiler. | |
Er macht deutlich: Es ist egal, welche Funktion Lafontaine hat oder nicht. | |
Gegen ihn geht nichts. Das war die Aussage dieses Satzes. Und im Nachhall: | |
Ich komme wieder, möglicherweise. Und niemand von den knapp 700 Delegieren | |
zweifelte in diesem Moment, dass dies passieren kann. | |
## Blauhelmeinsätze sind ausgeschlossen … | |
Krieg und Frieden ist das Thema, das die Linkspartei verlässlich in | |
Aufregung versetzt. Es war klar, dass die sorgfältig ausgetüftelten | |
Formelkompromisse am ehesten bei Bundeswehreinsätzen im Ausland platzen | |
könnten. | |
Im Grundsatzprogramm der Linkspartei steht nun, dass "die Bundeswehr aus | |
allen Auslandeinsätzen zurückgeholt" werde. An UN-mandatierten | |
Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta will man keinesfalls | |
teilnehmen. | |
Das klingt nach einem wasserdichten, resoluten Nein auch zu | |
Blauhelm-Einsätzen. Dass Militär Hilfslieferungen in Katastrophengebiet | |
absichert, ist ausgeschlossen. Ein Sieg der Fundis also. Allerdings | |
funktionieren Formelkompromisse wie Vexierbilder: Es hängt davon ab, wie | |
man schaut – schon sieht man etwas anderes. | |
## … oder auch nicht. | |
"Blauhelmeinsätze der Bundeswehr sind nicht ausgeschlossen", sagt der | |
Pragmatiker Mathias Höhn, der die Kompromisslinien mit Sahra Wagenknecht | |
ausgehandelt hat. Dass man alle Bundeswehrsoldaten aus dem Ausland abziehe, | |
so die etwas trickreiche Lesart mancher Reformer, heiße ja nicht, dass man | |
nicht später welche hinschickt. | |
Die Linkspartei, so sehen es die Pragmatiker, hat sich in Erfurt in der | |
Bundeswehrfrage vor allem darauf geeinigt, dass sie sich nicht einigt. Die | |
Fundis sehen das völlig anders. Und Lafontaine hat den Deckel auf diesen | |
Topf getan. | |
Ganz hinten in der Ecke des Foyers der Erfurter Messehalle steht der Stand | |
des Fundi-Kampfblattes junge welt. Das Blatt hatte kürzlich den Mauerbau | |
gefeiert. Deshalb wollten Pragmatiker wie Schatzmeister Raju Sharma, dass | |
die jw keinen Stand bekommt. Ergebnis des Streits: die jw kommt in die | |
Ecke, nach ganz hinten. | |
Das ist wie ein Symbol für diesen Parteitag, auch für die Verfassung der | |
Linkspartei: Keiner fliegt raus, nichts wird entschieden. Aber in der | |
inneren Machtbalance haben sich die Gewichte verschoben: Die | |
Antikapitalistischen Linke AKL steht allein in der Ecke. Fast alle | |
verschärfenden Formulierungen, die die AKL wollte, wurden abgelehnt. Das | |
Bündnis der AKL mit der gewerkschaftsnahen Sozialistischen Linken (SL) | |
gegen die Ost-Reformer scheint zu zerbrechen. | |
Die Linkspartei hat nun ein ziemliches verbalradikales Programm – aber die | |
Radikalen haben in der Partei nicht mehr viel zu sagen. | |
22 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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