# taz.de -- Verlage wollen Schulcomputer scannen: Trojaner im Lehrerzimmer | |
> Freiwillige Selbstentblößung: die Kultusministerkonferenz lässt zu, dass | |
> Verlage hunderte Schulcomputer durchsuchen dürfen. Es geht um | |
> Urheberrechtsverletzungen. | |
Bild: Wird überwacht: Schulcomputerraum, wie immer topmodern ausgestattet. | |
BERLIN taz | Es klingt erst einmal harmlos: die Schulbuchverlage wollen | |
Schulen mit einer kostenlosen "Plagiatssoftware" ausstatten lassen. Darauf | |
haben sich die Verwertungsgesellschaften VG Wort und VG Musikedition sowie | |
die Schulbuchverlage mit den Kultusministern der Länder im Dezember 2010 | |
vertraglich geeinigt. | |
Wie [1][netzpolitik.org] berichtet, ist das Ziel der Aktion jedoch nicht, | |
Copy-und-Paste-Stellen in Hausarbeiten von Schülern aufzudecken – nein, | |
Objekt der Software sind die Pädagogen selbst. Genau genommen, die von | |
ihnen genutzten Schulcomputer. Mit Hilfe der Software sollen "digitale | |
Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken auf | |
Speichermedien identifiziert werden", heißt es im Paragraph 6, Absatz 4 des | |
im Januar in Kraft getretenen Gesamtvertrags zur Einräumung und Vergütung | |
von Ansprüchen ([2][PDF]). | |
Die Verlage wollen, dass mindestens ein Prozent der öffentlichen Schulen | |
die Software installiert und damit ihre Server scannen lässt. Nach Auskunft | |
des Statistischen Bundesamtes gibt es rund 38.000 allgemeinbildende und | |
berufliche Schulen in öffentlicher Trägerschaft, betroffen wären demnach | |
mindestens 380 staatliche Schulen in der gesamten Bundesrepublik. | |
Die Länder verpflichten sich im Vertrag weiterhin, einen Ansprechpartner zu | |
benennen, der oder die Hinweise auf Urheberrechtsverletzungen nachgehen | |
soll. Sollten sich Hinweise auf Raubkopien finden, drohen SchulleiterInnen | |
und LehrerInnen disziplinarische Maßnahmen. Geschlossen wurde der Vertrag | |
vom bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Namen der | |
anderen Länder. Ein Vertreter war bisher nicht für eine Stellungnahme | |
erreichbar. | |
## Es geht um Geld | |
Für die Schulbuchverlage geht es ums Geld, das heißt: um Urheberrechte und | |
Nutzungsgebühren. Auf Schulrechnern befänden sich größere Mengen illegaler | |
digitaler Kopien, gibt Christoph Bornhorn, Sprecher des Verbandes der | |
Schulbuchverlage (VdS Bildungsmedien) Auskunft. Wieviel genau konnte er | |
allerdings nicht beziffern. | |
Der Vorsitzende des Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger, reagierte | |
entsetzt. "Ich halte es für äußerst problematisch, dass an Schulen | |
verdachtsunabhängig Spionagesoftware, also Trojaner, zum Aufspüren von | |
unerlaubten Digitalisaten installiert werden soll", sagte Meidinger der | |
taz. Er bezweifle, dass die Länder dazu verfassungsrechtlich befugt seien. | |
Marit Hansen von der Datenschutzbehörde in Schleswig-Holstein hält den | |
Einsatz einer solchen Software ebenfalls für bedenklich. In einer | |
Stellungnahme für die taz schreibt sie: "In jedem Fall ist diese | |
Scan-Software kritisch für alle informationstechnischen Systeme, die von | |
Lehrkräften auch für eigene Daten genutzt werden, und dies scheint mir | |
zurzeit die typische Ausgestaltung zu sein." Ihr sei außerdem nicht | |
bekannt, dass im Vorfeld des Vertragsabschlusses die | |
Datenschutzbeauftragten eingebunden worden seien. | |
Auch die Lehrergewerkschaft GEW ist alarmiert: "Wir sind vom dem geplanten | |
Einsatz eines Schultrojaners überrascht – 'Trojaner' haben an Schulen | |
nichts zu suchen. Damit würden die Lehrkräfte gezielt einer Ausforschung im | |
Interesse Dritter ausgesetzt, erklärte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne. | |
Die Verlage halten den Einsatz einer solchen Spürsoftware dagegen für | |
unbedenklich. "Vom heimlichen Ausspähen kann nicht die Rede sein", meint | |
Sprecher Bornhorn. Die Schulen seien ja informiert, außerdem handle es sich | |
nicht um Privatrechner. Dass Lehrerinnen und Lehrer an ihren Arbeitsplätzen | |
auch private Mails abriefen, hält Bornhorn für ausgeschlossen. Im Übrigen | |
verweist er auf die Länder, die dafür zuständig seien zu kontrollieren, | |
dass Datenschutzrechte gewahrt blieben. | |
Mit den Ländern wurde vereinbart, dass die Software bereits ab dem zweiten | |
Halbjahr des laufenden Schuljahres gestellt werden soll. Nach Auskunft von | |
VdS-Sprecher Bornhorn ist sie bisher jedoch noch nicht zur Entwicklung | |
ausgeschrieben worden. | |
31 Oct 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://netzpolitik.org/2011/der-schultrojaner-eine-neue-innovation-der-verl… | |
[2] http://netzpolitik.org/wp-upload/20110615gesamtvertragtext.pdf | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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