# taz.de -- Parteitag in Erfurt: Linke hat jetzt ein Programm | |
> Über 96 Prozent der Delegierten des Parteitags votierten für das leicht | |
> veränderte Konzept des Vorstands. Und Ex-Chef Oskar Lafontaine stellte | |
> sich gleich voll hinter die umstrittene Parteispitze. | |
Bild: Der eigentliche Star des Parteitags: Ex-Parteichef Oskar Lafontaine. | |
ERFURT/BERLIN dpa/rtr/dapd | Die Linkspartei hat mit großer Mehrheit ihr | |
erstes Parteiprogramm seit dem Zusammenschluss aus PDS und WASG vor vier | |
Jahren beschlossen. Über 96 Prozent der Delegierten des Parteitags stimmten | |
am Sonntag für das leicht veränderte Konzept des Parteivorstands, in dessen | |
Mittelpunkt der Umbau wesentlicher wirtschaftlicher Grundlagen der | |
Gesellschaft steht, durch den mehr soziale Gerechtigkeit erreicht werden | |
soll. 503 Delegierte stimmten mit Ja, vier mit Nein und zwölf enthielten | |
sich. | |
Parteichef Klaus Ernst sprach von einem Meilenstein in der Geschichte der | |
Linkspartei. "Unser Programm ist eine Kampfansage an die herrschenden | |
Verhältnisse und eine Kampfansage an die Herrschenden." | |
Die stellvertretende Linke-Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht zeigte sich | |
"unglaublich froh" über die breite Zustimmung für das Parteiprogramm. "Es | |
zeigt, welche große Einigkeit wir hier gefunden haben", sagte sie am | |
Sonntag. | |
Vor einem Jahr hätten sich noch alle Sorgen gemacht, ob es wirklich | |
gelingen könne, gemeinsame Positionen finden und festhalten zu können. Dies | |
sei aber nun gelungen. Sie habe mit einer breiten Zustimmung gerechnet. | |
"Aber so eindeutig, wie es jetzt ausgefallen ist, das ist für mich eine | |
sehr positive Überraschung gewesen." | |
## Änderung der Eigentumsverhältnisse | |
Der zentrale Kompromiss im Programm sind die sogenannten Haltelinien für | |
Regierungsbeteiligungen. Damit soll ein Hauptstreitpunkt zwischen den | |
Parteiflügeln ausgeräumt werden, die in der Vergangenheit immer wieder | |
wegen der Bedingungen für Regierungsbeteiligungen aneinandergeraten waren. | |
"An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im | |
Ausland zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die | |
Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren | |
Politik die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes verschlechtert, | |
werden wir uns nicht beteiligen", heißt es im Parteiprogramm. | |
Geplant ist der Umbau der als neoliberal und sozial ungerecht gewerteten | |
Gesellschaft. Dazu setzen die Linken bei den Eigentumsverhältnissen an: | |
Großbetriebe und Banken sollen verstaatlicht oder in das Eigentum der | |
Belegschaft überführt werden. Den öffentlichen Sektor wollen die Linken | |
massiv ausbauen, generell soll der Staat ein wesentlich stärkeres Gewicht | |
bekommen. Bei den sozialen Leistungen sollen verbessert, im Gegenzug | |
Vermögende, Gutverdienende und Betriebe stärker zur Kasse gebeten werden. | |
Die Linke hatte zwei Tage lang über den Entwurf des Parteivorstands und | |
rund 1400 Änderungsanträge beraten. 350 Anträge wurden zur Abstimmung | |
gestellt, 18 Änderungen wurden angenommen. Einzige Überraschung: Die | |
Delegierten nahmen die Legalisierung aller Drogen einschließlich Heroin und | |
Kokain als langfristiges Ziel in das Programm auf. | |
Das letzte Wort zum Parteiprogramm haben die rund 70 000 Mitglieder in | |
einer Urabstimmung, die bis Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. | |
## Lafontaine stärkt Parteispitze | |
Nach der Abstimmung nahm der ehemalige Parteichef Oskar Lafontaine seine | |
umstrittenen Nachfolger Klaus Ernst und Gesine Lötzsch in Schutz und | |
attackierte den politischen Gegner scharf. "Wenn die Führung angegriffen | |
wird, dann braucht die Führung die Solidarität der gesamten Partei, auch | |
dann, wenn sie Fehler macht", sagte Lafontaine am Sonntag auf dem Parteitag | |
in Erfurt. "Wir brauchen den aufrechten Gang, und wir dürfen uns nicht von | |
den anderen in die Defensive treiben lassen." | |
Mit dem neuen Programm hofft die Linke nun auch wieder aus dem | |
Stimmungstief zu kommen. Seit der Bundestagswahl 2009 ist die Partei von | |
rund 12 auf 6 Prozent abgestürzt. | |
23 Oct 2011 | |
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