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# taz.de -- Vorabend-Krimis in der ARD: Mord in der deutschen Provinz
> Regionalkrimiserien wie "Nordisch herb" aus der Reihe "Heiter bis
> tödlich" sollen den ARD-Vorabend sanieren. Vorbild ist das
> "Großstadtrevier" – nicht gerade gewagt.
Bild: Frank Vockroth als Kriminalhauptkommissar Jon Peterson und Loretta Stern …
Aufregung im beschaulichen Husum: Im Schlick des Hafenbeckens liegt eine
Leiche. Männlich, keine Papiere, Stichverletzung. "Das ist ja Fiete", weiß
Kriminalhauptkommissar Jon Peterson (Frank Vockroth). Fiete ritt seit Tagen
mit einem Schimmel durch den Ort, um für den anstehenden
Theodor-Storm-Kongress zu werben. Wer ihn auf dem Gewissen hat, muss der
bräsige Peterson nun gemeinsam mit seiner ungeliebten neuen Kollegin, der
selbstbewussten Berlinerin Nora Neubauer (Loretta Stern), herausfinden.
Mit diesem Fall beginnt am Dienstag um 18.50 Uhr im Ersten die neue
Krimiserie "Heiter bis tödlich: Nordisch herb". Die ARD-Verantwortlichen
blicken den Reaktionen des Publikums und vor allem den Quoten diesmal
sicherlich mit noch mehr Spannung entgegen, als es beim Start von neuen
Formaten sonst üblich ist - denn "Nordisch herb" bildet den Auftakt zu
einer erneuten Vorabendreform, mit der die seit Jahren ungelösten Probleme
dieser Programmschiene behoben werden sollen: Von 17 bis 20 Uhr könnte die
ARD über den Verkauf von Werbezeiten eigentlich viel Geld einnehmen, doch
wegen schwacher Quoten zahlt die Werbewirtschaft nur Spottpreise für ihre
Spots.
Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren deshalb am Programm
herumgewerkelt, und dabei gab es kaum Schmerzgrenzen: Ob Bruce Darnells
Styling-Show "Bruce" oder die Antiglobalisierungsschnulze "Eine für alle -
Frauen können's besser" - irgendein Schrott musste doch einfach
funktionieren! Seltsamerweise wurde der Sender regelmäßig für seine
Versuche abgestraft. Eigentlich gilt im Fernsehen ja: Nur weil etwas
schlecht ist, muss es noch lange kein Flop werden.
Die neueste Idee: Unter der Dachmarke "Heiter bis tödlich" starten in den
kommenden Wochen im ARD-Vorabendprogramm gleich drei neue Krimiserien mit
zunächst jeweils 16 Folgen. Neben "Nordisch herb" sind das "Hubert und
Staller" mit Christian Tramitz und Helmfried von Lüttichau als trottelige
Ermittler in Oberbayern sowie "Henker & Richter" mit Martin Lindow und Rike
Schmid als Widersacher am kleinsten Amtsgericht Westfalens. Vier weitere
"Heiter bis tödlich"-Krimiserien laufen ab dem Frühjahr 2012. Darunter
"München 7", die aus dem bayerischen Regionalprogramm bekannten
Reviergeschichten.
Krimis en masse also. Besonders innovativ klingt das nicht gerade. Zumal es
ja an Krimis im deutschen Fernsehen auch vor "Heiter bis tödlich" schon
nicht mangelte. Hinzu kommt: Jede einzelne Serie wird von einer
ARD-Landesrundfunkanstalt mitfinanziert - regelmäßige Wiederholungen in den
dritten Programmen sind fest eingeplant. Noch mehr Sendezeit also, die mit
Krimis blockiert wird.
## Qualitätsoffensive Krimi
"Wir betrachten die neuen Serien als Qualitätsoffensive", sagt dagegen
Frank Beckmann, der den schönen Titel ARD-Koordinator Vorabend trägt und in
nur einem Jahr die neue Reihe auf den Weg gebracht hat. "Es sind ja ganz
besondere Krimis: Wir erzählen spannende Fälle und ergänzen sie mit Humor
und sehr viel Lokalkolorit - die jeweilige Region wird eine Hauptrolle
spielen. Diese Mischung macht schon das ,Großstadtrevier' einzigartig, und
sie wird jeden Krimi der neuen Reihe einzigartig machen."
Das "Großstadtrevier" als Vorbild! Darauf hätte man auch früher kommen
können, schließlich läuft die gemütliche Reihe aus Hamburg schon seit 25
Jahren. Aber warum wird am Vorabend nicht mal wirklich etwas gewagt? Man
könnte doch weniger abgenutzte Genres ausprobieren oder sich mit
gesellschaftlichen Milieus beschäftigen, die nicht schon tausendfach Thema
von Serien oder TV-Filmen waren.
Irgendwann nerven die permanente Tätersuche, die ungleichen Ermittler, die
Polizeiuniformen und die strengen Staatsanwälte doch auch den
leidenschaftlichsten Krimigucker. Egal, auf welchem Sendeplatz. Egal, mit
wie viel Humor das Ganze verpackt ist. Warum wird noch nicht mal versucht,
an erfreulich frische Serien wie "Berlin, Berlin" oder "Türkisch für
Anfänger" anzuknüpfen? Zumal die öffentlich-rechtlichen Kollegen vom ZDF am
Vorabend ebenfalls auf Krimis setzen und ihre "Soko"-Reihe bereits seit
Jahren erfolgreich mit immer neuen regionalen Ablegern versehen - wie viele
es davon mittlerweile genau gibt, können nur noch Experten mit Gewissheit
sagen.
Doch auch ungeachtet des allgemeinen Krimiüberflusses ist der erste
Eindruck von den "Heiter bis tödlich"-Serien nicht gerade vielversprechend.
Es geht alles recht betulich, harmlos und bieder zu in der deutschen
Provinz. Aber vielleicht ändert sich daran ja noch etwas. Frank Beckmann
hat jedenfalls angekündigt, die Serien, zu deren Vorbildern auch "Mord mit
Aussicht" mit Caroline Peters zählt, intensiv weiterzuentwickeln und die
Reaktionen der Zuschauer ernst zu nehmen. Und dabei soll es nicht bleiben:
"Wir arbeiten bereits an weiteren Serien unter der Dachmarke ,Heiter bis
tödlich' ", sagt Beckmann. "Mein Ziel ist es, irgendwann alle Regionen
Deutschlands am Vorabend abzubilden." Im Moment klingt das wie eine
Drohung.
25 Oct 2011
## AUTOREN
Sven Sakowitz
## TAGS
Western
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